Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Gerard Houckgeest „Der Chor der Nieuwe Kerk in Delft ...“
Gerard Houckgeest (um 1600– 1661) malte mitten in das Goldene Zeitalter seines Heimatlandes hinein: Mitte des 17. Jahrhunderts erlebten die Niederlande eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte; das bescherte auch den Kreativen enormen Auftrieb: Mehr als 700 Künstler schufen jährlich sage und schreibe 70.000 Werke – beispiellos in der Kunstgeschichte. Houckgeest arbeitete in Den Haag und Delft und spezialisierte sich auf Architekturmalerei.
Das 1650 entstandene Ölgemälde „Der Chor der Nieuwe Kerk in Delft mit dem Grabmal Willems I. von Oranien“ (1650) ist Houckgeests früheste datierte Wiedergabe eines realen Kirchenraums; aus der Zeit davor sind nur fantastische Architekturräume in der Nachfolge des Malers Bartholomeus van Bassen, seines Lehrers, bekannt.
Das Bild wird zu den wichtigsten Werken des Künstlers geführt
Das Bild mit den Maßen 125,7 mal 89 Zentimeter, seit 1912 bei den Alten Meistern der Kunsthalle, bedeutet den Wendepunkt im Werk des Künstlers, einige Kritiker nennen es dessen wichtigstes Gemälde. Besonders ist dabei, dass „das Architekturbild nicht zentralperspektivisch, sondern als Übereckperspektive mit zwei seitlichen Fluchtpunkten konstruiert wird. Unmittelbarkeit, Schrägsicht und raffinierte Durchblicke anstelle eines klaren Raumüberblicks sind das Resultat“, schreibt Kunsthistorikerin Neele Struck.
Auffällig ist auch die prominente Darstellung der massiven Säulen: Einerseits strukturieren sie das Bild, andererseits lassen sie die dargestellten Menschen – eine stillende Frau, einen Jungen mit Hund, zwei Männer, die ein Grabrelief reinigen – wie Miniaturen wirken und verdecken etwa das Grabmal Willems von Oranje, des Führers im Unabhängigkeitskrieg gegen das katholische Spanien und somit ein Nationalheiligtum.
Bild hat auch eine politische Bedeutung
Vor dem Hintergrund des Todes Willems II., des Enkels Willems I., im November 1650 und der Abschaffung des Amtes des Statthalters der sieben nördlichen Provinzen hat die Darstellung des Grabmals vermutlich eine politische Bedeutung, es wird als Manifest für Oranien gedeutet.
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Im Unterschied zu einem Gemälde Van Bassens, das die Statue Willems I. frontal wiedergibt, ist auf „Der Chor der Nieuwe Kerk in Delft ...“ nur das Knie des Sitzenden zu sehen. „Im Zentrum steht dagegen die Personifikation der Goldenen Freiheit (Aurea Libertas), die neben der Gerechtigkeit, der Religion und der Stärke das Grabmal schmückt“, so Thomas Ketelsen in der Sammlung Online. Und weiter: „Eine allegorische Lesart wird auch durch die meisterhafte Lichtregie suggeriert: Helles Sonnenlicht fällt auf die bronzene Statue der Libertas am Grabmal und bringt das schlichte Innere des calvinistischen Gotteshauses zum Leuchten.“