Hamburg. Weil die Laeiszhalle für Umbauten geschlossen wird, bespielt das Martha Argerich Festival im Juni andere und ungewöhnlichere Locations.
Jahrzehntelang hat die legendäre Pianistin Martha Argerich überirdisch schön gespielt und wird es sicher auch weiter so halten wollen. Am 29. Juni aber, dem zehnten Abend ihres sechsten Festivals in Hamburg, ihrer inzwischen bewährten Zusammenarbeit mit den Symphonikern und deren Intendant Daniel Kühnel, wird sie ein garantiert unterirdisches Konzert geben. Im Mojo Club, einige Meter unterhalb der Reeperbahn, gemeinsam mit dem Cellisten Mischa Maisky und dessen Tochter, der Pianistin Lily Maisky, horizonterweitert wird das Line-up durch die Weltmusik der Freistil-Band „Geza & The 5 DeViLs“.
Bislang war die altehrwürdige und von ihr innig gemochte Laeiszhalle die zentrale Spielstätte und der wichtigste Begegnungspunkt für Argerich, ihr vielen Freunde, Verwandte und Gleichgesinnte, um jeden Juni wieder mehr als eine Woche lang musikalisch zu tun und zu lassen, wonach ihnen ist. Auf der Gästeliste für den 20. bis 30. Juni 2024 stehen Namen wie Janine Jansen und Gil Shaham, die Gebrüder David und Edgar Moreau, die letzte Boy-Gobert-Preisträgerin Pauline Rénevier oder der letzte Tate-Preisträger João Barradas, ein Akkordeonist.
Doch in diesem Jahr machen die viermonatigen Renovierungsarbeiten in dem Konzerthaus einen Strich durch die Festival-Rechnung. Aus dieser Not heraus wurde ein Konzert-Sortiment programmiert, das wie ein kleiner Wanderzirkus kreuz und quer durch die Stadt ziehen wird. Und weil das so ist, dürfte Kunsthallen-Direktor Alexander Klar in nächster Zeit öfter und womöglich weniger entspannt zum Privatcello greifen als normal: Er ist im Streichsextett aus Strauss‘ Oper „Capriccio“ einer der Mitspieler, wenn Argerich & Co. am 23. Juni im Werner-Otto-Saal auftauchen. Für weitere Klassiker wie Beethoven oder Schubert, aber auch für eine bewusst hochaktuelle Podiumsdiskussion über die gegenwärtigen Standpunkt-Notwendigkeiten von Kunst und Künstlern.
Argerich Festival: Im Gruenspan statt in der Laeiszhalle
Überhaupt, die Formate. In der Kampnagel-Halle K2 beginnt das Festival mit einem dreigeteilten Abend – mit Literatur, mit Shakespeare-Portionen als Intermezzi zwischen den Stücken, mit einem ersten Panel über „Das jüdische Volk, die Freiheit und den Kulturbetrieb“. Danach geht es mit Flamenco und Klassikern wie Schostakowitsch, Beethoven und Schumann an die Große Freiheit, ins Gruenspan. Nächster Argerich-Stopp ist das Schauspielhaus, für eine Kombination aus Shakespeare-Sonetten, Chopin, Ravel, Debussy und Jazz, Rufus Wainwright-Songs und Liszt, unter anderem mit dem Schauspieler Axel Scheer als Spezialgast.
Allerspeziellster Gast der Herzen wäre garantiert Argerichs lebenslanger Freund Daniel Barenboim; ließe seine Gesundheit es zu und würde er mögen, wäre für ihn natürlich ein Platz im Festival-Kalender frei, betonte Argerich bei der Programmpräsentation. Und noch etwas betonte sie bei dieser Gelegenheit: Weil erst vor wenigen Tagen die Pariser Philharmonie sich bei ihr gemeldet hatte und sie doch gern für ein viertägiges Festival à la Hamburg gewinnen wollte, aber, mais non ..., ihre Reaktion darauf sei eindeutig gewesen. Wenn so ein Festival, dann hier, alles andere würde „den Geschmack verändern“, und wer – außer Paris – kann so etwas schon wollen.
Der Innenhof des Museums für Hamburgische Geschichte wird von Argerich und der Familie ihrer Freundin und Kollegin Lilya Zilberstein beschallt, in der Hochschule für Bildende Künste widmet sich Argerich der Wiederbegutachtung von Schumanns „Dichterliebe“-Zyklus. Und auch der Spiegelsaal im Museum für Kunst und Gewerbe wird in den Spielplan eingemeindet, mit vor allem französischen Romantikern.
Kein Festival in dieser Stadt ohne Elbphilharmonie-Termine, also gleich drei Abende, beginnend mit einem „Concertante!“-Programm, das Beethovens Tripelkonzert mit instrumentalen Bravour-Stücken von Haydn und Mozart kombiniert. Beim „Tanz der Tasten“ wird sich der erste Empfänger des Martha Argerich Steinway-Preises im Kleinen Saal präsentieren, drum herum gibt es Berg und Beethoven.
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Für das Hauptprogramm-Finale im Großen Saal soll es das Symphoniker-Tutti sein, mitsamt Chefdirigent Sylvain Cambreling, Beethovens Erster, Schostakowitschs 1. Klavierkonzert und einer Version von Saint-Saens‘ „Karneval der Tiere“, für den eigens eine neue Textfassung erstellt wurde. Auch zum Abschluss also noch eine Premiere. Als kleinere Ableger für Laufpublikum sind tägliche Lunchkonzerte im Deutschlandhaus am Gänsemarkt geplant, Fachpublikum kann sich bei einer Masterclass mit dem Pianisten Stephen Kovachevich mitbelehren lassen.
Infos: www.symphonikerhamburg. de. Der Vorverkauf beginnt am 25.4., 16 Uhr.