Hamburg. Katie Crutchfield alias Waxahatchee zeigte auf St. Pauli, warum sie mehr als ein Geheimtipp ist. Manche ihrer Stücke? Einfach nur groß.
Das ist ja jetzt eh alles Vorprogramm, ehe das gewaltigste Spektakel der Welt in Hamburg zu Gast ist. Etwas mehr als eine Woche noch, dann ist Taylor die Große im Volksparkstadion. Katie Crutchfield, die Größere, war am Sonnabendabend schon in der Stadt, Swifts US-amerikanische Landsfrau, sie spielte im (kleinen) Mojo Club.
Noch größer als Swift? Na klar, als Songwriterin ist Crutchfield, deren Bühnenname Waxahatchee ist, mit ihren beiden jüngsten Alben „Saint Cloud“ und „Tigers Blood“ zumindest an die Indie-Spitze geschossen: Das ist ein unglaublicher Doppelschlag, den die Künstlerin da hingelegt hat. Und für manche Stücke würde wahrscheinlich sogar Taylor Swift töten. Zumindest die ganz junge. Die, die in Nashville durch die Countryschule ging. Swift ist längst eine pure Popmusikerin und hat die klassischen Americana-Wurzeln fest verbuddelt. Bei Waxahatchee ist es anders. Sie ersetzte den Indierock zuletzt durch Country. Und ist seitdem in aller Munde.
Waxahatchee: Druckvoll spielten sich Crutchfield und ihre fünfköpfige Band durch das Set
In Hamburg war sie vor einem Jahr schon, damals im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Diesmal ging es auf den Kiez. Man könnte sagen: Da passt die tätowierte Frau mit der starken Stimme besser hin? Vielleicht. Im roten Kleid, mit Kansas-City-Basecap (die sie schnell ablegte), hatte sie das geschmackssichere Publikum im Mojo vom ersten Stück an.
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Druckvoll spielten sich Crutchfield und ihre fünfköpfige Band durch das Set, das fast komplett aus den Songs der Erfolgsalben bestand. Natürlich ist die Rockdrift im Sound unverkennbar, das ist Alternative Country, also ohne Cowboyhut zu denken und mit angedeuteten (und formvollendeten) Gitarrensoli, die bei einer Gruppe mit weiblichem Bandleader und Banjo gleich noch angedeuteter wirken.
Lieder zogen an einem vorbei wie Flöße auf dem Mississippi
Ja, dank Taylor Swift ist Country überall, diese sehr amerikanische Spielart, deren oft so bräsige Gemütlichkeit einem bei Waxahatchee nie in den Sinn kommt. „Can‘t Do Much Now“ und der tolle, tröstliche Beziehungssong „Right Back To It“ zeigten beim Konzert die Grandezza der Künstlerin.
Zuletzt hat Crutchfield ein paarmal von ihrer Angst als Songwriterin erzählt: dass ihr Moment irgendwann vorbei ist, dass ihre schöpferische Kraft versiegt. Im Mojo konnte man sich tatsächlich überzeugen, wie ertragreich das Schaffen Waxahatchees in dieser Phase ihrer Karriere ist. Die Lieder („Bored“, „Oxbow“) zogen an einem vorbei wie Flöße auf dem Mississippi, man schaute ihnen entspannt nach. Crutchfield ist zuzutrauen, dass das jetzt noch nicht mal ihr Peak ist.
Waxahatchee: ein Sound mit einer besonderen Bittersüße
Und wenn er’s ist, auch egal. „Tigers Blood“, „365“, „Crimes Of The Heart“, schöne, dringliche, ernste Songs. Und das majestätische „Fire“, das ganz zum Schluss kam, in der verrockten Live-Version? Taylor Swift ist die Pop-Ikone der Gegenwart, ein Genie; aber ihr bester Song ist nicht annähernd halb(!) so gut wie „Fire“, ein Stück, das die Schönheit erfunden hat.
Crutchfields Bassistin und ihr Gitarrist setzten während des Konzerts übrigens abwechselnd an, um die Chefin bei den Gesangslinien zu unterstützen. Diese Zweistimmigkeit gibt dem Waxahatchee-Sound vielleicht diese besondere Bittersüße. Wenn’s die Sehnsucht ist, die Crutchfield implizit immer besingt, dann kann das Stimmvolumen nicht groß genug sein.