Hamburg. Chefsache – das hörte man: Alan Gilbert und das NDR Elbphilharmonie Orchester gratulierten im Bruckner-Jubiläumsjahr mit der 8. Sinfonie.

Könnte man in die Traditions-DNA des NDR Elbphilharmonie Orchesters hineinsehen, würde man garantiert irgendwo zentral und in unmissverständlichen Großbuchstaben lesen können: BRUCKNER? CHEFSACHE! Das war spätestens seit der Ära Günter Wand so, in der jedes seiner Laeiszhallen-Konzerte – erst recht in der nachfolgenden Verklärung – zum Transzendenz-Gottesdienst wurde.

Das bleibt auch in der Elbphilharmonie und ihrer offeneren Akustik so. Das hört man dann auch, wenn von Anfang an konzentrierter in die Tiefe gegangen wird und der Klang solider wird, aber nicht lähmend massiv einbetoniert. Den Dialog mit Bruckners Werkkatalog muss man sich nicht mit diesem Orchester nur erarbeiten, den muss man sich bei ihm – wie Respekt – auch verdienen.

Elbphilharmonie Hamburg: Alan Gilbert dirigierte Bruckners Achte Sinfonie im Großen Saal

Vor kurzem erst hatte der Gastdirigent Robin Ticciati sich mit der Siebten Sinfonie in einen Deutungs-Clinch begeben, der zwar interessant war, weil er vieles hinterfragte und nicht bloß ergebenst beweihräucherte, letztlich aber unentschieden ausging.

Jetzt, gleich in dreifacher Termin-Ausfertigung im Großen Saal, legte NDR-Chefdirigent Alan Gilbert mit der noch längeren Achten einen weiteren Glückwunsch zum 200. dieses oft so monumental unhandlichen Komponisten nach. Seine letzte vollendete Sinfonie, die Neun blieb Fragment. Eine Sinfonie, die furchterregend Zeit und Raum miteinander verschmelzen kann, wenn man vor den enormen Dimensionen der Verunsicherung, die Bruckner in Töne fasste, nicht in die Knie geht. 

Alan Gilberts Dirigat in der Elbphilharmonie: Statisch, aber auf eine gute Art

Gilberts Herangehensweise an diesen gefühlt nahezu unendlich vor sich hin mäandernden Viersätzer (er dirigierte die Zweitfassung mit dem düster versterbenden Ende des ersten Satzes): Statisch, aber auf eine gute Art. Seine unaufgeregte Körpersprache beim Vorschlagen von Einsätzen und beim Ausbalancieren der Strukturen signalisierte den Willen zur Geduld ins Tutti, eine angenehm dezente Ausdauer für Ruhe und Entwicklungsprozesse.

Wer beim epischen Grübeln Bruckners über Gott und die Welt – in dieser Reihenfolge wohl – vorschnell in Eile gerät, um mal eben Sensatiönchen-Punkte mit den dröhnend lauten Stellen zu machen, kann nur noch verlieren. Also ließ sich Gilbert Zeit. Auch weil ihm klar war, dass die Essenz dieser Musik nur in den Nuancen zu finden ist.

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Die ersten Motiv-Begutachtungen im Kopfsatz zogen sich bei Gilbert und zogen sich und zogen sich danach noch ein bisschen mehr. Was keine Schwäche war (und schon gar nicht langweilte), sondern offenkundig Absicht, Taktik, Strategie. Es „passiert“ in allen Sätzen dieser Sinfonie über weite Strecken sehr wenig, das muss man als Gestalter auf dem Leitstand aushalten und ausreizend moderieren können.

Ständig Themen-Anläufe, die wie morsche Fragezeichen auftauchen, weil sie es nicht mehr schaffen, regelrecht melodisch zu sein; ständig der vertonte Blick einer einsamen Seele namens Anton B. auf karge, leere Weiten.

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Bruckner in der Elbphilharmonie: Große Nachtmusiken des dritten Satzes breitete Gilbert behutsam aus

Die Gewissheit Gilberts, dass man mit dieser Herausforderung zu einem guten Ende kommen würde, übertrug sich ebenso flächendeckend wie konsequent ins Orchester. Die großen Nachtmusiken des dritten Satzes breitete Gilbert behutsam aus.

Überall, wo es verlangt war, wagnerte das Blech formschön; Paukist Stephan Cürlis war als Herzschrittmacher dieser Musik ein idealer Erfüllungs-Gehilfe Gilberts. Im Finale legte Gilbert die Themen aus den Vor-Episoden ordnungsgemäß prächtig übereinander, bis es tatsächlich vorbei war. Auf diesem Niveau hätte es gern noch die eine oder andere Stunde weitergehen dürfen.

Das Programm wird am 6.12. (20 Uhr) und 8.12. (18 Uhr) wiederholt. Evtl. Restkarten. Das Konzert am 6.12. ist als Livestream auf www.elbphilharmonie.de oder ndr.de abrufbar. Nächstes Bruckner-Konzert in der Elbphilharmonie: 5.4. Bamberger Sinfoniker, Jakub Hrůša. 4. Sinfonie.

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