Hamburg. Ausstellung „Water Pressure“ ist Mahnung und Mutmacher, selbst aktiv zu werden, denn die aktuellen Krisen sind menschengemacht.
Wasser ist Leben. Ein erwachsener Mensch besteht bis zu 65 Prozent daraus. In Hamburg verbrauchten die Menschen 2022 im Schnitt 111 Liter Wasser pro Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, täglich zwei bis drei Liter Flüssigkeit aufzunehmen. Wir werden mit Weihwasser getauft, gießen unsere Balkonpflanzen und erfreuen uns daran, im Sommer gehen wir baden. In Deutschland kann man das Wasser direkt aus dem Hahn trinken.
Kein Wasser bedeutet kein Leben. Oder zumindest ein sehr viel schlechteres. Heute leiden rund 40 Prozent der Weltbevölkerung an Wasserknappheit. 2022 erlebte Europa die schlimmste Dürre seit 500 Jahren. 72 Prozent des weltweiten Süßwasserverbrauchs wird in der Landwirtschaft für die Nahrungsmittelproduktion verbraucht. 90 Prozent der Katastrophen haben mit Wasser zu tun. Und mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel wird sich die Situation sogar noch verschärfen.
So niederschmetternd das ist, umso positiver überrascht ist man von der Ausstellung „Water Pressure. Gestaltung für die Zukunft“ im Museum für Kunst und Gewerbe: 75 Projekte zeigen, wie ernst das Thema ist, aber auch, wie bunt, clever und kreativ Menschen auf der ganzen Welt damit umgehen. „Sie ist keine Ausstellung der Dystopie, sondern will für die Wertigkeit der Ressource Wasser sensibilisieren“, sagt Direktorin Tulga Beyerle und verweist darauf, dass ihr Haus seit Langem auf Nachhaltigkeit setzt, von Projekten wie „Endstation Meer“, „Fast Fashion“ bis zu „Social Design“. Nach der aufrüttelnden Ausstellung „Wasser Botschaften“ im MARKK verdeutlicht nun „Water Pressure“ einmal mehr die Dringlichkeit.
Museum für Kunst und Gewerbe: 75 Ideen für besseres Wasser
„Wir teilen dieselben Probleme“, sagt die Londoner Kuratorin Jane Withers, die die Ausstellung mit Erika Pinner, Leiterin der Sammlung Kunstgewerbe und Design am MK&G, entwickelt hat. „Die Ausstellung kommt zu einer interessanten Zeit: Wir fürchten uns vor globalen Krisen und sind zur selben Zeit dafür verantwortlich. Wir spülen unsere Toiletten mit Trinkwasser, fangen noch kaum Regenwasser auf. Die Krisen sind menschengemacht. Und können auch von Menschen gelöst werden“, formuliert sie die Botschaft und verweist auf das erste Kapitel, eine Zeitleiste, die zeigt, dass Menschen sich schon immer mit der Ressource auseinandergesetzt haben, von der Antike über die Industrialisierung bis in die Gegenwart.
Eine Collage von „Wassergeschichten“ mit verschiedenen Objekten aus der Sammlung des MK&G sowie Leihgaben zeigt aber auch, wie eng verbunden viele Völker mit Wasser waren oder sind: kostbare Tonkrüge etwa, um die Flüssigkeit zu transportieren („far away from our plastic today!“, so Withers) oder auch Hokusais weltberühmte japanische Druckgrafik „Die große Welle vor Karawaga“, die den Respekt vor Wasser ausdrückt. Wann haben wir aufgehört, Achtung vor dieser lebenswichtigen Ressource zu verlieren, zu erwarten, dass sie selbstverständlich immer zur Verfügung steht, egal, wie wir unsere Umwelt behandeln?
Lernen von indigenen Völkern für den Einklang mit der Natur
Das Resultat: durstige Städte. In den vergangenen zehn Jahren steuerten mehrere Metropolen auf den Tag null zu, dann, wenn die Wasserhähne versiegen. Bekanntestes Beispiel war Kapstadt 2017/18. Ein großer Bereich der Ausstellung widmet sich ausgewählten Städten in verschiedenen Klimazonen und beleuchtet deren Wassermanagement sowie innovative Strategien, zum Beispiel die Wiederbelebung alter Wassersysteme im indischen Chennai („City of 1000 Tanks“, OOZE Architects) und die schwimmende Architektur von NLÉ in Lagos, Nigeria, wo unter anderem eine Schule auf Wasser gebaut wurde.
Das Kapitel „Ökosysteme: Land und Meer“ macht den Einfluss des Menschen auf die natürlichen Wasserkreisläufe und deren Folgen sichtbar. Um diese abzuschwächen und den natürlichen Rhythmus wiederherzustellen, entwickeln Experten aus Wissenschaft und Design Ansätze im Einklang mit der Natur und lernen von indigenen Völkern. „Eden in Iraq“ ist ein Garten, der als Pflanzenkläranlage die Abwässer einer Gemeinde im Schwemmland des Euphrat reinigt. Die NGO Sungai Watch entwickelt nicht nur einfache und kostengünstige Müllsperren in Flüssen auf Bali und Java, sondern bietet auch Sammel-, Sortier- und Recyclingsysteme an.
Das Museum selbst wird zum Pilotprojekt für Wasseraufbereitung
Doch geht der Blick nicht nur in die Ferne: Auch Hamburg ist mit zwei Projekten vertreten. Im Rahmen von Deutschlands erster Nationaler Wasserstrategie von 2023 hat Hamburg Wasser das Pilotprojekt „Hamburg Water Cycle“ vor Kurzem im neuen Wohnviertel Jenfelder Au umgesetzt. Es zeigt, wie Lebensumgebungen so angepasst werden können, dass Wasser in einem städtischen Kreislaufmodell lokal gesammelt und recycelt wird. Dazu werden künftig die Abwasserströme Regenwasser, Grauwasser (aus Bad und Küche) und Schwarzwasser (Toilette) nach ihren Eigenschaften getrennt abgeleitet, um sie ökologisch und effizient zu verwerten.
Und auch das Museum selbst wird in der Ausstellung zum Pilotprojekt. Das niederländische Büro OOZE hat sich mit den Herausforderungen im Umgang mit Wasser für das MK&G-Gebäude und die Stadt Hamburg befasst. Dabei wird erforscht, wie sich das Haus verändern könnte, um selbst Wasser aufzubereiten, und wie ein ökologisches Modell aussehen könnte, das Hamburg mit neuen Infrastrukturen zu einer klimaresistenten Stadt macht. Am 9. April wird die begehbare Installation „Vital Rain“ des österreichischen Design-Duos mischer‘traxler den Innenhof des Museums in eine Oase verwandeln.
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Und damit die Furcht vor dem Hyperobjekt Klimawandel nicht übermächtig wird, hilft nur eins: Selbst aktiv werden. Auch dazu will die Ausstellung motivieren und hat – neben einem umfangreichen Rahmenprogramm – einen Reflexions- und Aktivierungsort in der Ausstellung geschaffen. Hier können Besucherinnen und Besucher Anregungen in Büchern finden, sich weiter mit dem Thema Wasser auseinandersetzen, an einer Umfrage teilnehmen und sich über lokale Freiwilligenangebote und globale Initiativen informieren. Motto: Sei Teil des Wandels!
„Water Pressure. Gestaltung für die Zukunft“15.3.–13.10., Museum für Kunst und Gewerbe (U/S Hauptbahnhof), Steintorplatz, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00–21.00, Eintritt 14,-/8,- (erm.); mkg-hamburg.de