Berlin. Der Kanzler räumt ein Haushaltsproblem ein. Eine Lösung präsentiert er nicht - kündigt aber das Ende der Energiepreisbremsen an. Der Oppositionschef schmettert ihm entgegen: „Sie können es nicht“.
Die Ampel-Koalition habe auch in der Haushaltskrise alles im Griff, das ist die Botschaft, die Kanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung im Bundestag setzt. Politische Weichenstellungen und Wege aus dem Milliardenloch präsentierte der SPD-Politiker jedoch nicht.
Noch immer ist offen und heftig umstritten, wofür die Regierung im kommenden Jahr noch Geld ausgegeben kann. Die Energiepreisbremsen jedenfalls fallen laut Scholz weg. Die Opposition sprach ihm nach der Rede die Eignung als Bundeskanzler ab.
Nicht einmal habe der Bundeskanzler das für verfassungswidrig erklärte Schulden-Manöver bedauert - oder sich gar dafür entschuldigt, kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag. Stattdessen schaue die Regierung hilflos zu, wie ihr Kartenhaus zusammengebrochen sei. AfD-Chefin Alice Weidel forderte personelle Konsequenzen. „Die Bürger haben in dieser Lage nicht auf Ihre Regierungserklärung gewartet, Herr Scholz, sondern auf Ihre Rücktrittserklärung“, sagte sie.
Opposition hatte Scholz-Rede verlangt
Eigentlich verfolgt Scholz das Prinzip, dass sich ein Politiker nur dann öffentlich äußern sollte, wenn er etwas zu sagen hat. Doch Union und Linke hatten ihn gedrängt, zu dem Urteil Stellung zu nehmen, das die Regierung Mitte November kalt erwischt hatte.
Nun ein Beruhigungsversuch auf typische Scholz' Art - schon der zweite nach der am vergangenen Freitag veröffentlichten Videobotschaft. Den Bürgern sicherte der Kanzler verlässliche staatliche Leistungen zu. „In Ihrem Alltag hier und heute ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts - völlig unabhängig davon, ob Sie Kindergeld oder Bafög bekommen, eine Rente oder Wohngeld“, versprach er. Die Regierung lasse niemanden allein mit den aktuell so geballten Herausforderungen.
Merz kritisiert Scholz als Technokraten
Dann beschrieb der Kanzler die technischen Konsequenzen aus dem Karlsruher Haushaltsurteil: Den Nachtragshaushalt mit Aussetzung der Schuldenbremse, mit dem die Regierung den Etat des laufenden Jahres reparieren will.
Oppositionschef Merz war das zu viel Haushaltsarithmetik - und zu wenig politische Richtungsweisung. „Sie sind ein Klempner der Macht. Ihnen fehlt jede Vorstellung davon, wie dieses Land sich in den nächsten Jahren weiter entwickeln soll“, warf er Scholz vor. Im Vergleich zu früheren SPD-Kanzlern müsse man sagen: „Sie können es nicht.“ Die Schuhe eines Bundeskanzlers seien ihm „mindestens zwei Schuhnummern zu groß“.
„Dafür stehe ich als Bundeskanzler“
Der Kanzler dagegen verbürgte sich persönlich dafür, große Modernisierungsvorhaben nicht aufzugeben. „Ich will, dass Deutschland ganz vorne dabei ist“, sagte er. Es gehe um Arbeitsplätze, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, ein gutes Leben für kommende Generationen. Mit diesen Prämissen werde der Haushalt für das kommende Jahr jetzt „mit der nötigen Ruhe und in Verantwortung für unser Land“ beraten. „Darauf können die Bürgerinnen und Bürger sich verlassen. Dafür stehe ich als Bundeskanzler“, sagte Scholz.
Zugleich aber bereitete der Kanzler die Bürger auf Sparbeschlüsse vor. Der Bundestag habe den Abschluss der Haushaltsberatungen verschoben. „Das gibt uns Zeit, vorhandene Spielräume im Haushalt auszuloten, Schwerpunkte zu setzen und natürlich auch Ausgaben zu beschränken“, sagte er. Die staatlichen Energiepreisbremsen seien im kommenden Jahr wegen der gesunkenen Preise nicht mehr nötig. Wo noch gespart werden könnte, sagte Scholz nicht.
Dazu hat die Union Vorschläge gemacht: Beim Bürgergeld, beim Heizungsgesetz und bei der Kindergrundsicherung könne gekürzt werden. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte das scharf. Bei Merz fehle ihr Ernsthaftigkeit und ein Stück weit auch Anstand. „Dass ausgerechnet von Ihnen als allererster Vorschlag kam, bei der Bekämpfung von Kinderarmut kürzen zu wollen, das finde ich wirklich schäbig“, sagte sie.
Koalition steht vor Kraftanstrengung
Ob der Etat für das kommende Jahr noch vor Silvester beschlossen werden kann, steht in den Sternen. Nicht nur muss entschieden werden, welche Vorhaben aus dem Klima- und Transformationsfonds noch finanziert werden. Die Ampel-Koalition muss auch bis zu 20 Milliarden Euro im regulären Haushalt einsparen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine Ampel-Kollegen bereits auf „erhebliche Kraftanstrengungen“ hingewiesen. „Wir werden intensive Diskussionen führen müssen, die nicht immer einfach sein werden“, schrieb er an die Koalitionsfraktionen.
Im Bundestag zeigten sich deutliche Differenzen auch innerhalb der Ampel. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stellte die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse infrage. „Wir müssen uns fragen, ob sie angemessen ist vor den Herausforderungen dieser Zeit“, sagte er. „Wir brauchen grundsätzliche Korrekturen an der Gestaltung der Schuldenbremse.“ Die FDP dagegen besteht darauf, dass die Schuldenbremse nicht angetastet wird.
Merz: Schicksal der Schuldenbremse entscheiden nicht Ministerpräsidenten
Merz versicherte, auch die Union werde an der Schuldenbremse festhalten. Zuletzt hatten mehrere CDU-Ministerpräsidenten in den Ländern die Regelung in ihrer aktuellen Form kritisiert. „Die Entscheidungen werden hier im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin“, sagte Merz in Anspielung auf Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters der Hauptstadt, Kai Wegner (CDU).