Hamburg. Mit 74 erstmals solo: TV-Star Balders Show „Erzählt es bloß nicht weiter!“ zündet nur manchmal. Was er als „Busen-Hugo“ erlebte.
Draußen herrscht Weltuntergangswetter, der Regen peitscht gegen die Fassade der Markthalle. Im Foyer im ersten Stock deutet so gar nichts auf den hier auftretenden Künstler hin, weder ein Aufsteller noch ein Merchandising-Stand. Einzig der Banner „Hugo Egon Balder live“ im Hintergrund der Bühne kündet davon, wer hier was zu sagen hat.
„Sind Sie der Theaterarzt?“, fragt der Sitznachbar. Im Ernst? Für die Scherze ist eigentlich der Mann an der Rampe des Rockschuppens zuständig. 74 Jahre alt musste Hugo Egon Balder werden, um zum ersten Mal solo auf Tournee zu gehen. Mit weit ausgebreiteten Armen kommt er auf die Bühne. Hamburg ist als dritte Station ein Heimspiel für Balder, der Titel seines Programms, „Erzählt es bloß nicht weiter!“, bekommt bei einem nur gut zur Hälfte gefüllten Saal (und Kartenpreisen von 40 Euro) eine weitere ironische Note.
Markthalle: Hugo Egon Balder spottet in Hamburg über „Tatort“, Trump und Musk
Was bietet Balder? Radioreporter, Fernsehmoderator, Produzent, Musiker, Schauspieler und Kabarettist – der gebürtige (West-)Berliner hatte in seinem turbulenten Leben viele Berufe. Mitbetreiber der Musikkneipe Zwick am Millerntorplatz ist der Wahlhamburger seit mehr als einem Jahrzehnt auch. Alkohol und Zigaretten spielen in Balders Erzählungen in der Markthalle aber allenfalls am Rande mit. „Nach 62 Jahren habe ich aufgehört zu rauchen“, berichtet er und fragt kokett: „Was mache ich jetzt nur in der Pause?“
Bis diese nach knapp einer Stunde kommt, garniert der Entertainer seine Anekdoten mit Limericks und Liedchen am E-Piano, „Oh, das ist ja schön“ etwa. Während manche Sänger ihre erste, zweite und dritte Abschiedstournee absolvieren, um dann eine und noch eine Comeback-Tour zu unternehmen und „Hello again“ zu sagen, macht Balder jetzt seine erste.
Das Fernsehen nimmt bei ihm, eine Art Urvater des Privatfernsehens, berechtigterweise viel Raum ein. Angefangen Ende der 1980er-Jahre mit dem anarchischen „Alles Nichts Oder?!“ (mit der schrill-lauten Hella von Sinnen), gefolgt von der Moderation der Nackedei-Spielshow „Tutti Frutti“. Zuvor hatte Balder mit Harald Schmidt zum Kabarett-Ensemble des renommierten Düsseldorfer Kom(m)ödchens gehört. Derlei Satire wollte er eigentlich dem RTL-Programmdirektor Helmut Thoma schmackhaft machen: „Ich ging mit Kabarett rein und kam mit nackten Brüsten wieder raus“, bilanziert Balder. Als sogenannter „Busen-Hugo“ und „Herr der Möpse“ war er als Präsentator von Satire erst mal unten durch; als Produzent der wegweisenden Comedy-Show „RTL Samstag Nacht“ gewann er hingegen 1994 gleich vier Fernsehpreise.
Hugo Egon Balder erfindet für sich den „Tatort Sachsenburg“
Später hat Balder mehrere Deutsche Comedypreise für die von ihm mitkonzipierte und moderierte Impro-Quizsendung „Genial daneben“ (Sat1.) erhalten; bei ZDF und ARD, darunter in der Arzt-Serie „In aller Freundschaft“ und im „Tatort“, bekam er nur Gastrollen. Weil der Krimireihe ob der Häufigkeit der regionalisierten Folgen inzwischen die Städte ausgegangen seien, spottet Balder, habe er „Sachsenburg“ kreiert, in der er selbst mitspielen wolle. „Ich suche den Mörder meiner Frau“, sagt er darin. „Oh Gott!“, entgegnet ein anderer. „Nee, ich suche ja noch einen“, lautet seine Replik.
Allemal eine bessere Pointe als jene im Kapitel übers Theater: Der ausgebildete Schauspieler gehörte in den 1970ern lange zum Ensemble des Berliner Schillertheaters: „Rollenwechsel“ nun in Verbindung mit Klopapier zu setzen – na ja. Amüsanter sind die Episoden aus seinem Privatleben mit bisher fünf Ehen und zwei erwachsenen Kindern in Köln. Einige Erfahrungen flossen auch ins Stück „Komplexe Väter“ ein, mit dem Balder an der Seite Jochen Busses zwischen 2018 und 2021 mehrmals an der Komödie Winterhuder Fährhaus abräumte.
Balder in der Markthalle: Wie aus Egon Hugo fast der Milliardär Elon Musk wird
Womit sich Balder jetzt in der Pause die Zeit vertreibt, bleibt verborgen. Mit Produzenten-Kompagnon Jacky Dreksler, Susi und Uli Salm vom Zwick sowie Konzertveranstalter-Senior Hans-Werner Funke tummeln sich gute Freunde und alte Bekannte im Markthallen-Foyer, obschon das nicht ganz so zahlreiche Publikum alterstechnisch recht gemischt ist. Für die Jüngeren erklärt Balder im zweiten Teil noch einiges, geht weit zurück in die Zeiten bei „Radio Luxemburg“ mit Frank Elstner. Und erzählt, wie er bei der Polydor in Hamburg die Platte „Elvira, hol dein Strumpfband ab“ aufnahm und der Manager ihm eine Namensänderung nahelegte. Aber nicht etwa, wie von Balder erwartet, zu einem Pseudonym wie „Silvio Bombasti“, sondern von Egon Hugo (so sein eigentlicher Vorname) zu Hugo Egon.
Immerhin: In einer zunächst abstrus anmutenden Kausalkette stellt Balder eine verwandtschaftliche Verbindung her zum damaligen US-Vizepräsidenten George H. W. Bush (1981-1989 unter Reagan) und behauptet, dass er bei Beibehaltung seines ersten Vornamens Egon dessen unehelicher US-Sohn namens Elon hätte werden können... Die Assoziation zu Milliardär Elon Musk, der dem alten und neuen Präsidenten Trump in den Allerwertesten krieche, erzeugt Lacher und Beifall.
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An diesen Stellen kommt der alte Kabarettist in Balder durch. Ebenso wenn er sich im Kapitel Sport an Fußballduelle seiner Berliner Künstler- und Kneipenmannschaft mit dem „FC Schmiere“ (die Münchner Lach- und Schießgesellschaft) erinnert, mit ihm als rauchendem Torwart. „Oh, meine Hüfte!“, scherzt der 74-Jährige spontan, als sein Mikroport laut knackt.
Doch ein Arzt muss in den knapp zwei Stunden nicht eingreifen. Mithilfe des summenden Publikums bringt Balder den Abend bei einer musikalischen Reminiszenz an seine erste Liebe aus Bad Pyrmont („Sie war 16 und ich 1,30 Meter“) mit Anstand zu Ende. Auch wenn bei seiner autobiografisch geprägten Comedy noch Luft nach oben und im Saal noch Platz geblieben ist.
Hugo Egon Balder: „Erzählt es bloß nicht weiter“ weitere Termine 2025 (Infos und Karten gibt es hier)
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