Hamburg. Der Kinofilm hätte auf der Leinwand bleiben sollen: In Hamburg wurden den Fans sexistische Sprüche und flacher Humor geboten.

Es gibt Dinge, die waren vor ein paar Jahren mal im Trend, kommen dann zurück – und sind wieder cool: Schlaghosen zum Beispiel, oder Cracking Nagellacke, die plötzlich wieder in den Drogerieregalen auftauchen. Und dann gibt es Dinge, die haben sich schlicht überlebt: zum Beispiel Bubble Tea – oder der Film „Fack Ju Göhte“ aus dem Jahr 2013, der nun im Musical-Format durch Deutschland tourt.

„Fack Ju Göhte“-Musical: Selten witzig, oft zum Fremdschämen

Nun gastiert „Fack Ju Göhte – Das Musical“ in der Barclays Arena in Hamburg. Die Vorstellung wird bis Anfang nächsten Jahres noch in insgesamt 20 Städten in Deutschland und Österreich zu sehen sein. Die Show ist nicht neu: Bereits im Jahr 2022 war das Musical im deutschsprachigen Raum auf Tournee.

Die Barclays Arena, in der sonst große Konzerte wie von 50 Cent oder Fall Out Boy mit bis zu 12.000 Menschen stattfinden, ist in der Hälfte geteilt, statt Stehplätzen gibt es im Innenraum nun harte Plastikstühle. Von 1828 verfügbaren Plätzen waren 887 belegt. Auf der kleinen Bühne ist eine Schulkulisse zu sehen: Mittig befindet sich ein Basketballkorb, rechts und links stehen beschmierte, rote Spinde, die Wände drumherum sind mit bunt beleuchteten Graffitis bemalt.

„Fack ju Göhte“: Naschitüte als Nervennahrung fürs Publikum

Bevor es losgeht, stellen sich manche Besucher am aufgebauten Süßigkeiten-Büfett noch eine Naschitüte zusammen. Diese wird dem einen oder der anderen vielleicht noch als Nervenfutter dienen.

Um kurz nach 19.30 Uhr geht es los: Der Hauptcharakter Zeki Müller, gespielt von Silvio Römer, kommt nach einer Haftstrafe aus dem Gefängnis frei und singt auf eine so traurige wie simple Melodie die Zeilen: „Endlich frei, frische Luft. Mein altes Leben ist vorbei“. Von einem der Insassen bekommt er noch den Spruch „Halt‘s Maul und fick ‘ne Nutte für mich mit“ mit auf den Weg.

„Fack – Jetzt singen sie“ – das schreibt selbst der Veranstalter

Und damit ist bereits der Tenor des Abends klar: Es wird vulgär – beschämend vulgär. „Fack – Jetzt singen sie“, so steht es auf der Webseite des Veranstalters „Showslot“. Auch ohne Selbstironie passt dieser Satz perfekt: Der Plot des Musicals weicht nicht großartig von der Erzählung des Films ab, lediglich einzelne Szenen sind neu. Der erste Film der (bisher) dreiteiligen Reihe erschien im Jahr 2013, der letzte 2017.

Die Geschichte in Kurzfassung: Der gangsterhafte Zeki Müller wird durch ein Missverständnis als Aushilfslehrer angestellt und der Problemklasse 10b zugeteilt. Eigentlich nimmt er den Job nur an, weil unter dem Schulgebäude sein Diebesgut versteckt ist, an welches er mittels eines Tunnels herankommen möchte. Nach einiger Zeit wachsen ihm die Schülerinnen und Schüler ans Herz – und andersherum. Zudem verliebt er sich in die streberhafte Lehrerin Frau Schnabelstedt, die fachlich bewandert ist, sich aber gegen die Jugendlichen anfangs nicht durchsetzen kann.

„Fuck Ju Göhte“-Musical in Hamburg: flache Texte, simple Melodien

Die Musical-Adaption ist leider nicht der Knaller: Die Songtexte sind flach, die Reime vorhersehbar, etwa beim Song „Kaltes Wasser“: „Spring, spring, spring ins kalte Wasser – wir gehen unter und werden immer nasser.“ Die unterlegten Elektro-Beats tragen nicht gerade zur musikalischen Qualität bei, die Melodien sind viel zu simpel. Uneingeladen machen es sich Ohrwürmer im Kopf gemütlich.

Die Tanzchoreografien sind charmant, und es macht Spaß, den überwiegend jungen Darstellenden in passenden Kostümen zuzuschauen. Sie spielen mit Slow-Motion-Effekten, extravaganten Sprüngen, auch ein Salto ist mal zu sehen. Veronika Hörmann, die Frau Schnabelstedt spielt, hat eine sanfte, angenehme Stimme – ihrem Gesang folgt man gerne. Silvio Römer als Zeki Müller scheint an diesem Abend keine rechte Lust zu haben: Seine Stimme trägt nicht. Und auch seine schauspielerische Leistung lässt zu wünschen übrig, er wirkt oft wenig authentisch, weshalb keine echte Emotionalität aufkommt. Bejubelt wird er trotzdem.

Der Darsteller Silvio Römer spielt im Musical „Fack Ju Göhte“ den Hauptcharakter Zeki Müller.
Der Darsteller Silvio Römer spielt im Musical „Fack Ju Göhte“ den Hauptcharakter Zeki Müller. © ShowSlot | Nico Moser

Sexistische Sprüche und fragwürdige Narrative ziehen sich durch das Musical

Das alles ist zwar nicht schön, wäre aber durchaus verkraftbar – vielleicht könnte man über das eine oder andere sogar lächelnd hinwegsehen. Aber definitiv Schluss mit lustig ist, wenn Sexismus sich als roter Faden durch die gesamte Vorstellung zieht.

Schon klar: Es muss nicht immer alles politisch korrekt sein, guter Humor darf und soll gerne provozieren. Doch der Humor beim „Fack Ju Göhte“-Musical ist oft zum Fremdschämen, macht manchmal sogar richtig wütend. So bricht beispielsweise der Bad-Boy Zeki Müller nachts bei Frau Schnabelstedt und ihrer Schwester ein – diese erkennen ihn zunächst nicht und haben Angst, dass der Mann sexuell übergriffig werden könnte. „Warum zur Hölle sollte man euch vergewaltigen wollen?“, fragt Zeki Müller und meint damit, die beiden seien nicht attraktiv genug für eine Vergewaltigung. Tatsächlich wird darüber gelacht. Geht‘s noch?

Das Musical ist sehr vulgär, hat jedoch keine Altersbeschränkung

In einer anderen Szene weint eine Schülerin, fühlt sich einsam. Sie ist die Einzige, die nicht zu der Party eines beliebten Schülers eingeladen wurde. Doch dann erhält sie von Prostituierten ein Styling, ihre „langweilige“ Kleidung wird gegen ein knappes Silberkleid ausgetauscht, sie öffnet ihren Zopf und nimmt die Brille ab – und auf einmal gehört sie zu den Beliebten. Was für ein Frauenbild ...

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Sowieso spielt die Geschichte ständig mit längst überholten Geschlechterklischees: Die liebe Frau Schnabelstedt trinkt natürlich Fenchel-Tee und träumt von einem festen Freund, der harte Herr Müller säuft Bier und träumt von Nutten am Strand. Ohnehin sind die Texte sehr derbe, es geht viel um Macho-Sex – für manch Heranwachsenden im Publikum sicher nicht das optimale Abendprogramm.

Eine in vielerlei Hinsicht enttäuschende Vorstellung.