Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Diese Woche: „Kreidefelsen auf Rügen“ von Caspar David Friedrich.

  • „Kreidefelsen auf Rügen“ zählt zu bekanntesten Werken Caspar David Friedrichs
  • Doch eine reale Landschaft zeigt das Bild nicht
  • Auch die dargestellten Personen geben Kunsthistorikern Rätsel auf

Hamburg. Mit einem seiner berühmtesten Gemälde, den „Kreidefelsen auf Rügen“, hat Caspar David Friedrich (1774–1840) nicht nur sehr viele Menschen glücklich gemacht. Der in Greifswald geborene Maler trieb damit auch diejenigen zur Verzweiflung, die die darin gezeigten Felsen in der realen Welt, also auf der pommerschen Ostsee-Insel, verorten wollten – und partout nicht finden konnten.

Caspar David Friedrich, „Kreidefelsen auf Rügen“, 1818, Öl auf Leinwand, 90 mal 70 Zentimeter, Kunst Museum Winterthur.
Caspar David Friedrich, „Kreidefelsen auf Rügen“, 1818, Öl auf Leinwand, 90 mal 70 Zentimeter, Kunst Museum Winterthur. © SIK-ISEA, Zürich / Philipp Hitz | SIK-ISEA, Zürich / Philipp Hitz

Wie auch? Friedrich zeichnete zwar das, was er sah, mit Bleistift en plein air und mit größter Präzision, setzte dann aber anschließend im Atelier Berge, Hügel, Bäume, Schiffe oder Anker nach Belieben zu eigenen Fantasielandschaften auf der Leinwand zusammen. Es ging ihm nicht um das Abbild der Wirklichkeit, sondern um die Schaffung einer besonderen Atmosphäre. Er habe Natur eingeatmet und Kunst ausgeatmet, lautet die schöne Beschreibung eines Zeitgenossen.

Kunsthalle Hamburg: Ein berühmtes Gemälde und ein schier unlösbares Rätsel

Das Ölgemälde, das auf das Entstehungsjahr 1818 datiert ist, ist eins der zentralen Werke in der Ausstellung „Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit“ in der Galerie der Gegenwart (läuft bis 1. April 2024) und eine Leihgabe des Kunst Museum Winterthur. Ein Tauschgeschäft mit dem „Wanderer über dem Nebelmeer“, der bis vor Kurzem in der Jubiläumsausstellung anlässlich Friedrichs 250. Geburtstags im kommenden Jahr in der Schweiz zu sehen war. In der Hamburger Schau teilen sich beide Hochkaräter nun einen Raum im retrospektiven Teil der Schau.

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Was Kunsthistorikerinnen und -historiker außerdem noch beschäftigt: Wer sind die drei dargestellten Personen? Aufzeichnungen dazu waren bisher nicht zu finden. Sind es der Maler selbst, seine Frau und sein Bruder oder sind es frei erfundene Figuren? Und was haben ihre verschiedenen Posen zu bedeuten?

Muss man alles verstehen, was man in einem Bild sieht?

Während der Herr rechts im Bild mit verschränkten Armen versonnen in die Weite und auf die pastellfarben schimmernde Ostsee blickt, hat sich die mittlere Figur bäuchlings bis an den Rand der Felsen gerobbt; Hut und Stock liegen auf der Erde. Deutet der Mann auf etwas im Abgrund, hat er gar etwas verloren? Die Frau im roten Kleid (wie unpraktisch bei einer Wanderung!) zeigt mit der rechten Hand in die ähnliche Richtung.

Typisch für Friedrich: Die Dargestellten zeigen uns ihren Rücken. Der Künstler, der lange Zeit seines Lebens mit seiner Familie in Dresden verbrachte und ein leidenschaftlicher Spaziergänger war, liebte es, die Natur in seinen Bildern einzufangen. Mit dem Malen von Menschen aber hatte er es nicht so. Ein geschickter Kniff also, diese immer wiederkehrende Rückenansicht, die sozusagen zu seinem Markenzeichen geworden ist.

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Und warum auch immer alles verstehen, was man sieht oder zu sehen glaubt? Die schönste Lektion, die uns Friedrich-Bilder lehren, ist, sich ihrer Stimmung hinzugeben und so der Schönheit der Natur ihren Tribut zu zollen. „Kreidefelsen auf Rügen“ sticht dabei besonders hervor, ist die Komposition des Bildes mit den zentral herausragenden Felsenspitzen, die den Blick auf sich ziehen, den drei gleichmäßig auf der Fläche verteilten Figuren und der Baumkrone, die alles umrahmt, absolut ausgewogen.