Hamburg. Star-Regisseur ist zurück am Thalia Theater. Und hat zu Joachim Lux‘ Abschied seine Antiken-Überschreibung „Orestie I-IV“ mitgebracht.
„Schön, dass wir wieder hier sind, nach fast zehn Jahren“, freut sich Nicolas Stemann. Zu Beginn von Joachim Lux’ Intendanz zählte er zu den prägenden Regisseuren am Thalia Theater, mit radikalen, postdramatisch unterfütterten Klassiker-Inszenierungen, dann ging er als Hausregisseur an die Münchner Kammerspiele, von dort als Intendant nach Zürich. Jetzt ist er zurück in Hamburg, zu Lux’ Abschiedsspielzeit, die noch einmal die wichtigsten künstlerischen Stimmen der vergangenen 15 Jahre versammelt.
Und weil die Stimmung ohnehin nostalgisch ist, bringt er noch Sebastian Rudolph und Patrycia Ziólkowska mit, die ebenfalls einst auf der Thalia-Bühne standen. Rudolph und Ziólkowska spielen, mit den Thalia-Ensemblemitgliedern Barbara Nüsse und Sebastian Zimmler und der aus München ausgeliehenen Julia Riedler, „Orestie I-IV“, eine der aktuell sehr beliebten Antiken-Überschreibungen, die als Thalia-Koproduktion im August bei den Salzburger Festspielen Premiere hatte und nun ins Hamburger Repertoire gewandert ist.
Thalia Theater Hamburg: Nicolas Stemanns Comeback – ein harter Ritt
Stemann also wendet sich zu Beginn ans Publikum, eigentlich um zu sagen, dass Zimmlers Augenklappe keine künstlerische Setzung von Kostümbildnerin Sophie Rebie sei, sondern dem Umstand geschuldet, dass der Schauspieler eine Augenentzündung habe. Doch wie nebenbei schafft der Regisseur so ein Vertrauensverhältnis: Was folgt, in gut dreieinhalb Stunden, wird ein harter Ritt, Krieg, Mord, Erfindung der Demokratie, angereichert mit aktuellen Bezügen, Musik, bildender Kunst, aber, hey, ist nicht so schlimm, das stehen wir gemeinsam durch! „Schön, dass wir wieder hier sind.“
Ist dann auch wirklich nicht schlimm. Weil Stemanns Theater einen an der Hand nimmt: Die Dramen von Aischylos, Sophokles und Euripides wollen verdaut werden, aber ständig flicht die Inszenierung Diskussionsbeiträge ein, die klarstellen, weshalb jetzt genau was auf der Bühne passiert, es ist eigentlich unmöglich, den Faden zu verlieren. Wenn zum Beispiel das Wiedersehen zwischen Agamemnon (Rudolph) und Klytaimnestra (Ziólkowska) realistisch gespielt wird, dann ist das nicht zwangsläufig, sondern die bewusste Entscheidung, in ebendiesem Moment ein bestimmtes Theatermittel einzusetzen. Und deswegen wird davor und danach auch darüber gesprochen, weswegen dieses Mittel jetzt genau richtig ist.
Nach der Pause verliert Stemanns Inszenierung ein wenig Raffinesse
„Orestie I-IV“ hat deshalb etwas von einer öffentlichen Probe, in der erst mal ausprobiert wird, was passt. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen: Hier wird nicht geprobt, das ist alles ganz genau austariert, was sich schon in der optischen Qualität des Abends zeigt. Und Katrin Nottrodts Bühnenbild tut zwar so, als ob es überhaupt kein Bühnenbild sei, aber in Wahrheit ist das, was aussieht wie eine nackte Bühne, sehr wohl eine Kulisse. Raffiniert.
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Nach der Pause verliert die Inszenierung ein wenig diese Raffinesse und verliert sich im nur halb spannenden Mitmachtheater. Aber egal – eine Ahnung des experimentellen Muts der frühen Lux-Jahre gibt der Abend durchaus. Schön, dass Stemann wieder da ist, wenn auch nur kurz: 2027 wird der dann 59-Jährige Intendant in Bochum.
„Orestie I-IV „wieder am Do 31.10., 18.30 Uhr, 3.11., 17 Uhr, 23.11., 16 Uhr, 24.11., 17 Uhr, Thalia Theater, Alstertor, Karten unter T. 040/32 81 44 44; www.thalia-theater.de
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