Hamburg. Dirigent Ingo Metzmacher sorgte mit Arnold Schönbergs Oratorium „Die Jakobsleiter“ für orchestrales Wüten im Großen Saal.

  • Arnold Schönbergs Oratorium „Die Jakobsleiter“ ist ein gigantisches Werk
  • Mit Ingo Metzmacher stand ein Experte für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts am Pult
  • Sein Dirigat bei Bruckners d-Moll-Messe enttäuschte hingegen

Ganz oben, über allem orchestralen Wüten, über dem Gewehrfeuer des Schlagzeugs, brodelnden Streichern und schneidenden Blech-Dissonanzen, schießt auch noch das Piccolo einen Blitz gen Himmel. Arnold Schönbergs Oratorium „Die Jakobsleiter“ ist los in der Elbphilharmonie, mit einer wahren Phalanx an Solostimmen, Höhen- und Fernorchestern, sowieso mit Chor und riesig besetztem Orchester, geht es vielleicht noch ein bisschen größer? Am Pult des NDR Elbphilharmonie Orchesters steht Ingo Metzmacher, in Hamburg noch bekannt aus seiner Zeit als Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters.

Ingo Metzmacher: Grandiose Überforderung in der Elbphilharmonie

Die Aufführung ist ein hübsches Geschenk zu Schönbergs 150. Geburtstag. Und Lokalbezug hat das Geschenk auch noch, ein Teil des nie fertiggestellten Werks ist nämlich 1958 in Hamburg uraufgeführt worden. Die titelgebende Leiter diente dem Komponisten als Metapher; ihre Stufen zu erklimmen, ist eine Prüfung für die Menschen: für die Unzufriedenen, die Zweifelnden, die Jubelnden, die Gleichgültigen. Nicht zu vergessen die Sanftmütigen, deren „Ja, ja“ er einen bitterböse harmlosen Walzerschwung unterlegt.

Begonnen hatte Schönberg sein monumentales Unterfangen im Ersten Weltkrieg. Das hört man. Überall marschiert es, der Bariton Michael Nagy als Erzengel Gabriel schnarrt die Worte „weiter“, „rechts“, „links“ in den Raum, exzellent textverständlich wie alle Solistinnen und Solisten.

Bei Bruckners d-Moll-Messe war Metzmachers Dirigat uninspiriert

Eine grandiose Überforderung, das Stück. Drunter hätte Schönberg es auch nicht gemacht. Metzmacher, der Mann für die Musik des 20. (und natürlich auch des 21.) Jahrhunderts, setzt das Publikum förmlich unter Strom mit dieser expressionistischen, horrend anspruchsvoll aufzuführenden Musik.

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War sonst noch was? Über die erste Hälfte des Abends mit der d-Moll-Messe von Bruckner breiten wir lieber den Mantel des Vergessens. Gijs Leenaars hatte den Bruckner mit dem MDR-Rundfunkchor zwar genauso gut einstudiert wie den Schönberg, aber das konnte Metzmachers uninspiriertes und ungenaues Dirigat nicht wettmachen. Bruckner ist halt nicht 20. Jahrhundert. Schade drum.

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