Hamburg. Hier ist nichts überdreht, aber alles komisch: Die neue Dramedy des Top-Duos handelt von zwei Singles, die sich (fast) nicht finden.
Man groovt sich auf diesen in acht Halbstündern portionierten Serien-Aufschlag von Amazon Prime fraglos ein. Da muss Bastian Pastewka als nach seiner Scheidung reichlich belämmert durch die Straßen Marburgs trottender Sportladenbesitzer Ralf einmal am Käsestand bei der Werbeverkostung kalauernd „Brie mal Daumen“ sagen, und man streckt dann doch seine Waffen. Unbedingte Humorbereitschaft ist, den Mundwinkeln angesichts dieser Szene bereitwillig Gelegenheit zu geben, sich nach oben zu bewegen. In „Perfekt verpasst“, Pastewkas Tragikkomödie („Dramedy“) mit Anke Engelke, sind die Gags immer so offensichtlich und ohne jede Smartness.
Gerade das macht die ab 15. August auf Prime abrufbare Serie jedoch so sympathisch. Sportshop-Ralf und die Buchhändlerin Maria (Engelke), zwei Loser-Singles jenseits der 50, die wie füreinander gemacht scheinen, sich in der Kleinstadt aber dennoch immer haarscharf verpassen: Das ist die Basis der vergnüglichen Story (Head-Autoren: Sebastian Colley und Claudius Pläging), die am besten ist, wenn sie gediegen herunterschnurrt. Unser deutscher Humor, so schön harmlos!
„Perfekt verpasst“ auf Amazon Prime: Verwechslungs-Dramedy mit Anke Engelke und Bastian Pastewka
Wobei man angesichts dieses teutonischen Powerduos, angesichts des frivolen Verwechslungs-Plots und des Blind-aneinander-vorbei-Existierens auch an Pastewkas Faible für Louis de Funès denkt. Die unglückliche Ehe des grundbiederen Ralf ist gerade erst mit der Scheidung an ihr Ende gekommen. Sein Augenblicksglück ist sein kompliziert geparkter, verdreckter Volvo, auf dem die grundgrummelige Maria erst fiese, dann gar nicht mehr fiese Nachrichten hinterlässt.
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Wie sie sich immer wieder leibhaftig gerade nicht treffen, ist der Running Gag von „Perfekt verpasst“. Um diesen Erzählstrang legt sich die übrige Handlung, deren Personal meist die sympathische Verstrahlung des mittleren Alters an den Tag legt. Da ist ein Paar, das im Begriff ist, vor den Traualtar zu treten, dies aber mangels tiefer Gefühle besser nicht tun sollte. Und da ist Marias sich spät outender Vater, der mit Ralfs sich spät outendem Bandkollegen eine romantische Beziehung eingegangen ist.
Anke Engelke in „Perfekt verpasst“: Ü-50-Heldinnen, die die Welt nicht mehr verstehen
Auch vor Maria halten die beiden dies lange geheim, sehr zu deren Ärger. Als übergriffige, immer schlecht gelaunte und vom Leben tief frustrierte Möchtegern-Schriftstellerin ist Anke Engelke vollends überzeugend. Auch Pastewka spielt seine sozialschämigen Szenen, in denen man oft am liebsten wegschauen möchte, wie immer glaubhaft. Der ganze Cast – unter anderem Fritzi Haberlandt, Edin Hasanovic, Serkan Kaya – ist gut ausgewählt. Sebastian Fitzek tritt kurz als Sebastian Fitzek auf.
Weil Ü-50-Helden schon mehr hinter als vor sich haben, verstehen sie die moderne Welt nicht mehr so ganz. Mit dem zeitlichen Abgehängtsein spielt die Serie, da reicht dann der Jugendslang, um Komik herzustellen. In „Perfekt verpasst“ sind es Ralfs adoleszente Töchter („Kümmer dich mal besser um dein eigenes Datinggame“), die ihren spröde-altmodischen Trauerkloß-Vater in die Schranken weisen, als der sich über die für ihn neue amouröse Offenherzigkeit beschwert.
Bastian Pastewka und Anke Engelke in „Perfekt verpasst“: Wer weiß, wie lange die Leute noch über sie lachen
Wo die Tochter („Du weißt doch, das Monogamieding ist nicht so meins, wir leben nicht mehr in den 90ern“) ganz im Zeitgeist lebt, stehen die Alten noch auf so was Altbackenes wie Hochzeiten. Vielleicht schauen Engelke und Pastewka, das lang gediente TV-Inventar, auch deshalb bisweilen so endfertig und melancholisch aus: Wer weiß, wie lange die Leute noch über sie lachen.
Wir tippen an dieser Stelle mal – noch sehr lang. Humor ist auch dann gut, wenn er zeitlos ist. Trotz aller überragend schlechter Laune, aller Empfindlichkeiten und Neurosen der Heldinnen und Helden von „Perfekt verpasst“ haben diese eine allgemeine Bedürftigkeit, die sie liebenswürdig erscheinen lässt. Manchmal brauchen sie ein Klavier, um Totos abgenudelten Evergreen „Africa“ zu covern. Dann wieder ein Klo, weil die Meeresfrüchteplatte („Ich bin vor ein paar Jahren mal in Palma ins Hafenbecken gefallen, das schmeckte genauso“) dem Magen nicht bekam. Und insgesamt vor allem: Liebe.
„Perfekt verpasst“ ist ab dem 15. August auf Amazon Prime abrufbar.