Hamburg. Der Innensenator erklärt, warum er eine neue Feuerwehrführung will. Opposition reagiert mit scharfer Kritik und will weitere Antworten.

Saal 151 im Rathaus war am späten Mittwochmittag fast bis auf den letzten Platz besetzt, als endlich auch Innensenator Andy Grote gut gelaunt als Letzter den Raum betrat. Sobald sich der Senator mit einem Augenzwinkern gesetzt hatte, eröffnete der Vorsitzende Ekkehard Wysocki (SPD) den Innenausschuss mit einer leichten Verzögerung und einer schlechten Nachricht: Denn weil der Saal nur bis 16 Uhr gebucht war, so erklärte es Wysocki, müsse die geplante und lang erwartete Selbstbefassung des Ausschusses mit den Entwicklungen bei der Feuerwehr zügig abgehandelt werden.

Dabei war die Sitzung schon seit Monaten von Teilen der Feuerwehr und auch von der Politik herbeigesehnt worden. Der Hintergrund: Immer wieder hatte das Abendblatt über schlechte Stimmung in der Feuerwehrführung berichtet, es wurde über „ein Klima der Angst“ geklagt, über Mobbing-Vorwürfe und über Überlastung. Zudem wurde kurz vor dem Innenausschuss öffentlich, dass Ex-Feuerwehrchef Christian Schwarz gegen die Innenbehörde vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht geklagt hatte. Sein Kernvorwurf: Seine Umsetzungsverfügung sei rechtswidrig.

Feuerwehr Hamburg: Grote musste Antworten zur Feuerwehr geben

Mehr als genug Stoff also, um die zweistündige Sitzung mit inhaltlichem Leben zu führen. Das dachten sich auch die innenpolitischen Sprecher der Oppositionsparteien, die allerdings zunächst einmal enttäuscht wurden. Denn statt zügig zu den Kernpunkten und Hauptvorwürfen zu kommen, nutzte Grote zunächst einmal das Podium, um in der ersten Stunde darüber zu referieren, wie gut der Feuerwehrbetrieb doch eigentlich laufe.

„Die Feuerwehr leistet herausragende und hervorragende Arbeit“, sagte Grote – und führte ausführlich aus: Die Zeiten der Hilfsfristen habe man stark verbessert, beim Brandschutz liege man aktuell bei der Schutzzielerreichung bei 65 Prozent und habe so ein en Anstieg von acht Prozentpunkten verzeichnet. Beim Rettungsdienst wurde ein Erreichungsgrad der Hilfsfristen von 57 Prozent (plus vier Punkte) erreicht und bei den notarztbesetzen Rettungsmitteln würde man sogar bei 90 Prozent liegen (plus zwei Punkte).

Innensenator: Feuerwehr ist auf einem richtig guten Weg

Grote referierte minutenlang über neue Feuerwehrwagen, mehr Personal und mehr Geld durch die sogenannte Notfallzulage für die Fachkräfte. Im Doppelhaushalt 2023/24 sei der Etat der Feuerwehr um 18 Prozent (um 65 Millionen Euro) erhöht worden. Zusammengefasst in einem Satz bilanzierte Grote: „Die Feuerwehr ist auf einem richtig guten Weg.“

Ist sie das wirklich? Erst nach einer Stunde kamen die Oppositionspolitiker der Reihe nach ans Mikrofon und schäumten über das Vorgehen Grotes vor Wut. Dennis Gladiator (CDU) warf dem Senator vor, die offenkundigen Probleme bei der Feuerwehr, die der Grund der Selbstbefassung waren, nicht genannt zu haben. Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) wollte Antworten zu den Mobbingvorwürfen haben, und auch Cansu Özdemir (Linke) kritisierte, dass die wirklichen Themen nicht angesprochen worden seien. „Hier steht ein massiver Vorwurf gegen eine Behördenleitung in Raum, und die Behörde argumentiert fast eine Stunde lang mit irgendwelchen Zahlen“, schimpfte Dirk Nockemann (AfD). „Ich halte das für kein gutes Verfahren.“

Feuerwehrchefs sind seit Monaten krankgeschrieben

Und dann wurde es doch noch interessant. Denn obwohl Ex-Feuerwehrchef Schwarz nicht in Saal 151 dabei war, war der Oberbranddirektor von nun an das Hauptgesprächsthema im Raum. Grote wurde gefragt, wie es zum Bruch zwischen der Innenbehörde und der bisherigen Feuerwehrführung gekommen sei, warum neben Schwarz auch dessen Stellvertreter Stephan Wenderoth über Monate krankgeschrieben fehle und wie es weitergehe?

Dabei sparte der Innensenator nicht mit vorsichtig verpackter Kritik an Noch-Chef Schwarz. „Es gab Rückmeldungen aus der Feuerwehr, dass man sich an der einen oder anderen Stelle gewünscht hätte, dass Dinge anders vorangebracht worden wären.“

Schwarz wurde Abteilungsleiterin vor die Nase gesetzt

Darauf hätte die Innenbehörde reagiert und habe Kathrin Schuol, die Abteilungsleiterin für öffentliche Sicherheit, mit dem Projekt „Neuausrichtung der Feuerwehr“ beauftragt. Mit anderen Worten: Schuol, eine frühere Polizistin, wurde Ex-Feuerwehrchef Schwarz vor die Nase gesetzt, ehe sich dieser vom Ende des vergangenen Jahres an schließlich krankmeldete. „Für mich war die Krankmeldung eine Überraschung“, sagte Grote, der im Februar erneut reagierte und Jörg Sauermann zum neuen Interimschef machte.

Mit diesem sei die Behördenleitung nun sehr zufrieden, auch die Kommunikation sei nun viel besser. „Die Dinge werden nun angepackt, vieles bewegt sich in die richtige Richtung.“ Grotes Konsequenz: Wenn es nach ihm ginge, dann könnte die bisherige Interimsführung die alte Amtsleitung auch offiziell ablösen. Aber natürlich würde man zuvor noch eine offizielle Ausschreibung veranlassen. Eine Rückkehr auf seinen eigentlichen Posten könne er sich im Fall von Christian Schwarz nicht vorstellen: „Die Feuerwehr braucht eine funktionsfähige Leitung.“

Feuerwehr Hamburg: Auch Mobbingvorwürfe wurde im Innenausschuss

Zumindest bei dieser Conclusio waren sich alle im Raum einig. Das zeigte auch der große Abendblatt-Report aus dem Sommer, in dem gleich mehrere leitende Angestellte aus der Feuerwehrführung anonym über schlechte Stimmung, Burn-out-Gefahr und Mobbing geklagt hatten. Auf Nachfrage betonte Grote, dass er Mobbing-Vorwürfe zwar sehr ernst nehme, aber nicht aufgrund von Medienberichterstattungen aktiv werden könne: „Wir können nicht aufgrund von Zeitungsartikeln Mobbingvorwürfen nachgehen.“

Eine Antwort, die die innenpolitischen Sprecher der verschiedenen Fraktionen nicht zufriedenstellte. So wurde schon vor dem offiziellen Sitzungsende beschlossen, dass man die Selbstbefassung der Feuerwehr fortsetzen wolle. Ebenfalls verärgert war ein Großteil der Politiker darüber, dass durch Grotes anfängliche „Spiel auf Zeit“ kaum noch Zeit für die eigentlich vorgesehene, intensive Beschäftigung mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Rettungsgesetzes (Tagesordnungspunkt zwei) blieb.

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Immerhin: Am Rande der Sitzung wurde bekannt, dass die umstrittene Wahl von Prof. Thoralf Kerner aus dem Asklepios Klinikum Harburg als neuen Beauftragten der Leitenden Notarztgruppe seit vergangener Woche auch offiziell ist. Zur Erinnerung: Kerner war bereits Anfang September in einer Kampfabstimmung gewählt worden, erhielt seine Urkunde nach ausführlicher Prüfung durch die Innenbehörde allerdings erst am 25. Oktober.

Dieses Thema ist damit abgehakt. Alle anderen Feuerwehrthemen dürften bei der nächsten Sitzung des Innenausschusses fortgesetzt werden – idealerweise ohne Anschlussveranstaltung in Saal 151.