Hamburg. Und doch trat Dirigent Tugan Sokhiev beim Konzert der Münchner Philharmoniker ein schweres Erbe an – was Orchester und Stück so verbindet.

Sie sind vielleicht DAS Bruckner-Orchester der Republik, die Münchner Philharmoniker (ohne andere exzellente Orchester beleidigen zu wollen). Dieses Etikett kommt aus der legendären Zeit mit dem langjährigen Chefdirigenten der Münchner: Sergiu Celibidache. Konzerte in der Kombination Bruckner-„Celi“-Münchner waren heiliger Kult, wer das einmal live erlebt hat, schwärmt vermutlich noch heute davon. Verglichen damit war der Elbphilharmonie-Bruckner-Auftritt mit der 8. Sinfonie beim zweiten Gastspielkonzert der Münchner Philharmoniker unter Tugan Sokhiev nüchtern. Aber nicht ohne Wärme und Spannung.

Immerhin 90 Minuten dauert die Achte, Bruckners letzte vollendete Sinfonie. Die wollen gestaltet sein, mit zwingenden Steigerungen innerhalb der Sätze, und über die eineinhalb Stunden – allein das Finale hat schon rund 30 Minuten! Wie erhaben, wie in einer anderen Welt fühlte man sich, als zum Beispiel Günter Wand mit dem NDR Sinfonieorchester (heute Elbphilharmonie Orchester) sich die größte dynamische Eruption und Intensität bis zum Schluss der langen Musik-Strecke aufbewahrt hat. Grandios! Genauso Sergiu Celibidache.

Elbphilharmonie: Bruckners Achte auf allerhöchstem Niveau

Wenn die Münchner Philharmoniker heute Bruckner spielen, stellen sich zwangläufig diese Vergleiche ein. Vielleicht fühlte man sich am Ende bei diesem ganz diesseitigen Gastspiel der Münchner unter Tugan Sokhiev nicht wie auf einem anderen Stern. Aber man erlebte ein erstklassig balanciertes Orchester, mit sattem, kraftvollem, homogenem Klang, immer durchsichtig gehalten, Linien, Strukturen glaskar. Soli der Orchesterinstrumente trug Tugan Sokhiev gewissermaßen wie auf Händen.

Zauber verbreitete die atemberaubend warm und rund intonierende Horngruppe, etwa im Trio des zweiten (Scherzo-) Satzes. Zart getupft die Streicherbässe dazu, die sich dann mit den Posaunen an anderer Stelle mächtig, bedrohlich und stark aufbäumen, aber niemals überziehen. Elegant wienerisch tänzelten Klarinetten im Dialog mit den Streichern. Schroff dazu immer wieder der Kontrast mit geisterhafter Groteske und schrillen Aufschreien.

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Der Dirigent gestaltete zwingend, sehr souverän. Er modellierte die Klänge mit den Händen und ohne Taktstock, manchmal vielleicht eine Spur zu viel. Aber immer unmissverständlich klar von der Körpersprache her und sehr frei, niemals nur mit den Augen in den Noten. Vielleicht war diese Gesamt-Spannungsdramaturgie nicht so brennend wie einst bei Celibidache oder Wand. Aber die Bruckner-Achte mit Tugan Sokhiev und den Münchner Philharmonikern hatte allerhöchstes Niveau.

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