Hamburg. Umstrittener Comedian wollte im Januar auftreten. Show „Die Deutschen“ im November soll stattfinden. Antisemitismusbeauftragter übt Kritik.
- Die Comedians Luke Mockridge, Nizar Akremi und Shayan Garcia stehen seit Tagen in der Kritik
- Sie hatten sich in einem Podcast über Menschen mit Behinderung lustig gemacht
- Immer mehr Showtermine der Beteiligten werden abgesagt.
Nach dem Skandal um geschmacklose Witze über Menschen mit Behinderung werden die Beteiligten, die Comedians und Podcaster Luke Mockridge, Nizar Akremi und Shayan Garcia nicht nur von einer Welle der öffentlichen Empörung erfasst, sondern auch mit einer Absagenflut von Veranstaltungen. Zahlreiche Termine von Luke Mockridges „Funny Times“-Tour und von Nizar Akremis Solo-Programm „On Fire“ wurden von Theatern, Bühnen und Veranstaltern aus dem Programm genommen, darunter auch Akremis Auftritt in Hamburg am 10. Januar in der Friedrich-Ebert-Halle (Heimfeld). Der Live-Podcast „Nizar & Shayan – Die Deutschen“ am 22. November in der Barclays Arena ist aber weiterhin im Vorverkauf.
Mockridge hatte sich vor wenigen Tagen im Podcast „Die Deutschen“ zusammen mit den Gastgebern Akremi und Garcia abfällig über die Teilnehmenden bei den Paralympischen Spielen in Paris geäußert: „Es gibt Menschen ohne Beine und Arme, die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen“, sagte Mockridge unter anderem.
Mockridge-Eklat: Gegenüber Nizar Akremi wurden 2022 Antisemitismus-Vorwürfe laut
Auch die sich über die Sprüche amüsierenden Nizar Akremi und Shayan Garcia sind erneut in die Kritik geraten. Der 1984 in Bonn geborene Nizar Akremi zählte bis Pandemiebeginn noch zu den großen Talenten unter den Stand-up-Comedians, nach seinem Karrierestart 2015 mit verschiedenen Social-Media-Formaten und ersten TV-Auftritten 2018 wurde er ein Jahr später als „Bester Newcomer“ für den Deutschen Comedypreis nominiert. Im selben Jahr entwickelte er mit Shayan Garcia den Podcast „Die Deutschen“ mit derzeit 196.000 Abonnierenden auf YouTube. Aus der Sicht zweier Deutscher mit Migrationsgeschichte in der Familie nehmen sie in zwei Episoden pro Woche Anlässe aus Alltag, Politik und Gesellschaft aufs Korn, dabei bewusst auch auf sich selber zielend.
Bereits 2022 wurde Akremi allerdings Antisemitismus vorgeworfen, als er im YouTube-Special „Shitstorm“ mit mehrfacher Relativierung, dass alles nur „Spaß“ sei, Juden als Goldmünzen fangende Kaufleute mit Hakennasen bezeichnete: „Wir hatten Spaß. Und irgendwann kamen seine Familienangehörigen rein. Ohne Witz. Immer mehr Juden, einer nach dem anderen kam rein und ich so: Krass, sind noch voll viele von denen übrig.“ Obwohl Akremi erklärte, mit der Verwendung von Stereotypen und dem Kern des Specials gegen Antisemitismus aufrufen zu wollen, stellten mehrere Veranstalter und TV-Sender die Zusammenarbeit ein.
Antisemitismusbeauftragter fordert Showabsage in Hamburg
Nach den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem israelischen Einmarsch in den Gazastreifen häuften sich Aussagen von Akremi in den Sozialen Netzwerken, die der Hamburger Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel jetzt erneut aufgreift und scharf kritisiert. Akremi verbeite „auf der Plattform X antisemitische Hetze in Form von Dämonisierungen und Propaganda gegen Jüdinnen und Juden sowie den Staat Israel. Offener Hass gegen Jüdinnen und Juden sowie den Staat Israel ist eben nicht von der Kunstfreiheit gedeckt. Diese findet ihre Grenzen dort, wo Hassrede gegen Minderheiten offen zutage tritt“, sagte Hensel zur Deutschen Presse-Agentur.
Hensel sprach sich auch für eine Absage der für den 22. November geplanten Live-Podcast-Show „Nizar & Shayan – Die Deutschen“ in der Hamburger Barclays Arena aus. „Die Barclays Arena verurteilt jede Form des Antisemitismus“, hatte ein Sprecher der Arena, die von der Anschutz Entertainment Group betrieben wird, schon vorher auf Abendblatt-Anfrage mitgeteilt. Er stellte aber auch klar: „Die Arena kann von Veranstalterinnen und Veranstaltern und Unternehmen gemietet werden und ist nur in Ausnahmefällen Veranstalterin.“ Im Fall der „Die Deutschen“-Show ist die Arena an die Veranstaltungsagentur S-Promotion Event vermietet.
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Luke Mockridge: TV-Comeback wurde aus dem Programm genommen
„Grundsätzlich hat sich die Arena immer bemüht, Kunstschaffenden eine offene Plattform und ein Umfeld zu bieten, in dem sie ihre Ansichten unzensiert und unvoreingenommen äußern können. Diese Ansichten sind dabei ausschließlich deren eigene und repräsentieren nicht die Ansichten der Arena bzw. der Betreiberin“, heißt es weiter von der Barclays Arena. „Im konkreten Fall sind uns die Äußerungen und die damit verbundene Berichterstattung bekannt. Aber im Einklang mit unserem oben beschrieben Prinzip, planen wir unsere vertraglichen Verpflichtungen mit der Veranstalterin, die unsere Arena gebucht hat, zu erfüllen“.
Ob diese Planungen noch weiter Bestand haben werden, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Luke Mockridge hat sich via Instagram von seinen Aussagen distanziert: „Selbstverständlich war es nie meine Absicht, Menschen mit Behinderung ins Lächerliche zu ziehen, besonders während dieser großartigen Paralympischen Spiele“. Er habe die Jokes gemeinsam mit einem paralympischen Sportler und Comedian erarbeitet, „um darauf aufmerksam zu machen, dass Mitleid oft die schlimmste Form der Ausgrenzung ist.“ Dennoch wurde sein TV-Comeback mit der Sat.1-Sendung „Was ist in der Box?“ am 12. September gestrichen, des Weiteren bislang acht Termine seiner „Funny Times“-Tour durch Deutschland.
Nizar Akremi: Bereits die Hälfte der Solo-Tournee wurde abgesagt
Nizar Akremi und sein Podcast-Partner Shayan Garcia hingegen betonten auf ihrem YouTube-Kanal in einem zwölf Minuten langen Beitrag plakativ und polemisch, dass sie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen nicht verletzen wollten, sich von Hass, Rassismus, Antisemitismus und Transphobie distanzieren, sich aber auch „der Cancel Culture nicht beugen“ werden. Luke Mockridge habe alles verloren und sie würden gegen jeden vorgehen, der Rufmord und Hetze betrieben habe. „Wegen einem Witz so ein Fass aufzumachen“, empörte sich Akremi.
Der Tourplan von Nizar Akremis Solo-Programm „On Fire“ schrumpft derweil täglich weiter zusammen. Neben seinem Auftritt am 10. Januar in der Hamburger Friedrich-Ebert-Halle wurden bislang 25 weitere von insgesamt 53 Terminen abgesagt.