Hamburg. Erst ein totes Mädchen, dann die tote Frau: Der Mystery-Krimi nach der Buchvorlage ist cool und fesselnd in Szene gesetzt. Einschalten!
Es sind die 1960er-Jahre im rauen Baltimore. Pikesville, der Nobelvorort, ist das Gegenteil von rau. Hier lebt Maddie Schwartz (Hollywoodstar Natalie Portman), die sich schon bald wieder nach ihrem Geburtsnamen Maddie Morgenstern nennt. Da hat sie ihren Ehemann verlassen, um endlich ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie lebt dann ausgerechnet im schwarzen Teil Baltimores, als suche sie die größtmögliche Distanz zu allem, was bisher war.
Was es heißt, eine Frau zu sein in dieser Zeit, zeigt der ab 19. Juli auf Apple TV+ abrufbare sehr sehenswerte Siebenteiler „Lady in the Lake“ in einer Parallelmontage. Da ist dann nicht nur Maddie zu sehen, die ohne Erlaubnis ihres Mannes nicht einmal ihren eigenen Wagen verkaufen kann, sondern auch die doppelt deklassierte Barkeeperin Cleo Sherwood (Moses Ingram), eine schwarze Barkeeperin, die sich an der politischen Kampagne einer afroamerikanischen Politikerin beteiligen will, dies jedoch nicht darf.
Apple TV+ zeigt neue Miniserie „Lady in the Lake“: Natalie Portman glänzt in der Hauptrolle
Sie arbeitet im Nachtclub eines Kriminellen, es hat sie dort nicht hingezogen, aber dieser Einflusssphäre entkommen kann sie nicht ohne Weiteres; von solch einer Frau hält man im Zweifel Abstand als Lokalpolitikerin. Beide Protagonistinnen stoßen also an Grenzen. Emanzipationskampf und Unverwüstlichkeit zeigt die Serie der Regisseurin Alma Har‘el mit viel Aufwand, und das ist gut so. Auch dieser Erzählstrang mit viel Zeitkolorit vibriert nämlich, trotz aller Widrigkeiten der geschilderten Lebenswirklichkeit, vor Coolness und Style – „Lady in the Lake“ ist eine typische Apple-Serie, optisch herausragend und smart erzählt.
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Maddie Morgenstern ist Journalistin und tritt in eine Redaktion ein, freilich als marginalisierte Hilfskraft, der die ausschließlich männlichen Kollegen auf den Hintern klatschen. Unbeirrbar und, wie sich zeigen wird, unter Einsatz des eigenen Lebens will sie fortan Reporterin sein.
Natalie Portman in „Lady in the Lake“: Der Stoff fußt auf einem Bestseller
Maddie will den Mord an einem jüdischen Mädchen aufklären. Später kommt eine weitere Tote dazu, die mit der afroamerikanischen Halbwelt zu tun hat. „Lady of the Lake“ ist eine Krimiserie, die mit schönen Plottwists aufwartet und viel Mystery-Nebel, der das Geschehen umwabert. Der Stoff fußt auf dem 2019 erschienenen gleichnamigen Bestseller Laura Lippmans und wird auf dem Bildschirm beim Serienfinale zum bildgewaltigen, surrealen Trip – ein exquisites, auch ästhetisch spannendes Vergnügen.
„Lady in the Lake“ handelt vom ganz alten Rassismus, der bis heute nicht verschwunden ist und lediglich seine Schroffheit verloren hat. Damals hatte der schwarze Teil der Bevölkerung eine eigene Zeitung, heiraten durften Schwarze und Weiße nicht. Die Bürgerrechtsbewegung und das Aufbegehren der afroamerikanischen Bevölkerungsschicht klingen in diesem Siebenteiler an, der von einem stabilen Cast getragen wird. Wood Harris (Drogendealer-Legende Avon Barksdale in „The Wire“!) glänzt als slicker Unterweltler und Barbesitzer, Moses Ingram als starke, integre Frau in einer gewalttätigen Umgebung und vor allem Natalie Portman („Black Swan“) als zornige, von den Geistern der Vergangenheit getriebene, nach Selbstermächtigung gierende Reporterin, die für eine gute Geschichte viel aufzugeben bereit ist, vielleicht sogar ihren Sohn: Es ist ein düsterer Glanz, der auf jeder Szene liegt.
Frauenhass, Rassismus und Antisemitismus und die engen Grenzen, in denen Herkunft und Klasse die Menschen halten, sind der Überbau der Story, die viel mehr als die Aufklärung zweier Kriminalfälle schildert. Man könnte „Lady in the Lake“ als amerikanischen Albtraum bezeichnen, und man wartet als Zuschauender gebannt darauf, wer am gesündesten aus diesem aufwacht.
„Lady in the Lake“ ist ab dem 19. Juli auf Apple TV+ abrufbar.