Hamburg. Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ war in die Schweiz ausgeliehen. Bald ist es mit einem anderen großen Gemälde zu sehen.
Es war mucksmäuschenstill, als am Freitag um kurz nach 10 Uhr die erste Transportkiste hereingerollt und aufgeschraubt wurde. Und das nicht, weil Kamerateams und Radiosender anwesend waren, um das Ereignis zu dokumentieren. Die Spannung, gleich zwei der wichtigsten Gemälde der großen Caspar-David-Friedrich-Schau „Kunst für eine neue Zeit“ in diesem kleinen, dunkelgrau gestrichenen Raum in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle zu sehen, war hoch.
Vor allem aufseiten der Restauratorinnen. „Hat der Rahmen den Transport gut überstanden, wurden Malschichten beschädigt? Nach dem Auspacken muss das Bild Zentimeter für Zentimeter beleuchtet, vermessen und protokolliert werden“, erklärt Eva Keochakian, Restauratorin 19. Jahrhundert an der Hamburger Kunsthalle.
Caspar-David-Friedrich-Ausstellung: Hamburgs wichtigstes Gemälde zurück in der Kunsthalle
Und dann ein „Aaahhhh – fantastisch!“, als ihre Kollegen ganz behutsam das Gemälde „Kreidefelsen auf Rügen“ (1818) enthüllen. Eva Keochakian ist wirklich ergriffen. Sie hat es schon in der Ausstellung im Kunstmuseum Winterthur gesehen. Von dort kommt es nun als Leihgabe in die Hamburger Schau. Im Gegenzug war der „Wanderer über dem Nebelmeer“ (um 1807) in die Schweiz und zuvor nach Schweinfurt ausgeliehen. Klassisches Tauschgeschäft zweier Schwergewichte.
Bereits am Donnerstag war ein Lkw-Transport aus Winterthur mit der wertvollen Fracht in Hamburg angekommen. 24 Stunden müssen Gemälde in ihren Transportkisten bleiben, erst dann dürfen sie ausgepackt werden. Dass die „Kreidefelsen“ neben vielen anderen namhaften Leihgaben ab dem 15. Dezember zu sehen sein werden, ist bemerkenswert: Einmal erst, während der Ausstellung „Die Erfindung der Romantik“ 2006/07, war das Bild zu Gast in der Kunsthalle.
Auf die Begeisterung folgt die Erleichterung: „Auf den ersten Blick ist alles in Ordnung“, so die Restauratorin. Seinen Platz hat das berühmte Bild bereits: Ein Papierausdruck in DIN A4 liegt auf dem Boden an der rechten Wand. Was man sich als Laie besonders kompliziert und langwierig vorstellt, nämlich dieses fast 20 Kilogramm schwere Bild im Goldrahmen perfekt an die Wand zu bringen, erledigen die Ausstellungsbauer im Handumdrehen: Zwei Schrauben in die unter der Farbschicht liegende Holzwand gebohrt, mit Handschuhen zu zweit angehoben, und schon hängt das Gemälde. Kurator Markus Bertsch und sein Kollege Johannes Grave gucken noch mal kritisch: „Aus meiner Sicht könnte es rechts ein wenig höher“, sagt der Friedrich-Experte Grave aus Jena.
Caspar-David-Friedrich-Ausstellung: 200.000 Besucherinnen und Besucher werden erwartet
Er hat zusammen mit Markus Bertsch, Sammlungsleiter 19. Jahrhundert, die Ausstellung kuratiert. Dabei mussten die beiden ihr Improvisationstalent unter Beweis stellen. „Ursprünglich gab es eine große Kooperation mit Museen in St. Petersburg, die Ausstellung sollte einen starken politischen Schwerpunkt haben“, erzählt Bertsch. „Doch durch den Ukraine-Krieg wurde dieses Konzept zerschlagen, und wir mussten völlig neu anfangen.“
Innerhalb von nur einem Jahr stellten die Kunsthistoriker ein neues Konzept auf die Beine, fragten alternative Leihgeber an: In „Kunst für eine neue Zeit“ wird es nun um das Mensch-und-Natur-Verhältnis in Friedrichs Bildern gehen – im Dialog mit zeitgenössischen Arbeiten und anderen Künstlern seiner Zeit.
So hängen in dem kleinen Raum zwei Werke von Carl Gustav Carus. Der bedeutendste Mediziner der Romantik war damals auch ein viel beachteter Maler und schuf, ebenso wie sein Kollege, einige Bergmotive: „Wanderer auf Bergeshöh“ (1818) kommt aus dem St. Louis Art Museum, „Pilger im Felsental“ (1828/30) stammt aus der Alten Nationalgalerie in Berlin. Beide Bilder zeigen die männliche Figur in Rückenansicht.
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Und, sozusagen als Vorbote auf das Gemälde, das mit noch größerer Spannung als die „Kreidefelsen“ erwartet wird, hängt noch unter einem weißen Baumwolltuch verborgen eine Zeichnung von Caspar David Friedrich; die auf 1813 datierte Skizze zeigt die Bergkuppe, auf die der berühmte „Wanderer“ dann auf dem Gemälde blickt.
Und dann ist es endlich so weit: Gegen 11.30 Uhr wird die Box mit dem darin vermuteten „Wanderer“ hereingerollt. „Was, wenn die jetzt leer wäre“, scherzt der Kurator. Das gleiche Prozedere wie beim Gemälde davor, und 20 Minuten später hängt Hamburgs wichtigstes Bild auch an der Wand. Die pastellfarbenen Töne, die Friedrich in beiden Gemälden angewandt hat, kommen durch den grauen Wandton besonders gut zur Geltung. „Außerdem gibt die Farbe dem Raum eine große Ruhe. Genau das, was die Menschen bei einer Friedrich-Ausstellung suchen.“
Apropos Erwartung: Wie hoch ist der Druck, der gerade auf seinen Schultern lastet? „Der Museumsvorstand erwartet an die 200.000 Besucherinnen und Besucher“, so Bertsch. Schon zwei Wochen vor dem Start von „Kunst für eine neue Zeit“ sind an die 40.000 Karten verkauft. Läuft mit dem „Wanderer“.