Hamburg. Der Regisseur kam mit einem der Hauptdarsteller zur Kinopremiere ins Grindelviertel: „Ich wollte Verbrecher bei ihrer Arbeit zeigen.“

Es ist handlich und wertvoll gleichermaßen. Caspar David Friedrichs Gemälde „Frau vor der untergehenden Sonne“ ist nur 22 x 30 Zentimeter groß, etwa 1,5 Millionen Euro wert und ein ideales Objekt für Diebe. Dem Berufsverbrecher Trojan (Mišel Matičević) und seiner Bande gelingt es, das Bild aus einem Depot in Berlin-Dahlem zu stehlen, bevor es wieder zurück ins Museum Folkwang nach Essen transportiert wird. Allerdings klappt die Übergabe zum Auftraggeber des spektakulären Bilderklaus nicht und Trojan muss einen anderen Käufer finden. Nicht ganz einfach bei der Popularität des Künstlers und seines Gemäldes...

Den Friedrich-Coup hat sich Regisseur und Drehbuchautor Thomas Arslan für seinen Krimi „Verbrannte Erde“ einfallen lassen. Auf den Hype nach den erfolgreichen Ausstellungen mit Friedrichs Werken in Hamburg und Berlin ist er jedoch nicht aufgesprungen: „Als wir den Film konzipiert haben, wussten wir nichts von den Ausstellungen“, erklärt der Berliner Regisseur, der mit dem zweiten Hauptdarsteller Alexander Fehling zur Hamburg-Premiere ins Abaton gekommen ist. „Mir ging es darum, dass es das Gemälde eines berühmten Malers ist, dass es viel wert ist und unaufwändig zu transportieren ist.“

Filmpremiere 'Verbrannte Erde', Berlinale 2024
Regisseur Thomas Arslan vor der Premiere des Kinofilms „Verbrannte Erde“ bei der Berlinale im Februar 2024. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Ronny Heine/Geisler-Fotopress

„Verbrannte Erde“ ist ein sogenannter Heist-Film, in dem die detaillierte Ausführung eines Raubüberfalls gezeigt wird. „Ich wollte Verbrecher bei ihrer Arbeit zeigen. Was sie tun und mit welcher Präzision sie es tun. Ihre Bewegungen sind dabei wichtiger als Mimik oder Dialoge“, sagt Thomas Arslan. 14 Jahre nach „Im Schatten“, dem ersten Film mit Trojan als zentraler Figur, hat er jetzt die Fortsetzung ins Kino gebracht.

„Verbrannte Erde“: Wie klaut man einen echten Caspar David Friedrich? Filmpremiere im Abaton

Trojan ist ein Gangster alter Schule. Während Komplize Chris (Bilge Bingül) das Museumsdepot am Rechner digital darstellt, benutzt Trojan in seinem Hotelzimmer Zeichnungen, auf denen er den Weg ins Depot mit einem roten Filzstift markiert. Auch Ganovenehre gibt es in „Verbrannte Erde“ nicht mehr. Der Auftraggeber des Diebstahls sagt zu seinem Handlanger Viktor (Alexander Fehling): „Ich will das Gemälde, und ich werde die Scheißer nicht bezahlen.“ Was Viktor mit einem erstaunten Blick kommentiert, die Anweisung, sich dazu etwas einfallen zu lassen, nimmt er hin.

Marie Leuenberger ist in „Verbrannte Erde“ als Fluchtfahrerin Diana dabei.
Marie Leuenberger ist in „Verbrannte Erde“ als Fluchtfahrerin Diana dabei. © Piffl Medien | Piffl Medien

Fehling spielt den Antagonisten zu Trojan. Mit großer Brutalität führt er die Befehle seines Bosses aus und schreckt dabei auch vor Mord nicht zurück. Fehling gibt ihn jedoch nicht als psychopathischen Bösen, sondern als Gangster, der innerhalb seines Milieus funktionieren muss. Er ähnelt Trojan, denn beide sind Einzelgänger. „Psychologie gibt es bei diesen Figuren nicht“, erzählt Fehling im Abaton. „Ihre Geschichte wird nicht erzählt, sie sind Kunstfiguren.“ „Wie in Pulp-Romanen“, ergänzt Arslan.

Mišel Matičević in „Verbrannte Erde“: ein ähnlicher Typ wie Alain Delons Figur in „Der eiskalte Engel“

Gleiches gilt auch für Diana (Marie Leuenberger), die als Fluchtfahrerin dabei ist. Alle drei sind einsame Menschen, die nichts zu verlieren haben. Ihr sozialer Background und ihre Lebensgeschichten werden nicht erzählt. Sie unterscheiden sich von dem Computerspezialisten Chris, der nur eine Gelegenheitskrimineller ist, und von Luca (Tim Seyfi), einem alten Kumpel von Trojan, der aus dem Milieu aussteigen will, weil er sich inzwischen als Restaurantbesitzer eine bürgerliche Existenz aufgebaut hat. Der Gemäldediebstahl soll „sein letztes großes Ding“ werden.

Alexander Fehling kam am Donnerstag zur Hamburg-Premiere ins Abaton-Kino.
Alexander Fehling kam am Donnerstag zur Hamburg-Premiere ins Abaton-Kino. © Piffl Medien | Piffl Medien

„Verbrannte Erde“ ist ein sehr ruhig erzählter Film und gerade aus diesem ruhigen Fluss und der detaillierten Beobachtung der Figuren und ihrer Handlung bezieht er seine Spannung. Gesprochen wird nur das Nötigste. Matičević, dessen Figur nur in Hotels und Apartments lebt und eigentlich permanent auf der Flucht ist, spielt Trojan als einsamen Wolf, in dessen Gesicht keine Regung zu sehen ist, der aber immer auf dem Sprung ist, um in bedrohlichen Situationen zu reagieren. Er ist ein ähnlicher Typ wie Alain Delons Figur in Jean-Pierre Melvilles Krimi-Klassiker „Der eiskalte Engel“. 

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Noch stoischer als Matičević legt Fehling seine Rolle an. Er ist ein professioneller Killer, der mit höchster Präzision agiert und unaufhaltsam seine Aufgaben erfüllt. Fehlings Viktor spricht mit tieferer Stimme, er geht mit eckigem Gang, fast wie eine Comic-Figur. „Recherche war für die Figur nicht nötig. Wichtiger waren Fragen wie: Was für Schuhe soll ich anziehen?“, erzählt Fehling nach der Hamburger Kinopremiere.

Arslans zweiter Teil der „Trojan“-Trilogie ist auch ein sehr dunkler Film. 90 Prozent der Szenen spielen nachts, viele davon während Autofahrten durch die Straßen von Berlin. Thomas Arslan und Kameramann Reinhold Vorschneider haben eine Reihe düsterer und verlassener Orte gefunden, an denen sie gedreht haben: Industriebrachen, schäbige Hotels und gesichtslose Straßen. Auf typische Berlin-Bilder wurde bewusst verzichtet. Entsprechend fremd kommt Trojan die Stadt vor, in die er nach zwölf Jahren zurückkehrt. Zwar wird „Verbrannte Erde“ in seiner Fernsehauswertung auch bei ARTE gezeigt werden, doch mit seiner Ästhetik, der Lakonie und dem düsteren Ambiente ist er ein vorzüglicher Genrefilm für das Kino. Im Kino funktioniert die Reduktion aufs Wesentliche erstklassig.

„Verbrannte Erde“, ab 12 Jahren, läuft im Abaton.