Hamburg. Überfüllte Räume und lange Wartezeiten erschweren den Kunstgenuss und verärgern das Publikum. Wie das Hamburger Museum gegensteuert.
- Zahllose Besucher drängen sich durch die Galerie der Gegenwart, um die Caspar-David-Friedrich-Schau zu sehen
- Staus und lange Wartezeiten sind in der Hamburger Kunsthalle die Folge.
- Das führt bei vielen zu Frust und Unverständnis.
Das laute Trommeln und die enorme Leistung aller Beteiligten haben sich gelohnt: Acht Wochen nach dem Start der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung haben schon mehr als 157.000 Besucherinnen und Besucher „Kunst für eine neue Zeit“ in der Galerie der Gegenwart gesehen. Mehr als 250.000 verkaufte Tickets – das ist die Zahl inklusive des Vorverkaufs sowie inklusive der Gruppenanmeldungen für die kommenden Wochen.
Laut Kurator Markus Bertsch hatte der Kunsthallen-Vorstand 200.000 Gäste als Zielmarke ausgegeben. Man kann also zufrieden sein am Glockengießerwall. Zumal auch die Werbestrategie aufgegangen zu sein scheint, der Romantik-Maler ist auch über Hamburg hinaus Zugpferd: 76 Prozent der Besucherinnen und Besucher kommen von außerhalb Hamburgs – zum überwiegenden Teil aus anderen Bundesländern und zu rund sieben Prozent aus dem Ausland.
Caspar David Friedrich: Ist die Kunsthalle dem Besucheransturm der Schau gewachsen?
Die Resonanz aus dem Publikum sei überwiegend positiv, heißt es aus der Pressestelle der Kunsthalle. Vor allem die erste Etage mit den Friedrich-Werken und Zeitgenossen des Künstlers sei sehr beliebt. Aber gerade deshalb kommt es da des Öfteren zu Staus und Wartezeiten – wie einige Abendblatt-Leserinnen und -Leser berichten, schon im Garderobenbereich und Treppenhaus. „Den Fahrstuhl haben wir vorsorglich nicht benutzt, mit Hunderten Besuchern quälten wir uns die Treppen zu den Ausstellungsräumen hoch“, schreibt Jürgen Tietjen aus Schwabstedt, der am 8. Februar zusammen mit fünf Freunden in der Ausstellung war, dem Abendblatt.
In der Ausstellung selbst „erwartete uns eine unübersehbare Masse von Besuchern, die kaum einen Blick auf die Kunstwerke zuließ. Dazwischen große geführte Besuchergruppen, die wie ein Korken im Flaschenhals wirkten. Für zahlreiche ältere Besucher mit Gehhilfen bzw. Mütter mit Kinderwagen war ein Durchkommen geschweige denn ein Kunstgenuss nicht möglich.“
Wer Slots vergebe, müsse doch eine Vorstellung davon haben, wie viele Besucher die Räumlichkeiten für einen angemessenen Kunstgenuss pro Zeiteinheit zulassen. „Oder stand hier Kommerz vor Kunstgenuss? Die Sicherheitsfragen für Fluchtwege im Brandfall beziehungsweise bei Massenpanik wage ich bei diesem Ansturm nicht zu beantworten. Ich hoffe, die Verantwortlichen haben dieses Szenario verantwortungsbewusst durchgespielt. Wir haben die Ausstellung fluchtartig verlassen und waren froh, dass wir dieses Chaos unbeschadet überstanden haben.“
Besucherin musste Besuch der Ausstellung wegen Menschenmassen abbrechen
Auch Doris Wassen, die am Dienstag dieser Woche eigens aus Mönchengladbach angereist war, um die Ausstellung zu besuchen, war „furchtbar enttäuscht“, dass sie die Kunst des Caspar David Friedrich nicht genießen konnte. „Massen von Menschen wurden durch die Ausstellung geschoben. Ich musste abbrechen, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Was ist das Ziel dieser Ausstellung? Ist es Ziel, die Menschen an Kunst und Kultur heranzuführen, oder war es das Ziel, hier Geld zu machen?“
„Die Jubiläumsausstellung ‚Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit‘ stößt erfreulicherweise auf großes Interesse und zieht viele Besucherinnen und Besucher an. Erwartungsgemäß sind die Ausstellungsräume dadurch voller als üblicherweise. Um für alle einen angenehmen Ausstellungsbesuch zu gestalten, versuchen wir das so gut wie möglich zu steuern“, sagt Direktor Alexander Klar. Daher hatte die Kunsthalle die Buchung an Zeitfenster-Tickets gekoppelt, die man vorab im Internet kaufen muss. 3000 Tickets pro Tag gibt das Museum aus, zu Slots von jeweils drei Stunden. Der Anteil der Onlinetickets liegt bei 78 Prozent. Außerdem gäbe es, wenn verfügbar, Restkarten, die an der Museumskasse erworben werden können. Besonders beliebt sind die Zeitfenster am Vormittag und Mittag.
Auf der Website und auf den Tickets gibt es Tipps für den Einlass
Doch wie reguliert man den Einlass, damit sich solche Menschenmassen eben nicht bilden? „Dazu gehört, dass wir die Anzahl der Besucherinnen und Besucher kontrollieren, keine neuen Gruppenführungen mehr annehmen und verstärkt darauf hinweisen, dass die Zeitfenster die Einlasszeit eingrenzen, nicht aber die Aufenthaltsdauer. Zurzeit kommen sehr viele Menschen immer genau zu Beginn ihres Einlassfensters, was dann zu Schlangen führt. Ab dem 1. März verlängern wir zudem die Öffnungszeiten: Von Donnerstag bis Samstag ist die Ausstellung bis 21 Uhr geöffnet.“
Kommuniziert wird dies auf der Website, auf dem Ticket selbst und in der Bestätigungs-Mail nach dem Kauf. Auf der Website wird auch empfohlen, am späten Nachmittag oder abends in die Galerie der Gegenwart zu kommen. Die Aufsichten hätten laut Pressestelle zudem einen Blick darauf, wenn sich zu viele Menschen in einem Raum aufhalten und geben dies am Einlass durch. Notfalls würden Besucher dann erst mal in den zweiten Stock zu den zeitgenössischen Kunstwerken gebeten, dort sei es erfahrungsgemäß immer etwas leerer.
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Die täglich angebotenen öffentlichen Führungen seien fast immer ausgebucht, darunter auch die Kuratorenführungen, barrierefreien Führungen und das „Werk der Woche“. Mit über 1800 Gruppenbuchungen (davon 260 Schulklassen) sei die Ausstellung ebenfalls am Limit. Da man das Problem des „Flaschenhalses“ kennt, werden aktuell auch keine Gruppenbuchungen für mehr als 20 Personen mehr verkauft. Die erweiterten Öffnungszeiten auch auf den Montag auszuweiten, dem regulären Schließtag der Kunsthalle, sei laut Pressestelle personell nicht möglich.
Noch gut sechs Wochen läuft „Kunst für eine neue Zeit“. Alexander Klar und sein Team sollten diese Zeit nutzen, um auf den Besucheransturm und die Kritik aus dem Publikum zu reagieren. Damit die große Friedrich-Schau nach all dem Wirbel am Ende keine Produktenttäuschung ist – und das Haus seinem Motto „Für uns alle“ treu bleibt.