Hamburg. Ein von Amerikanern produziertes Epos, das in Asien spielt und nicht nur Kritiker lieben: „Pachinko“ ist der ultimative Serien-Tipp.
Vielleicht hat man nicht unbedingt darauf gewartet, mehr oder überhaupt etwas über die schmerzvolle koreanisch-japanische Historie zu erfahren. Eine erzählerisch überwältigendere und visuell überzeugendere Geschichtsstunde als die amerikanische Serie „Pachinko“ kann man sich in jedem Fall kaum denken. Auf Apple TV+ ist nun die zweite Staffel des Epos zu sehen, das 2022 von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeiert wurde.
Das Erzähltableau folgt dem der Romanvorlage der New Yorker Autorin Min Jin Lee, die 2017 erschien. Die Geschichte setzte ein im Jahr 1915, als Korea von den Japanern besetzt war. Sunja (Minha Kim) verließ ihre Heimat, um im koreanischen Viertel Osakas zu leben. Die Übersiedelung ins Land der Unterdrücker ist der Wendepunkt ihres Lebens. Ihre beiden Söhne Noa und Mozasu wachsen, damit beginnen die neuen acht Folgen, also in Japan auf.
Serien-Highlight „Pachinko“ auf Apple TV: Das koreanisch-japanische Dilemma als Familiendrama
Es ist das Japan, das Mitte der 1940er-Jahre von den Amerikanern unter Beschuss genommen wird. Der Krieg ist erst fast zu Ende, und es fallen Bomben. Sunjas Familie verlässt mithilfe Koh Hansus (Lee Min-ho) unter dramatischen Umständen die Stadt. Der schreckgeweitete Blick des jungen Noa aus der Heckscheibe auf die Stadt, die todbringenden Geschwader und die aufblitzenden Detonationen, die direkt übergehen in eine Kamerafahrt über das Land vor den Toren Osakas, wo die Familie Zuflucht sucht: „Pachinko – Ein einfaches Leben“, wie die Serie in der deutschen Version heißt, verdichtet das Kriegsgeschehen und erzählt das koreanisch-japanische Dilemma als Familiendrama. Kurz vor der Flucht starb Sunjas Mann Baek Isak (Steve Sang-Hyun Noh), den die Japaner wegen seiner politischen Aktivitäten inhaftiert hatten.
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Denn das ist dieser Stoff: eine auch im Spannungsfeld Amerikas angesiedelte asiatische Erzählung über Rassismus und Deklassierung, in der es um Liebe, Heimat und Elternschaft geht. Der Roman war ein Pageturner, die Serie ist ebenso unwiderstehlich, weil sie die Leidenschaften ihrer Protagonisten zum Handlungsträger macht. Koh Hansu, der koreanische Geschäftsmann, ist der Vater Noas und will die alte Liaison mit Sunja, die nun Witwe ist, wieder aufleben lassen. Auch andere Liebeshandlungen treiben das Geschehen voran.
TV-Serie „Pachinko“: Die zweite Staffel fesselt an den Bildschirm
Im Tokio von 1989 ist es Mozasus Sohn Solomon (Jin Ha), ein hauptsächlich in den USA sozialisierter Banker, der als Abkömmling von Südkoreanern die alte Ablehnung der japanischen Mehrheit erfährt und nun zurückschlagen will. Die Serie arbeitet viel mit Zeitsprüngen und schafft es dabei, die Macht der Geschichte, die Tiefe der Jahre zu zeigen, die im Falle von Exilanten und geografisch Mobilen besonders prägt. Die alte Sunja ist die Gewährsfrau der langen koreanischen Emigrationsgeschichte. Sie versucht auch in Staffel zwei, mit ihren Ursprüngen in Verbindung zu bleiben.
Zusammen mit der dritten Staffel von „The Bear“ ist „Pachinko“ das Streaming-Highlight des Spätsommers, eine bildgewaltige Saga mit hohen Produktionsstandards, die einen an den Bildschirm fesselt. Die bemerkenswert plumpe Apple-TV+Methode, ständig aus Büchern Serienerzählungen („Silo“, „Bad Monkey“, „Aus Mangel an Beweisen“, „Slow Horses“, „Lady in the Lake“) zu machen, geht nirgendwo so gut auf wie hier. Das liegt auch am starken Drehbuch (Showrunner ist der Amerikaner Soo Hugh) und dem exzellenten Cast, zu dem auch die „Shogun“-Darstellerin Anna Sawai gehört.
Die zweite Staffel von „Pachinko“ ist ab dem 23.8. auf Apple TV+ abrufbar.