Hamburg. Was der designierte Staatsopern-Intendant und Regisseur in seiner Amtszeit ab 2025 plant. Besonderes hat er mit dem Ballett vor.

Mit keinem Erdbeben beginnen und sich langsam steigern, nach dieser Regel startete Tobias Kratzer in eine Talkrunde, die ihn als designierten Staatsopern-Intendant entschlüsseln und seine Absichten für die 2025 beginnende Amtszeit erhellen sollte. „Spoiler-Alarm: Natürlich werde ich die Eröffnungspremiere nicht verraten“, sagte der Regisseur, den die Claussen-Simon-Stiftung zu ihrer Gesprächsreihe in den Mendelssohn-Saal der Hochschule für Musik und Theater geladen hatte.

Wie kommt die Staatsoper aus dem Schatten der Elbphilharmonie?

Die einleitende Fragestellung – wozu brauche man im Zeitalter der Digitalisierung noch die analoge Kunstform Oper? – räumte Kratzer schnell ab, indem er entspannt gestand, als Mann fürs Leibhaftige im Theater noch keine einzige Opern-Gesamtaufzeichnung komplett angesehen zu haben. Danach ging es, befragt von Stiftungsvorständin Regina Back und Louise Natorp vom Freundeskreis des NDR-Orchesters, ins Abklopfen seiner Beobachtungen als Noch-nicht-Chef an der Dammtorstraßen und zu den daraus entstandenen Verbesserungs- und Veränderungsplänen.

Er und sein mitdesignierter Co-Chef, der israelische Dirigent Omer Meir Wellber, werden auch „Formate haben, die keine klassische Oper sind“, orakelte Kratzer. Schwer beeindruckt, klar, sei er von der langen, bedeutenden Uraufführungs-Tradition des Hauses, von Henzes „Prinz Homburg“ über Kagel oder Rihm bis zu Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Der ersten absehbaren Fangfrage, wie er mit der Staatsoper aus dem Image-Schatten der Elbphilharmonie herauskommen wolle, entgegnete Kratzer: „Ganz simpel: mit gutem Programm.“ Auf die zweite, aus dem Publikum, ob er denn genügend Geld für seine sicher ambitionierten Pläne als Hausherr habe, antwortete Kratzer ähnlich salomonisch: „Ich mache das Programm, für das ich das Geld habe.“

Wird Tobias Kratzer auch auf Kooperationen mit anderen Häusern setzen?

Ob er bei seinem Einstand als der Neue in der Stadt auch auf Kooperationen mit anderen Häusern und Adressen setzen wird? Im ersten Jahr noch nicht so sehr, aber „das werden wir erweitern“. Die Opera stabile, lange nur eine Art Bühnen-Blinddarm für Nebenschauplätze, soll schon in Kratzers erster Saison eine konzeptionelle Aufwertung erfahren, um den Prestige-Abstand zur Hauptbühne im Großen Haus zu verringern.

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Auch intern soll mit dem Neumeier-Nachfolger Demis Volpi, der bereits 2024 sein Amt antritt, eine atmosphärisch neue Zeit beginnen. „Das Ballett hat sich über 50 Jahre sehr abgeschottet, auch innerhalb des Hauses“, meinte Kratzer. Und kündigte als eine Korrekturmaßnahme an, in seiner zweiten Saison ein Stück nach Hamburg zu bringen, für das er bereits andernorts mit dem Choreographen Volpi zusammengearbeitet hatte – also wohl Rossinis „Guillaume Tell“, 2019 für Lyon konzipiert.

Wie es zum neuen Staatsopern-Duo Kratzer/Wellber kam

Im Oktober 2024 startet Kratzer, dessen von allen bejubelter Bayreuther „Tannhäuser“ in diesem Sommer letztmals gezeigt wird, an der Münchner Staatsoper in einen „Ring“-Marathon, für Hamburg sei zumindest in den ersten drei Jahren in dieser Hinsicht nichts geplant.

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Bleiben noch die Personalien: Dass Bettina Giese aus Brüssel als neue Operndirektorin nach Hamburg wechseln wird, war längst bekannt. Neu aber war, wie es hinter den Kulissen zum Duo Wellber/Kratzer kam: Er habe eine kurze Liste mit Generalmusikdirektor-Favoriten gehabt, ebenso die Philharmoniker. Die eine Übereinstimmung sei Omer Meir Wellber gewesen. Zu ihm sei er dann zu Gesprächen nach Palermo geflogen.