Hamburg. Rachel Eliza Griffiths stellte auf St. Pauli „Was ihr uns versprochen habt“ vor. Es geht um afroamerikanische Identität. Und Hoffnung.
Man kann einen Roman, man kann eine Veranstaltung, die einem Roman gewidmet ist, ungeschönt und konsequent auf ein Thema, eine Message bringen. Im Falle von Rachel Eliza Griffiths und ihrem Buch „Promise“ ist dieses Thema der alltägliche und strukturelle Rassismus in den USA. Von ihm handelt „Was ihr uns versprochen habt“, wie der Roman in der nun erschienenen deutschen Übersetzung heißt.
Genau das führt zu einer zweiten Ebene dieses im Rahmen des neuen Festivals Elb.lit stattfindenden Literaturabends im Nochtspeicher: Es war dies gewissermaßen die abermalige, nun (teilweise) auch auf Deutsch stattfindende Neugeburt einer Künstlerin als Romanautorin. Griffiths lauschte der Schauspielerin Jane Chirwa sichtlich bewegt, als diese aus „Was ihr uns versprochen habt“ vortrug. Der Roman, der zu einem großen Teil im Jahr 1957 spielt und von einer schwarzen Familie in einem fast ausschließlich weißen kleinen Ostküstenort handelt, ist Griffiths‘ Prosa-Debüt.
Rachel Eliza Griffiths in Hamburg: Die Schriftstellerin ist mit Salman Rushdie verheiratet
Und augenscheinlich ein Meilenstein für die in New York City lebende, 1978 geborene Rachel Eliza Griffiths. Es wird wohl mehr daran liegen, dass sie sieben Jahre an dem Werk arbeitete. Und dass es um ein Thema geht, das sie als Afroamerikanerin seit ihrer Geburt betrifft: qua ihrer Hautfarbe Ausgrenzung, Diskriminierung und möglicherweise Gewalt ausgesetzt zu sein. Das Angerührtsein von der eigenen künstlerischen Entwicklung könnte aber auch damit zu tun haben, dass Griffiths seit drei Jahren mit Literatur-Gigant Salman Rushdie verheiratet ist.
Weil NDR-Journalistin und Moderatorin Julia Westlake, die sensibel durch den Abend führte, selbstredend das einzig Richtige tat und Griffiths erst ganz spät auf den VIP-Kollegen an ihrer Seite ansprach, nahm das Thema Rushdie lediglich kleinen Raum ein. Der Autor von „Victory City“, das ist in einer Schriftsteller-Ehe sicher von Vorteil, findet ihren Roman gut. Griffiths erzählte vom Albtraum, den der Beinah-Tod ihres Mannes nach dem Attentat vor zwei Jahren darstellte, präsentierte den Zuhörerinnen und Zuhörern im Nochtspeicher aber auch ihren unbedingten Willen zum optimistischen Blick auf die Dinge: „Salman Rushdie ist am Leben, er schreibt und liebt mich – das ist eine großartige Geschichte.“
Neues Buch „Was ihr uns versprochen habt“: Lynchmord in einem rassistischen Land
Griffiths („Mein Roman erzählt eine universelle Geschichte von Menschen, die ein Recht darauf haben, dass das Leben Versprechen einlöst“) legt mit „Was ihr uns versprochen habt“ nicht nur einen ergreifenden Coming-of-Age-Roman, sondern auch ein ungeheuer hartes Buch über das bis ins Mark rassistische Amerika der 1950er-Jahre vor. Einmal reist die Autorin in dem Roman ein weiteres halbes Jahrhundert zurück und schildert einen Lynchmord im Jahr 1902.
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Weil Bedrohung für Leib und Leben für People of Colour, für schwarze Amerikaner immer noch existiert, war der Grundton des Gesprächs auf der Bühne gesetzt. Ihrer kleinen Nichte und ihrem kleinen Neffen sagen zu müssen, wie sie sich später mal in bestimmten Situationen, zum Beispiel bei einer Verkehrskontrolle, verhalten müssten, um nicht in Gefahr zu geraten – das sagt für Griffiths alles. Und ist dann tatsächlich das Amerika der Gegenwart, das sich von dem der Vergangenheit kaum unterscheidet.
Was diese Gegenwart angeht, behauptete Moderatorin Westlake durchaus zu Recht, dass Rachel Eliza Griffiths so etwas wie das Buch der Stunde geschrieben hat. Es handelt schließlich von schwarzer Weiblichkeit, also nicht nur von seiner Autorin selbst, sondern auch von der derzeit bekanntesten und wichtigsten schwarzen Frau der Welt. Derjenigen nämlich, die angetreten ist, um Donald Trump zu verhindern: von Kamala Harris also. „Mein Buch handelt auf gewisse Weise auch von ihr“, erklärte Griffiths, „und allgemein davon, was sich ändern muss für Schwarze.“
An den Lesestellen wurde deutlich, wie unterhaltsam, bei aller Tiefe des Themas, Griffiths‘ Prosa herunterspult. „Was ihr uns versprochen habt“ ist eine intensive Erzählung, und wie viel die Autorin grundsätzlich zu sagen hat, offenbarte sich auf der Bühne in ihren mitunter mäandernden Antworten, die Westlake bündig übersetzte. Was vielleicht symptomatisch für das Thema Rassismus und die mit ihm verbundene Aufgabe ist, seine Stimme zu erheben: Es kann bedauerlicherweise nie genug dazu gesagt werden.