Hamburg. Wohl am Dienstag endet in Hamburg der Prozess gegen zehn junge Männer. Einer der Angeklagten wurde bereits freigesprochen.

Es war Mitternacht, als die Jugendliche durch den Stadtpark in Hamburg irrte. Sie wirkte hilflos, war stark alkoholisiert – und ist offenbar Opfer einer sehr schweren Straftat geworfen. Der Vorwurf einer Gruppenvergewaltigung stand im Raum. Mehrere Männer sollen sich in einem Gebüsch an der 15-Jährigen vergangen haben.

Dieses Ereignis aus der Nacht vom 19. auf den 20. September 2020 hat Hamburg erschüttert und in der Bevölkerung für Wellen der Empörung gesorgt. Manche forderten einen schnellen Prozess und hohe Strafen für die Verdächtigen. Andere veröffentlichten sogar rassistische Hass- und Hetzkommentare im Internet, wollten die „Veröffentlichung der Gesichter der Täter“. Nun – mehr als drei Jahre nach der Tat – soll das Urteil fallen.

Prozess Hamburg: Staatsanwaltschaft fordert Jugendstrafen für neun Angeklagte

Wie die Staatsanwaltschaft die Geschehnisse einschätzt, nach anderthalb Jahren Prozess gegen zehn Angeklagte, wurde nun bekannt: Die Anklage forderte für neun Angeklagte, die zur Tatzeit zwischen 16 und 20 Jahre alt waren, die Verhängung von Jugendstrafen zwischen 15 Monaten und drei Jahren. Der gesetzliche Strafrahmen für die vorgeworfenen Taten lag bei sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Nach dem Jugendstrafrecht, bei dem der erzieherische Gedanke im Vordergrund steht, ist die Verhängung einer Jugendstrafe überhaupt nur dann möglich, wenn für den betreffenden Angeklagten eine „schädliche Neigung“ oder eine „Schwere der Schuld“ festgestellt wird.

Bei drei der Beschuldigten sollen die Strafen nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zur Bewährung ausgesetzt werden. Zwei weitere junge Männer sollen eine Vorbewährung erhalten. Diese Maßnahme, die allein im Jugendstrafrecht möglich ist, bedeutet, dass die Entscheidung, ob eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, zurückgestellt wird. Der Jugendliche soll über mehrere Monate zeigen, ob er eine Bewährung „verdient“ hat. Ihm individuelle Auflagen aufzuerlegen ist dabei möglich.

Vergewaltigung im Stadtpark: Verteidigung beantragt Freispruch

Für einen zehnten Angeklagten plädierte die Staatsanwaltschaft auf Freispruch. Ein weiterer junger Mann war bereits im April freigesprochen worden. Ihm war Beihilfe zur Vergewaltigung und das Erstellen von jugendpornografischen Inhalten vorgeworfen worden. Bei ihm kam die zuständige Kammer des Landgerichts zu dem Schluss, dass ihm die Taten nicht nachgewiesen werden konnten. Noch nicht einmal eine Anwesenheit während des Tatgeschehens sei sicher festzustellen. Die Verteidigung hat für alle Beschuldigten Freispruch gefordert.

Ein Urteil gegen die wegen Vergewaltigung angeklagten jungen Männer soll am Dienstag, 28. November, verkündet werden. In dem Prozess wurden in einer umfangreichen Beweisaufnahme über 65 Verhandlungstage insgesamt 96 Zeugen gehört. Dabei ging es darum, möglichst genau zu ermitteln, welcher der Angeklagten sich in welchem Umfang an der Tat beteiligt hat.

Prozess Hamburg: Mehrere Männer sollen sich an einer 15-Jährigen vergangen haben

Am 19. September 2020 hatte die Jugendliche eine Party auf der Festwiese des Stadtparks besucht. Gegen 22 Uhr, so das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen, begegnete die stark alkoholisierte 15-Jährige einem Mann, der sie in ein Gebüsch führte. Es kamen drei weitere Männer hinzu. Teils unter Anwendung von Gewalt sollen sie die 15-Jährige missbraucht haben. Nach diesen ersten Gewalttaten soll die Jugendliche zwei weitere Male in ein Gebüsch geführt und dort von den anderen Angeklagten vergewaltigt worden sein. Einer von ihnen soll das Mädchen dabei zudem mit dem Handy gefilmt und ihre Handtasche gestohlen haben.

Die Staatsanwaltschaft stützt sich bei der Anklage auf den Grundsatz „Nur Ja heißt Ja“ bei möglichen Sexualstraftaten. Für den vorliegenden Fall gelte, dass die jungen Männer hätten erkennen müssen, dass die alkoholisierte Jugendliche nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen klaren Willen zu fassen beziehungsweise ihren Willen auszudrücken. Den hilflosen Zustand der 15-Jährigen hätten die Angeklagten „ausgenutzt“. Das Opfer war zu den Geschehnissen an vier Verhandlungstagen über Video als Zeugin vernommen worden.

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Die Angeklagten hatten im Prozess eine Gruppenvergewaltigung bestritten. Weil die mutmaßlichen Täter seinerzeit noch Jugendliche beziehungsweise Heranwachsende waren, fand das Verfahren, wie es das Jugendgerichtsgesetz vorsieht, unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Von dem 18 Monate dauernden Verfahren drang praktisch nichts nach außen.

Das ist insoweit bemerkenswert, als an jedem der 65 Hauptverhandlungstage rund 50 Menschen im Gerichtssaal saßen. Neben der Kammer, die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt ist, sind noch zwei Hilfsschöffen dabei, dazu Vertreter der Staatsanwaltschaft, die (noch) zehn Angeklagten und für jeden von ihnen zwei Verteidiger. Darüber hinaus wird die geschädigte Jugendliche anwaltlich vertreten. Außerdem sind Vertreter der Jugendgerichtshilfe, Dolmetscher und Sachverständige an dem Prozess beteiligt.

Stadtpark-Verfahren: Nach der Tat hatte es zahlreiche Aufrufe zur Lynchjustiz gegeben

Nachdem die Ermittlung der Tatverdächtigen bekannt geworden war, hatte es im Internet zahlreiche Aufrufe zur Lynchjustiz gegeben. In mehreren Videos bei YouTube wurden die Klarnamen und auch Fotos der Angeklagten veröffentlicht. Es kam darüber hinaus zu rassistischen Beleidigungen gegen die späteren Angeklagten. Sechs von ihnen sind in Hamburg geboren, von den übrigen vier jeweils einer in Polen, dem Iran, Kuwait, und Libyen.

Die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft leitete mehr als 140 weitere Strafverfahren wegen Hasskriminalität im Zusammenhang mit dem Stadtpark-Verfahren ein. Sie kritisierte auch eine „Skandalisierung“ des Falls in der Medienberichterstattung.