Dresden. „Treffliche Kunstschätze“ und „schöne Natur“: Was den berühmten Maler in Sachsen inspirierte, ist auch Grund für einen Trip dorthin.

  •  Die Ausstellung im Albertinum in Dresden bildet den Höhepunkt der Jubiläumsausstellungen anlässlich Friedrichs 250. Geburtstags. 
  • Neben 47 Gemälden Friedrichs, darunter Hauptwerke und bedeutende Leihgaben, wird auch der Einfluss der Dresdner Kunstsammlungen und der umliegenden Landschaft auf seine Arbeit thematisiert.
  • Im Kupferstichkabinett werden zudem Friedrichs detaillierte Landschaftsskizzen gezeigt.

Nein, natürlich hat nicht alles in Dresden begonnen, auch wenn das der Titel der Ausstellung suggeriert, mit der die sächsische Landeshauptstadt jetzt Caspar David Friedrich anlässlich seines runden Geburtstags feiert. Geboren wurde er am 5. September 1774 nicht in Dresden, sondern in Greifswald, wo ihn das Vorpommersche Landesmuseum jetzt natürlich auch mit einer Ausstellung und die Stadtgesellschaft mit einer Fülle von Aktionen ordentlich hochleben lässt. In Greifswald hat Caspar David Friedrich bei dem Architekten Johann Gottfried Quistorp Zeichenunterricht erhalten, bevor er 1794 zum Studium an die Königlich Dänische Kunstakademie nach Kopenhagen ging. Doch vier Jahre später kam er dann schon nach Dresden, um für immer zu bleiben.

Caspar David Friedrichs berühmter „Wanderer über dem Nebelmeer“ ist aus der Hamburger Kunsthalle nach Dresden ausgeliehen.
Caspar David Friedrichs berühmter „Wanderer über dem Nebelmeer“ ist aus der Hamburger Kunsthalle nach Dresden ausgeliehen. © Oliver Killig/SKD | Oliver Killig/SKD

Auf die Frage, warum er sich ausgerechnet für die sächsische Residenz entschied, hat Friedrich selbst zwei Gründe genannt: die „trefflichen Kunstschätze“ und die „schöne Natur“. Viele seiner Kollegen zog es damals nach Italien, für den Norddeutschen war Dresden schon südlich genug. Statt in die Albaner Berge wanderte er in die nahe gelegene Sächsische Schweiz, ins böhmische Riesengebirge, in den Harz und immer wieder in die pommersche Heimat. Und um italienische (und niederländische) Kunst erster Güte zu sehen, brauchte Friedrich von seiner Wohnung am Altstädter Elbufer nur gut fünf Minuten Fußweg, um die damals noch im Johanneum (dem heutigen Verkehrsmuseum) untergebrachte Gemäldegalerie zu besuchen.   

Caspar David Friedrich: Lohnt nach der Hamburger Schau die Reise nach Dresden?

Der Einfluss von Landschaft und Kunst auf das Werk von Caspar David Friedrich bildet den Ausgangspunkt der jetzigen Dresdner Schau, die nach der Hamburger Kunsthalle (auf „Kunst für eine neue Zeit“ gab es einen enormen Besucheransturm, der zum Teil „an der Grenze des Vertetbaren“ war) und der Alten Nationalgalerie Berlin („Unendliche Landschaften“) die Trilogie der großen Jubiläumsausstellungen pünktlich zum 250. Geburtstag vollendet.

Während der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle (hier zu sehen: die „Kreidefelsen auf Rügen“) hatte es Kritik an überfüllten Räumen und langen Wartezeiten gegeben.
Während der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle (hier zu sehen: die „Kreidefelsen auf Rügen“) hatte es Kritik an überfüllten Räumen und langen Wartezeiten gegeben. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Und auch wenn nicht alles in Dresden begann, so steht doch fest, dass Friedrich erst hier zum Maler wurde. Mehr noch: Alle seine Bilder, ob sie heute Museen in Hamburg, Berlin, St. Petersburg, Kopenhagen, Winterthur oder Washington gehören, sind ausnahmslos in Dresden entstanden. In jenem überaus kargen und halb verdunkelten Atelier in seinem Wohnhaus an der Elbe, das wir von dem Gemälde seines Künstlerfreundes Georg Friedrich Kersting aus der Hamburger Kunsthalle kennen.

Caspar David Friedrich ließ sich von „trefflichen Kunstschätzen“ und „schöner Natur“ inspirieren

Wer die Ausstellung im Albertinum betritt, wird zunächst mit einem enormen Kontrast konfrontiert: Auf einer schier endlosen Wand sind linkerhand in Petersburger Hängung 121 Werke jener Malerkollegen zu sehen, denen Friedrich in seiner Wahlheimat damals in den jährlichen Ausstellungen der Akademie begegnet ist: akademische Historienmaler antiker oder biblischer Motive, klassizistische Porträtisten, Nazarener. Welch ein Gegensatz zu den Friedrich-Bildern, die, auf der gegenüberliegenden Seite in fünf Kabinetten wunderbar luftig gehängt, auf nahezu schwarzem Untergrund ihrer stille, aber unglaublich intensive Leuchtkraft entfalten können.

Wer zur Friedrich-Ausstellung nach Dresden reist, sollte sich eine echte Wanderung in die Sächsische Schweiz nicht entgehen lassen.
Wer zur Friedrich-Ausstellung nach Dresden reist, sollte sich eine echte Wanderung in die Sächsische Schweiz nicht entgehen lassen. © Getty Images | Rolphus

Ausstellungskurator Holger Birkholz hat mit seiner Bildauswahl zentrale Themen im Wirken des Malers wie Natur, Politik und Religion aufgezeigt, aber auch formalen Aspekten nachgespürt. Anhand konkreter Beispiele zeigt er auf, wie die Bilder, die Friedrich nachweislich in der Gemäldegalerie gesehen hat, seine eigenen Motive beeinflusst haben. So findet man die bei ihm so häufige Rückenfigur schon bei „Dame im weißen Atlaskleid vor dem Bett mit roten Vorhängen“ des Niederländers Gerard ter Borch (1617–1681), die in der Ausstellung direkt neben Friedrichs „Frau am Fenster“ von 1822 zu sehen ist. Auch weitere Gegenüberstellungen mit insgesamt 19 Landschaftsbildern von Alten Meistern wie Jacob von Ruisdael, Salvator Rosa und Claude Lorrain zeigen erstmals, wie Friedrich durch Werke der Gemäldegalerie zu eigenen Bildideen gefunden hat.

Caspar David Friedrich in Dresden: Im Albertinum sind 47 Friedrich-Gemälde zu sehen

Insgesamt sind im Albertinum 47 Friedrich-Gemälde zu sehen, darunter Hauptwerke wie der „Tetschener Altar“, der Dresden grundsätzlich nicht mehr verlassen wird, hinzu kommen prominente Leihgaben wie der „Wanderer über dem Nebelmeer“ aus der Hamburger Kunsthalle sowie „Mondaufgang am Meer“ und „Der Watzmann“ aus der Alten Nationalgalerie Berlin.

Sowohl beim „Wanderer“ als auch beim „Watzmann“ wird thematisiert, wie Friedrich Landschaftsmotive ganz unterschiedlicher Herkunft zu neuen Bildkompositionen vereinigt hat. Obwohl er landschaftliche Details überaus präzise wiedergegeben hat, ging es ihm jedoch nie um das realistische Abbild von Wirklichkeit, sondern um Sinnbilder, um Seelenzustände des Menschen, der in der Gewissheit des Todes seine Hoffnung auf Erlösung setzt. „Der religiöse Aspekt ist vielleicht gegenwärtig nicht so hip, weshalb er andernorts wenig beachtet wurde, spielt aber für Friedrich eine zentrale Rolle“, sagte Hilke Wagner, die Direktorin des Albertinums, zur Ausstellungseröffnung.

Caspar David Friedrich in Sachsen: Anhand der Skizzenbücher lassen sich Landschaftsstücke identifizieren

Während der Einfluss der „trefflichen Kunstschätze“ im Albertinum im Vordergrund steht, geht es im zweiten Ausstellungsteil im Kupferstichkabinett im Schloss vor allem um die „schöne Natur“. Bevor er im Atelier die Gemälde schuf, erwanderte Friedrich sich seine Motive bei ausgedehnten, oft wochenlangen Aufenthalten vor allem in der Sächsischen Schweiz, zeitweise auch im Riesengebirge, im Harz und an der Pommerschen Ostseeküste.

„Caspar David Friedrich. Wo alles begann“ heißt die Dresdner Friedrich-Ausstellung im Albertinum und im Kupferstich-Kabinett.
„Caspar David Friedrich. Wo alles begann“ heißt die Dresdner Friedrich-Ausstellung im Albertinum und im Kupferstich-Kabinett. © dpa | Sebastian Kahnert

Direkt vor Ort hat er mit Bleistift und Feder Waldstücke, Baumgruppen, knorrige Äste, Steinsetzungen, Felsentore oder Bergformen skizziert, um sie manchmal erst Jahre später als Motive in eine Bildkomposition aufzunehmen. Anhand der Skizzenbücher lassen sich einzelne Landschaftsstücke identifizieren und lokalisieren, die später in einem der Gemälde auftauchen. Prominentes Beispiel ist eine Zeichnung, die jenen markanten Felsblocks am Aufstieg zur „Kaiserkrone“ unweit des Ortes Schöna zeigt, auf den Friedrich 1818 seinen „Wanderer“ gestellt hat.

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Höhepunkt der Ausstellung im Kupferstichkabinett ist das Original des „Karlsruher Skizzenbuchs“, das die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erst vor wenigen Wochen gemeinsam mit der Klassik Stiftung Weimar und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für 1,8 Millionen Euro aus Privatbesitz ersteigern konnten. Das kostbare Original kann man nur einzeln in einem lichtgeschützten Raum hinter Glas betrachten, in digitalisierter Form lässt es sich aber Seite für Seite durchblättern.

Berühmte Gemälde: Fast hat man den Eindruck, dem Künstler beim Arbeiten über die Schultern zu schauen

Während man im Kupferstickkabinett die vor Ort entstandenen detailreichen Zeichnungen betrachten kann, zeigt das Albertinum, wie diese später als Formen und Motive in den berühmten Gemälden auftauchten. So hat man fast den Eindruck, dem Künstler beim Arbeiten über die Schultern zu schauen.

Wer nach Dresden fährt, um sich die Ausstellung zum großen Finale des Jubiläumsjahres anzuschauen, sollte aber auch die Chance nutzen, Friedrichs Inspirationsquelle in der „schönen Natur“ kennenzulernen: Bei entsprechender Witterung kann der zum Jubiläum neu gestaltete und hervorragend ausgeschilderte Caspar-David-Friedrich-Weg in der Sächsischen Schweiz zur privaten Wanderung über dem Nebelmeer werden. Der 14 Kilometer lange Rundkurs mit elf Stationen auf den Spuren von Zeichnungen und Gemälden startet und endet in dem kleinen Elbort Krippen, der mit der Dresdner S-Bahn in gut 45 Minuten zu erreichen ist. Für den Maler selbst war das damals mindestens eine Tageswanderung.

Mehr Infos zu Caspar David Friedrich in und um Dresden unter visit-dresden-elbland.de/caspar-david-friedrich