Hamburg. Harbour Front fällt 2024 aus. Dafür gibt es jetzt ein neues Lesefest. Die Macher sprechen über die Pläne – und über gekränkte Platzhirsche.

Mit einiger Aufregung wurde in der Szene die Absage des Harbour Front Literaturfestivals aufgenommen. Hohe Wellen schlug anschließend auch die Nachricht, dass es einen Ersatz gibt, allerdings mit kräftigem Anschub von außen: Die Lit.Cologne, Europas größtes Literaturfestival, kommt im Herbst nach Hamburg. Angelockt von der reizvollen Aufgabe, nun an der Elbe erfolgreich zu sein. Unterstützt auch von der Stadt Hamburg, die den Kölner Ausflug finanziell unterstützt. Rainer Osnowski, der Geschäftsführer der Lit.Cologne, und Programmmacherin Eva Schuderer äußern sich im Abendblatt-Interview auch zur Frage, ob es weitere Elb.lit-Ausgaben geben könnte.

Hamburger Abendblatt: Wie kam es dazu, dass Hamburg im Terminkalender 2024 ein neues Literaturfestival hat?

Rainer Osnowski: Ganz einfach: Wir erfuhren durch das Branchenportal, dass das Harbour Front Festival in diesem Herbst pausiert und erst 2025 zurückkehren möchte. Wir haben dann umgehend mit der Stadt Hamburg und Kultursenator Carsten Brosda Kontakt aufgenommen. Mit der Lit.Cologne haben wir seit 25 Jahren Erfahrung im Festivalmachen und sind in der Lage, auch in relativ kurzer Zeit etwas auf die Beine zu stellen; wenn Interesse bestünde, würden wir einspringen, haben wir unseren Gesprächspartnern persönlich in Hamburg mitgeteilt.

Gab es auch Kontakt zum Harbour Front Festival?

Osnowski: Den gab es. Die Hamburger Kulturbehörde war gleich offen für unsere Initiative, hat aber schnell gesagt, dass mit den Kollegen von Harbour Front geredet werden müsse, was wir ohnehin vorhatten.

Rainer Osnowsi
Rainer Osnowski ist Geschäftsführer der Lit.Cologne, die nun in Hamburg einen Ableger startet. © Ralf Juergens | Ralf Juergens

Mit welchem Resultat?

Osnowski: Wir boten den Kollegen von Harbour Front an, mit uns gemeinsam das Feld zu beackern, durchaus nicht nur in diesem Jahr. Im Anschluss an ein Treffen hieß es jedoch relativ brüsk und abschließend, man habe keine Zeit und kein Interesse, arbeite mit voller Kraft an der eigenen Neuaufstellung 2025.

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Wie haben Sie aus Köln das Harbour Front Festival bisher wahrgenommen?

Eva Schuderer: Das Harbour Front Festival ist thematisch unserem nicht unähnlich, weil zum Beispiel im Vergleich zum Internationalen Literaturfestival Berlin ausländische Autorinnen und Autoren zwar eingeladen werden, aber nicht die Essenz des Festivals sind. Man wollte wie wir ein populäres Publikumsprogramm bieten. Berührungspunkte gab es anders als mit anderen Festivals kaum. Harbour Front fand im Herbst statt, wir im Frühjahr, da mussten nie Absprachen getroffen werden, wer wen einlädt.

Osnowski: Ich erinnere mich, dass bei der Festivalgründung in Hamburg vor vielen Jahren davon gesprochen wurde, das Konzept der Lit.Cologne kopieren zu wollen. Das ehrte uns natürlich, auch später, als wir regelmäßig wahrnahmen, dass sich die Hamburger von unserem Programm inspirieren ließen.

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Schuderer: Mir gefällt, dass Harbour Front zuletzt verstärkt auf Kombinationen wie die zwischen Literatur und Musik gesetzt hat. Wir haben auch früh versucht, interdisziplinär zu denken.

Osnowski: Einer der Hauptbotschafter unseres Festivals in Köln war immer der gebürtige Rheinländer und Wahlhamburger Roger Willemsen. Er sagte damals vehement, dass Hamburg sein Geld nicht in ein Literaturfestival, sondern lieber in die Musik stecken solle. Weil es mit der Lit.Cologne schon ein deutschlandweit einmaliges Festival gebe, wenn auch nicht in Hamburg. Aber um zum Eigentlichen zu kommen: Wir sind jetzt erst mal kurzfristig von der Motivation getrieben, den Menschen in einer noch größeren Stadt als Köln eine tolle Gelegenheit zu geben, erstklassige Literatur zu erleben.    

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Wie war die Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde?

Osnowski: Wenn wir solch eine Kulturbehörde in Köln hätten, würden wir jubilieren. Der Hamburger Kultursenator ist ein zugewandter, intelligenter Mann, der die Lit.Cologne gut kennt…

Carsten Brosda stammt aus Gelsenkirchen, da ist Köln nicht weit …

Osnowski: … und dennoch hat er den Weg nach Hamburg gewählt. Umso mehr freuen wir uns, jetzt mit ihm zusammenarbeiten zu können.

Lit  RUHR 2022
Eva Schuderer ist Programmmacherin bei der Lit.Cologne. © Kai Schulz | Kai Schulz

Welches Kölner Erfolgsrezept wollen Sie nach Hamburg transportieren?

Schuderer: An Hamburg hatten wir tatsächlich bislang nie gedacht, obwohl wir auch Erfahrung darin haben, in der Nicht-Kernzeit der Lit.Cologne andere Orte wie etwa das Ruhrgebiet zu bespielen. Was wir mitbringen wollen an die Elbe, sind die niedrigschwelligen Angebote. Unser Programm auch in Hamburg jetzt ist eben längst nicht nur intellektuell unterfüttert. Wir haben große Namen, die viele kennen, aber auch welche, bei denen es sich lohnt, sie überhaupt erst kennenzulernen. Wie bei der Lit.Cologne sehr erfolgreich, bieten wir auch mit der Elb.lit Themenabende, eine Mischung von literarischen Neu- und Wiederentdeckungen, außerdem großartige Moderatorinnen und Moderatoren.

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Sie setzen auf populäre Autoren und reizvolle Events für ein großes Publikum. Wird es auch dezidiert literarische Veranstaltungen geben, in kleinerem Rahmen?

Schuderer: Das wird es. Am 4. November etwa trifft Katja Lange-Müller mit ihrem neuen Roman „Unser Ole“ in der Fabrik auf Anna Brüggemann und deren neuen Roman „Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen“. In beiden Büchern geht es um Mutterfiguren. Der Schauspieler Jörg Hartmann wird am 21. September seinen Bestseller „Der Lärm des Lebens“ im Kleinen Saal der Elbphilharmonie vorstellen. Es wird noch mehr tolle neue literarische Stimmen und überraschende Begegnungen geben. Darüber hinaus wollen wir, jenseits des Belletristischen, auch den gesellschaftlichen Diskurs abbilden. Am 21. Oktober etwa trifft die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels Aleida Assmann im Nachtasyl auf Ronja von Wurmb-Seibel. Beide halten den aktuellen Tendenzen gesellschaftlicher Spaltung Theorien und Ideen von gelebtem Zusammenhalt entgegen.

Schauspieler und Autor liest in Witten
Neu-Autor Jörg Hartmann kommt im September in die Elbphilharmonie. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Was sagen Sie zur Kritik von Literaturhaus und Hamburger Buchhandlungen, die ungern wahrnahmen, dass Subventionen der Stadt an die Kölner Unternehmung Elb.lit gehen? Manch einer hätte es lieber gesehen, dass auch größere Lesungen in diesem Herbst von Hamburgern veranstaltet werden.

Osnowski: Die Unterstützung fließt in das literarische Angebot für die Bürgerinnen und Bürger! Viele hier in Hamburg empfangen uns dafür mit offenen Armen, das ist unser klares Gefühl. Es wird viel Hamburg in diesem Festival stecken, auch, was die Organisation angeht. Unsere Zusammenarbeit etwa mit der Buchhandlung Heymann stößt auf große Gegenliebe. Sollte jemand denken, dass das zur Verfügung gestellte Geld – ohne dieses geht es sicher nicht ganz – allein ausreicht, um ein Festival zu machen, kann ich dem nur sagen: von wegen. Man kann gerade in kurzer Zeit nur dann etwas wie die Elb.lit auf die Beine stellen, wenn man weiß, wie es geht.

Schuderer: Wir wollen das literarische Programm in Hamburg im Herbst einfach ergänzen und niemandem etwas wegnehmen. An einen Debütpreis haben wir auch gedacht oder an einen Auftritt von Elke Heidenreich. Das macht jetzt beides das Herbstlese-Festival in Blankenese. Da sagen wir: Gut so. Das Literaturhaus Hamburg macht traditionell ein tolles Programm. Und das auch im Herbst, Rachel Cusk etwa wird sicher großartig. 

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Sie sprechen von einer „Premiere“ in Bezug auf Elb.lit. Es sind also weitere Ausgaben denkbar, auch ohne Hamburgs finanzielle Unterstützung?

Osnowski: Wir kommen mit allem Respekt nach Hamburg als Festivalmacher von außen. Wir schauen jetzt erst einmal, wie die Elb.lit angenommen wird. Sollten danach alle denken, dass es ohne uns besser geht, lassen wir es künftig lieber sein (lacht). Das glaube ich aber nicht. Uns geht es um die Sache. Wir wollen ein schönes Festival machen. Danach liegen dann alle Optionen auf dem Tisch.

Würden Sie in Konkurrenz zu einem zurückkehrenden Harbour Front Festival treten?

Schuderer: Nein, schon deswegen nicht, weil wir nicht auch noch in den Herbst gingen.

Osnowski: Das wäre Kannibalismus und würde der Literatur in Hamburg nicht guttun. Warten wir also einfach einmal ab.

Waren Sie eigentlich enttäuscht, als Sie feststellten, dass es in Hamburg eine etablierte Veranstaltung namens Ham.lit gibt?

Osnowski: Überhaupt nicht, wie gesagt: Wir wollen das Angebot erweitern. Die Ham.lit ist alteingesessen. Wir haben mit deren Machern auch mal kurz gesprochen und eine zu große Namensähnlichkeit vermieden. So ist es nun Elb.lit geworden. 

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