Hamburg. So fanatisch wie die Klimaschutz-Aktivistin Zenaida ist Greta Thunberg nie gewesen. Aber wer oder was steckt hinter ihr?
- Axel Milberg in einem seiner letzten „Tatort“-Fälle.
- Als Kommissar Borowksi betreibt er nebenher Suizid-Prävention.
- Seine Gegenspielerin ist eine KI.
Bei Greta Thunberg fand man ja, ihren Umweltschutz-Fight betreffend, die Unbedingtheit und auch die schlechte Laune wichtig und richtig. Mittlerweile nervt ihr Aktivismus auf anderen Feldern. Davon abgesehen: So teuflisch und verboten, so fanatisch wie die Klimakämpferin Zenaida (Milena Tscharntke) ist Power-Greta nicht mal im Ansatz je gewesen. Zenaida ist in der neuen Folge des Kieler „Tatorts“ eine Weltschmerz-Einheizerin, die mit melancholischer Lyrik und knallharten Ansagen für die Weltrettung kämpft.
Dabei ist die hübsche Frau, die mit ihren Followern online kommuniziert, so überzeugend, dass es auch zu Liebesverwicklungen zu kommen scheint. Die Aktivisten protestieren gegen scheinheilige Immobilienprojekte, und dann liegen plötzlich die Leichen dreier junger Frauen am Strand. Die Kommissare Borowski (Axel Milberg, in seinem vorletzten Fall) und Sahin (Almila Bagriacik) ermitteln. Und finden bald heraus, was der Betrachter schon sehr früh ahnte: Zenaida ist eine KI.
Axel Milbergs Kommissar Borowski trifft im Kieler „Tatort“ auf teuflische Gegenspielerin
Eine Künstliche Intelligenz, die die Logik des Klimakampfs auf die Spitze treibt und die idealistischen Teenager zu radikalen Aktionen zu verführen imstande sein könnte. „Bin ich weg, gibt‘s eine CO₂-Schleuder weniger“, erläutert Leonie (Johanna Götting) dem freundlichen älteren Herrn, der sich mit Erfolg an die Aktivistentruppe herangewanzt hat. Der freundliche Herr ist Kriminalkommissar und von ehrlicher Sorge um die jungen Leute getrieben. Borowski undercover, da ist Druck dahinter: Es sollen bloß nicht noch mehr Mädchen Ophelia-mäßig den Wassertod suchen.
Um Vertrauen zu gewinnen, geht Borowski den Boomer-Weg: Er versorgt die Demonstranten mit belegten Brötchen. Käse geht gut, Salami nicht so. „Borowski und das ewige Meer“ (Drehbuch Katharina Adler/Rudi Gaul, Regie: Katharina Bischof) hat ein paar komische Momente. Und ist darüber hinaus so überladen, wie es die Krimis im Ersten halt gerne mal sind. Ein klassischer „Wer war‘s“-Plot will das hier gar nicht sein, und deshalb ist auch schnell geklärt, wer die KI programmiert hat. Ist das alles unfreiwillig komisch? Sicher nicht. KI ist nicht komisch, Treibhauseffekt ist nicht komisch, aber beides zu einem Primetime-Krimi zusammenzurühren dann eben doch: mindestens mutig.
„Tatort“ mit Axel Milberg aus Kiel: „Unter 30 hast du einfach ‘nen besseren Algorithmus“
Borowskis kriminalistisches Interesse an der KI („Der perfekte Mörder, mordet, ohne zu morden“) ist lediglich zweitrangig. Er will ganz konkret im Hier und Jetzt Leben retten. Am Ende muss er sich als Repräsentant einer schuldig gewordenen Generation von der unbarmherzigen Zenaida auslachen lassen, während er tollkühn versucht, sie an ihren eigenen Widersprüchen implodieren zu lassen. Ja, besonders als Nicht-mehr-Junger („Unter 30 hast du einfach ‘nen besseren Algorithmus“) soll man sich von der dystopischen Botschaft dieses „Tatorts“ unbedingt auch schocken lassen.
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Das klappt. Ein bisschen. Aber am meisten beschäftigt einen im Nachgang dieses Kieler Krimis die Frage, ob etablierte Schauspielerinnen und Schauspieler wie Milberg und Bagriacik schon bei Drehbeginn eigentlich keinen Bock mehr haben, weil sie im Drehbuch gelesen haben, dass sie am Set (es geht um eine von der Staatsgewalt robust aufgelöste Protestaktion) leblose Dialoge wie diese aufsagen müssen: „Gehen wir zu weit?“ – „Die gehen zu weit, wir versuchen, sie zu schützen“ – „Vor wem, vor sich selbst?“ – „Ja, natürlich, vielleicht, vor sich selbst“ – „Fürs Erste haben wir Schlimmeres verhindert“ – „Oder Schlimmeres provoziert“.
„Tatort: Borowski und das ewige Meer“ 10.11., 20.15 Uhr, ARD
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