Hamburg. Stadt verliert 22 Allgemeinmediziner, aber Einwohnerzahl steigt. Kinder-Versorgung gefährdet. In diesen Stadtteilen ist es kritisch.

Die medizinische Grundversorgung in Hamburg droht, sich einschneidend zu verschlechtern. Der Grund ist die weiter sinkende Anzahl an Hausärzten bei gleichzeitigem Zuwachs der Bevölkerungszahl. Auch bei Kinderärzten und den Psychotherapeuten sieht es düster aus. Das ist deshalb besonders misslich, weil es in Hamburg nach wie vor einen Kinder-Boom gibt und die Corona-Pandemie zu erheblichen psychischen Folgen bei Jüngeren führte, die behandlungsbedürftig sind.

Schon heute gibt es Wartelisten für Termine und in vielen Praxen einen Aufnahmestopp für neue Patientinnen und Patienten. Das betrifft vor allem sozial schwächere Stadtteile sowie den Hamburger Süden, wie die Senatsantwort auf eine Große Anfrage der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft ergab. Zum Beispiel gab es auf Finkenwerder vor zwei Jahren noch fünf Hausärzte, nun sind es zwei. In den umliegenden Stadtteilen, auch in den Neubaugebieten rund um Neugraben-Fischbek, ist die Lage ebenso trüb. Ein anderes Beispiel: In Blankenese kommen 695 Einwohner auf einen Hausarzt, in Lurup sind es 2123.

Hausarzt in Hamburg: Wartelisten und Aufnahmestopp

Linken-Gesundheitspolitiker Deniz Celik wies darauf hin, dass Hamburg innerhalb von zwei Jahren 22 Hausärzte verlor, während 40.000 Menschen hinzukamen. „Dass Hamburg immer noch als ärztlich überversorgt gilt, ist nicht mehr nachvollziehbar. Hamburg ist eine wachsende Stadt – doch die ärztliche Versorgung wächst nicht mit.“ Celik sieht einen „krassen Unterschied zwischen wohlhabenderen Stadtteilen und einkommensärmeren“. Er wies darauf hin, dass Lurup, Billstedt und Wilhelmsburg „kinderärztlich unterversorgt“ seien, Winterhude und Blankenese dagegen überversorgt.

Nach Abendblatt-Informationen soll es als erste Notfallmaßnahme vier weitere Sitze von Kinderärzten im Hamburger Osten geben. Nach den offiziellen Statistiken der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gilt Hamburg bei fast allen Arztgruppen im bundesweiten Vergleich als überversorgt. Was dabei vergessen wird: Jeder vierte Patient kommt aus dem Umland. Und Hamburg wächst nicht nur auf zwei Millionen Einwohner bis spätestens 2050, wie aus einer Projektion des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Die Zahl der Rentner und damit der Menschen, die überproportional oft medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, steigt ebenfalls.

Gesundheitszentren als Lösung für Hamburger Ärztemangel?

Der Senat hat bereits mit der Einrichtung kommunaler Gesundheitszentren reagiert. Celik kritisiert, dass sich die ärztliche Versorgung damit nicht verbessert habe, sondern bestenfalls die Beratung. „Als Linksfraktion setzen wir uns daher für die Einrichtung kommunaler Gesundheitszentren mit angestellten Ärztinnen und Ärzten in unterversorgten Stadtteilen ein.“

Auch dafür muss es Nachwuchsmediziner geben. Von den rund 1200 Hausärzten in Hamburg sind nach KV-Zahlen aus dem vergangenen Jahr 400 über 60 Jahre alt. Weniger als 100 waren erst unter 40 Jahre alt. Dazu kommt: Vor allem Kinderärztinnen arbeiten oft nicht in Vollzeit und viele junge Ärzte ziehen aufgrund schwankender wirtschaftlicher Grundlagen die Anstellung in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) der Gründung oder Übernahme einer eigenen Praxis vor. In nur einem Jahr hat die Zahl dieser MVZ von 131 auf 140 zugenommen. Werden diese Großpraxen von Investoren betrieben, spezialisieren sie sich häufig auf ein Leistungsspektrum, bei dem die Grundversorgung von chronisch Kranken oder Hausbesuche in Pflegeheimen nicht im Vordergrund steht. Das engt die Versorgung Älterer weiter ein.

Hamburger Süden: Wo Patienten besonders lange warten müssen

Auch in den einwohnerstärkeren Stadtteilen südlich der Elbe zeigt sich eine besorgniserregende Entwicklung. So kamen zwar im Kern Harburgs rechnerisch zwei Hausärzte hinzu, doch wegen des Bevölkerungswachstums blieb die Zahl der Menschen, die sie versorgen, ähnlich hoch. Richtig bitter wurde es in Heimfeld, wo drei Hausärzte zwischen 2021 und 2023 verschwanden. Statt 2782 gibt es hier nun 4518 Einwohner pro Hausarzt.

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Andersherum zeigt sich, dass zumindest statistisch Entwarnung herrscht, wenn zwei statt ein Kinderarzt in Steilshoop gemeldet sind. Von rund 4000 Kindern pro Arzt sinkt die Zahl auf – immerhin noch – 2000. Das belegt, wie kleine Maßnahmen die angespannte Versorgungssituation in sozial schwächeren Stadtteilen lindern können. Nach wie vor katastrophal ist die Situation bei Kinderärzten im Bezirk Harburg. Trotz des Riesenbedarfs wuchs die Zahl nur von 16,5 auf 16,75 (gemessen an Vollzeitstellen).

Hausarzt in Hamburg: Praxen zwischen Weihnachten 2023 und Neujahr geschlossen?

Bei den Frauenärzten ist es nach den Senatszahlen vor allem in Lurup, Osdorf und Wilhelmsburg schlimm. Hier kommen zum Teil erheblich mehr als 20.000 Patientinnen auf einen niedergelassenen Mediziner. In Ottensen dagegen (1600 Frauen pro Frauenarzt) kamen drei Gynäkologen hinzu.

Aufgrund der bundesweiten Ärzteproteste gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollen zahlreiche Praxen zwischen Weihnachten und Neujahr (drei Werktage) komplett geschlossen bleiben. Der Hamburger HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich hatte das im Abendblatt angekündigt. Die Kassenärztliche Vereinigung machte allerdings darauf aufmerksam, dass das Bundessozialgericht die Schließung einer KV-Praxis aus politischen Gründen untersagt habe. Wer an der kassenärztlichen Versorgung gesetzlich Versicherter teilnehme, müsse zum Beispiel bei einem Urlaub eine Vertretung organisieren. Die KV erklärte: „Ein Verweis an den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder an die Zentralen Notaufnahmen der Krankenhäuser ist nicht zulässig.“