Hamburg. Feuerwehr fahre Notfälle nicht immer ins nächste geeignete Krankenhaus. Stecken auch wirtschaftliche Interessen der Kliniken dahinter?
Aus Sorge um ihre Patientinnen und Patienten machen Hamburger Notärzte und Krankenhausmediziner auf „unhaltbare Zustände“ im Rettungsdienst der Feuerwehr aufmerksam. Selbst lebensgefährlich erkrankte oder verletzte Patienten könnten zum Teil nicht in die nächstgelegenen Kliniken gefahren werden, weil sich Häuser wegen Überlastung von der Notfallversorgung zeitweise abmelden.
Andererseits, so berichten es Notärzte, führen Rettungswagen an den nächstgelegenen Kliniken vorbei in weiter entfernte Häuser – angeblich, weil die Behandlung von manchen Patienten besonders rentabel sei, die von anderen nicht. Das sagen unabhängig voneinander mehrere Ärzte dem Abendblatt.
Feuerwehr Hamburg: Notärzte erheben schwere Vorwürfe
Über die „Irrwege“ von Rettungswagen selbst bei akuter Lebensgefahr für Patienten liegen dem Abendblatt Aussagen, Einsatzprotokolle und Daten zu Sperrungen einzelner Häuser und Abteilungen vor. Der Direktor der Klinik für Intensivmedizin am UKE, Prof. Stefan Kluge, sagte dem Abendblatt: „Bei Patientinnen und Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen/Verletzungen muss unbedingt die nächste geeignete Klinik angefahren werden, um Schaden für die Patientinnen und Patienten abzuwenden.“
So hat es nach Beschwerden über die Situation im Rettungsdienst auch eine hochrangige Runde von Verantwortlichen bei einem Krisengespräch verabredet. Trotzdem wurde zum Teil dagegen verstoßen.
Schwere Vorwürfe: Ärztin und Politikerin fordert Aufklärung
Die Innenbehörde von Senator Andy Grote (SPD), die für die Feuerwehr zuständig ist, erklärte auf Abendblatt-Anfrage, ihr seien Verstöße oder Beschwerden nicht bekannt. Die Behörde hat einen Fachbeirat eingerichtet, der sie berät. Dort sitzt der Arzt Prof. Thoralf Kerner. Er hat auf eine Abendblatt-Anfrage nicht reagiert.
Die Ärztin und gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Gudrun Schittek, sagte dem Abendblatt: „Wenn es stimmt, dass Notfallpatientinnen und -patienten durch Rettungsdienste nicht nach medizinischen Standards in die für sie am besten geeigneten Kliniken eingeliefert wurden, sondern ökonomische oder andere Kriterien die Entscheidung beeinflusst haben, ist das scharf zu verurteilen und muss mit allen Konsequenzen aufgeklärt werden.“
- Mobbing bei Rettern – Rot-Grün lehnt Sonderausschuss ab
- Die Zeugen- Sechs Überlebende reden über die Schreckensnacht
- Notaufnahme- Nur jeder zweite Patient ist hier richtig
- Schwere Vorwürfe gegen Hamburger Gesundheitsbehörde
Bei den umstrittenen Einsätzen, um die es geht, handelt es sich mal um eine Schießerei am Elbe-Einkaufszentrum, mal um einen Obdachlosen, der leblos am Steindamm lag, mal um einen Mann, der die Rolltreppe an der U-Bahn Burgstraße herunterstürzte und sich lebensgefährlich verletzte. In allen Fällen wurde nicht das nächstgelegene Krankenhaus angefahren.
Rettungsdienst: Neues Gesetz sorgt für Ärger in der rot-grünen Koalition
Unterdessen lehnen die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft nach Abendblatt-Informationen den Entwurf eines neuen Hamburger Rettungsdienstgesetzes ab. Der Text wurde von der Grote-Behörde in den Sommerferien an einzelne Behörden und Institutionen geschickt. Er solle „durchgepeitscht“ werden, wie Innenpolitiker und Krankenhaus-Manager sagen.
Auch aus dem UKE kommt scharfe Kritik an dem Entwurf. Wegen der besonderen Situation im Hamburger Rettungsdienst müsse die Wissenschaftsbehörde von Katharina Fegebank (Grüne) unbedingt mitreden. In der Hamburger Rathaus-Koalition scheint neuer Knatsch programmiert.
Weitere Hintergründe und Fälle lesen Sie in der Freitagausgabe des Abendblatts sowie hier bei abendblatt.de