Hamburg. „Sieben Tage einer Ehe“ handelt von enttäuschtem Kinderwunsch und Neuanfängen. Guter Roman zum Weltfrauentag für Frauen – und Männer.
Der Eheroman in der Variation des Ehebruchsromans ist eine geradezu klassisch zu nennende Kategorie in der Literatur. Seit „Madame Bovary“, natürlich. Unglückliche, in Konventionen gefangene Frauen, deren Bedürfnisse unterdrückt werden, es müssen nicht notwendigerweise sexuelle sein.
Aber Sex ist trotzdem immer mindestens das Vehikel für den Ausbruch. Zum Beispiel bei Jess Gephardt, die in Mary Beth Keanes neuem, verräterischem Roman „Sieben Tage einer Ehe“ mit ihrem Mann in einer Provinzstadt lebt und mit Ende 30 wie aus dem Nichts heraus Malcolm im gemeinsamen Haus allein zurücklässt. Sie müsse nachdenken, teilt sie ihm mit.
Neues Buch von Mary Beth Keane über die Ehe: Es hilft nur noch eine Affäre
Dabei hat sie, als es zur räumlichen Trennung kommt, schon einen anderen. Der Weg zu diesem Ehebruch und der Weg aus diesem Ehebruch ist das Thema des Romans. Es ist derselbe Weg, weil er in beiden Phasen aus dem besteht, was alle Liebesbeziehungen ausmacht: aus Nähe, Distanz, der Sehnsucht nach verlässlicher Zweisamkeit und dem gleichzeitigen Wunsch nach Freiheit von allen partnerschaftlichen Verpflichtungen.
Verräterisch ist „Sieben Tage einer Ehe“, weil die Handlung von allgemeiner Gültigkeit ist und unser aller wunden Punkte zeigt: Man kann wohl sagen, dass der Roman eine alltägliche Geschichte erzählt vor dem altbekannten Hintergrund, was es überhaupt heißt, Mensch zu sein.
Autorin Mary Beth Keane: Personal ist auf charakterliche Unterschiede angelegt
Was die Anwältin Jess und der Barbesitzer Malcolm erleben, ist dabei aber nicht in jederlei Hinsicht alltäglich und wird von der 1979 in der New Yorker Bronx geborenen Autorin Mary Beth Keane („Wenn du mich heute wieder fragen würdest“) auf geschickte Weise in Szene gesetzt. Ihr Personal ist auf die charakterlichen Unterschiede hin angelegt, und die Schicksalhaftigkeit der Ereignisse ist gewaltig. Jess leidet unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch. Viele Jahre jagte sie diesem mit langwieriger und teurer ärztlicher Behandlung hinterher. Malcolm verabschiedete sich früher als sie von dem Gedanken an Kinder und widmete sich dem Traum einer eigenen Bar.
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Sie heißt „The Half Moon“ (wie auch der Roman in seiner Originalausgabe) und spielt im Hauptteil des Romans eine große Rolle. Da hat Malcolm endlich kapiert, dass Jess ihn tatsächlich verlassen hat und bei einem anderen lebt. Schneestürme suchen Gillam heim, die Stadt, aus der er nie herausgekommen ist und in der er nun allein in einer leeren, finanziell gefährlich defizitären Bar ohne Strom gelandet ist. Festgefroren, festgefahren war seine Ehe schon, bevor Jess ging. Er hat es nur nicht bemerkt. In Zeitsprüngen und dem steten Perspektivwechsel zwischen den beiden Ehe-Tragöden berichtet Keane von der Zwangsläufigkeit der Vorgänge.
Neues Buch „Sieben Tage einer Ehe“: Was Beziehungen im Innersten zusammenhält
Dabei flicht sie einen Spannungsplot um einen verschwundenen Stammgast der Bar und einen mit mafiösen Mitteln agierenden Vorbesitzer des „Half Moons“ in den Roman, wo doch tatsächlich der wahre Thrill im Zwischenmenschlichen liegt. Wie Keane die Psychologie ihrer Protagonisten in Dialoge und Handlungen gießt, offenbart ein tiefes Wissen um das, was Beziehungen im Innersten zusammenhält und auseinanderbringt.
Ein Vertrauensbruch Malcolms und seine Blindheit für die Verletzungen, die seine Frau von den gescheiterten Fortpflanzungsversuchen davongetragen hat, machen auch ihn zu einem nicht unkomplexen Charakter. Warum merkt er, die gut aussehende Barkeeper-Legende der Stadt, nicht, wie sich seine Frau von ihm entfernt? Aber interessanter – nicht zuletzt, weil sie diejenige ist, die in moralischer Hinsicht deutlich schlechter dasteht – und vielschichtiger ist Jess. Für sie, die eine erstklassige Juristin ist und die Welt hätte erobern können, ist die Bescheidung auf den Ort ihrer Herkunft eine komplett andere Sache als für Malcolm.
Und so ist „Sieben Tage einer Ehe“ auch ein Roman über das mittlere Alter; ein Genre, das zuletzt noch öfter bedient wurde als das des Eheromans. Als sie den Traum von einer Familie begraben muss, als sich die Wechseljahre ankündigen, stellt Jess fest, wie sie sich zunächst ungewollt anderen Männern gegenüber öffnet. Dann, wie sie sich zu Neil, dem alleinerziehenden Vater dreier Kinder, hingezogen fühlt. Die langsame Anbahnung der Affäre schildert Keane präzise und mit einem Blick für intime, emotionale Details.
Roman „Sieben Tage einer Ehe“: Der Blick, nach dem klar ist, dass etwas laufen wird
Es gab über viele Monate hinweg Textnachrichten, eine gewisse Offenheit, Interesse trotz des Wissens darum, dass Jess verheiratet ist (der in seinen eigenen Problemen und auch einer bestimmten Form von Selbstüberzeugtheit gefangene Malcolm ahnt gar nichts). Aber es ist der eine Moment, in dem sich die Blicke von Jess und Neil treffen, als sie mit einem Male genau wissen: Zwischen uns wird jetzt etwas laufen. Beschreibungen wie diese sind es, die dafür sorgen, dass man von diesem Roman stellenweise absorbiert wird. Keane ist eine hervorragende Beobachterin zwischenmenschlicher Vorgänge. Als Lesender bringt man, vielleicht auch nur über Umwege, Sympathie für die Ehebrecherin auf – die Affäre als Ausweg aus einer tiefen persönlichen und partnerschaftlichen Krise. „Sieben Tage einer Ehe“ ist ein Roman über weibliches Begehren, mehr aber noch über Niederlagen, die nur eine Frau erleiden kann.
Der Spannungsbogen des ehelichen Fiaskos folgt der einzig logischen Dramaturgie. Malcolm und Jess müssen, nachdem sie gegangen ist und er erst nach Monaten erfährt, dass sie nicht nur „nachdenkt“, sondern auch mit jemand anderem schläft, sich wiedersehen. Mit allem, was an Herzeleid, Drama und neuen Horizonten zu solch einem Wiedersehen dazugehört. Mary Beth Keane gelingt es, auch das nächste Kapitel im Leben der Eheleute plausibel zu erzählen. Und man kann nicht anders, als das Ende dieses Romans mit tiefer Zufriedenheit zur Kenntnis zu nehmen.