Hamburg. Neue Kunst in Hamburgs Museum: Die außergewöhnliche Installation des Afrikaners Georges Adéagbo besteht aus 192 Objekten. Spannend!

Eine lebensgroße Schaufensterpuppe mit wasserstoffblonden Haaren in einem giftgrünen engen Satinkleid ist das Erste, was das Publikum wahrnimmt beim Betreten des Harzen-Kabinetts in der Hamburger Kunsthalle. Angezogen und abgestoßen zugleich, fragt man sich, was dieses künstliche Subjekt in einer Ausstellung des preisgekrönten afrikanischen Künstlers Georges Adéagbo (er lebt abwechselnd in Benin und Hamburg) zu suchen hat. Vor ihren Füßen in Goldsandalen liegt das Buch „Africa. Altered states, ordinary miracles“ des britischen Journalisten und Afrika-Experten Richard Dowden.

An den umgebenden Wänden sind Zeitungsseiten zur Rückgabe der Benin-Bronzen, Einladungen zu aktuellen Ausstellungen, Film- und Plattencover locker drapiert; auf dem Boden steht eine afrikanische Statue neben einer Künstlermappe über Menzel, dem Buch „Kaiser Wilhelm II. und die Marine“ und einem historischen Hamburg-Reiseführer. Je mehr man sich mit den einzelnen Objekten beschäftigt, umso mehr beginnt das Gehirn, Bezüge zwischen ihnen herzustellen. „Die Gedankenwelt in Bewegung bringen“, so Kuratorin Brigitte Kölle, das sei die Intention einer außergewöhnlichen Installation, die Adéagbo eigens für das Museum entwickelt hat.

Installationsansicht des Werkes „L’œuvre d’art d’Aby Warburg et les œuvres d’art des artistes“...! von Georges Adéagbo im Harzen-Kabinett.
Installationsansicht des Werkes „L’œuvre d’art d’Aby Warburg et les œuvres d’art des artistes“...! von Georges Adéagbo im Harzen-Kabinett. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Hamburger Kunsthalle, Foto: Stephan Köhler | VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Hamburger Kunsthalle, Foto: Stephan Köhler

Kunsthalle und Hamburger Abendblatt werden zum Kunstwerk

Der Künstler wurde 1942 in Cotonou (Benin) geboren und arbeitet an Ausstellungsorten auf der ganzen Welt. Er ist documenta- und Biennalen-Teilnehmer (unter anderem Venedig, São Paulo, Dakar) und Träger des Finkenwerder Kunstpreis; zu seinem 80. Geburtstag widmete ihm das Ernst Barlach Haus eine große Einzelschau. In „L’œuvre d‘Aby Warburg et les œuvres d‘art des artistes“...! („Die Kunst von Aby Warburg und die Kunst der Künstlerinnen und Künstler...!“) verbindet Adéagbo seine beiden Lebenswelten miteinander und verneigt sich vor dem bedeutenden Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler, der in seinem Mnemosyne-Atlas ähnlich arbeitete wie jetzt der Künstler mit seiner Assemblage.

Der Künstler Georges Adéagbo in seiner Ausstellung im Harzen-Kabinett der Kunsthalle
Der Künstler Georges Adéagbo in seiner Ausstellung im Harzen-Kabinett der Kunsthalle © Olaf Pascheit, Hamburg | Olaf Pascheit

Es geht um Perspektiven: die des Westens auf den afrikanischen Kontinent, aber auch in die andere Richtung. Was verbinden Fremde mit Hamburg? Die „geile Meile“ Reeperbahn (Schaufensterpuppe), die Elbe (zahlreiche Bildbände), Möwen (Stofftier) und natürlich oder hoffentlich auch – die Kunsthalle. Um sie in sein Werk zu integrieren, ließ Adéagbo Porträts der ehemaligen Direktoren Werner Hofmann und Uwe M. Schneede von dem befreundeten Beniner Künstler Benoît Adanoumé malen.

Vorbereitung der Ausstellung von Georges Adéagbo in Benin: Dort hat der mit dem Künstler befreundete Maler Benoît Adanoumé die Porträts der Kunsthallen-Direktoren Werner Hofmann und Uwe M. Schneede sowie das Bild von Aby Warburg angefertigt.
Vorbereitung der Ausstellung von Georges Adéagbo in Benin: Dort hat der mit dem Künstler befreundete Maler Benoît Adanoumé die Porträts der Kunsthallen-Direktoren Werner Hofmann und Uwe M. Schneede sowie das Bild von Aby Warburg angefertigt. © Stephan Köhler | Stephan Köhler

Wie wird die kleinteilige Installation künftig aufbewahrt und ausgestellt?

Und auch das Hamburger Abendblatt wurde im Kunstwerk verewigt: mit einer Mai-Ausgabe, die mit dem Appell der Sozialbehörde titelt, die Hamburgerinnen und Hamburger mögen Mücken fangen, um die Ausbreitung der „asiatischen Tigermücke“ zu kontrollieren. „Wir fanden es kurios, dass Mückenfänger gesucht werden“, erklärt Stephan Köhler, der eng mit dem Künstler zusammenarbeitet. „Dies wiederum haben wir in Bezug gesetzt zur Angst vieler im Westen lebender Menschen vor der Malaria-Mücke in den Tropen.“ Und so liegt auf einem großen Teppich neben der Zeitung und einem Bildband über die Elbe auch das Buch „Die Tropen. Ansichten von der Mitte der Weltkugel“.

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Die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen (SHK) hat die aus 192 Objekten bestehende Installation für die Kunsthalle erworben. Für die Kuratorin wird es eine Herausforderung sein, wie das Werk des Künstlers aufbewahrt und ausgestellt werden wird. „Vermutlich werden wir auch künftig Teile davon im Zusammenspiel mit anderen Werken zeigen“, so Brigitte Kölle. In Gänze ist das besondere Werk noch bis zum 29. September zu erleben.

„L’œuvre d‘Aby Warburg et les œuvres d‘art des artistes“ ...! bis 29.9., Harzen-Kabinett der Kunsthalle (U/S Hauptbahnhof), Glockengießerwall 5, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00–21.00, Eintritt 16,-/8,- (erm.); www.hamburger-kunsthalle.de