Hamburg. Fette Beats, 2000er-Nostalgie – aber auch sehr sexistisch: Kult-Rapper 50 Cent ist am Freitag in Hamburg aufgetreten.
„Ich nehm‘ dich mit zum Candy Shop. Ich lass’ dich den Lollipop lutschen.“ Es gibt wirklich nur einen Mann auf dieser Welt, der diese Zeilen aussprechen kann, ohne dass der Puls auf 180 geht, die Gesichtszüge vor Ekel entgleisen oder vorsorglich nach Hilfe geschaut wird.
Doch dieser eine Mann, der schafft es, dass der Text des Knaller-Songs „Candy Shop“ eine Stimmung verbreitet wie Cocktailschirme auf einer Beachparty: Rapper 50 Cent gibt am Freitagabend ein Konzert in der Barclays Arena in Hamburg – und was für eins.
50 Cent in der Barclays Arena in Hamburg: Einlass verzögert sich
Tausende Fans freuen sich auf das fast ausverkaufte Konzert des US-Amerikaners, der mit massiver Verspätung auf sich warten lässt. Aufgrund von „technischen Problemen“, wie auf den Leuchtreklamen der Barclays Arena zu lesen ist, verzögert sich der Einlass deutlich.
Kurz verbreitet sich vor den Eingängen die Angst, dass das Konzert ohne einen Großteil der Fans starten könnte. Andere bleiben entspannt: Vereinzelt kommt in der Schlange ein Lüftchen auf, das riecht wie die Zigarette der anderen Art, nach dessen Verbrauch sich die Konsumentin auf Tiefkühlpizza mit Extra-Käse und Krümel-Eistee freut. Sie wissen schon, was gemeint ist.
Rapper Busta Rhymes startet mit Vollgas in die Nacht
Und tatsächlich: Im Inneren der Halle wird deutlich, was mit „technischen Problemen“ gemeint ist. Die riesigen Screens flimmern, ab und zu ist ein Retro-Bildschirm zu sehen, dann werden sie wieder schwarz.
Kein Grund zur Sorge: Los geht’s gegen kurz vor 21 Uhr mit dem populären Vor-Act. Der 51-jährige Rapper Busta Rhymes, ebenfalls ein Schwergewicht im HipHop, serviert dem Publikum bekannte Kracher wie „Break Ya Neck“ und „I Know What You Want“ . Der Sänger bleibt mit seinen weit aufgerissenen Augen, der sex-simulierenden Gestik und der kraftvollen Stimme im Gedächtnis. Ob man will oder nicht.
50 Cent kommt endlich auf die Bühne – um 22 Uhr
Es ist 22 Uhr. Wo bleibt der Big Boss? Eigentlich sollte es um 20 Uhr losgehen. Doch dann: die Erlösung. Um kurz nach 22 Uhr schreitet 50 Cent auf die Bühne – der Frust über die Verspätung ist schnell verflogen.
Der Rapper eröffnet mit dem Song „I’m On Some Shit“ die Show. Die obligatorische Goldkette trägt er um den Hals und man sieht ihm an, dass er die typische HipHop-Armbewegung (rauf- und runterwippen ) schon ein paar Jahrzehnte macht.
Acht Tänzerinnen performen eine anzügliche Choreo
Nach den ersten paar Songs – die übrigens nie komplett, sondern immer nur in Ausschnitten gespielt werden – wird die Bühne in ein verführerisches Rot getaucht. Acht Damen in Lackdstiefeln und sonst eher spärlicher Bekleidung betreten die Bühne.
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Mithilfe von Stühlen legen sie eine Tanz-Choreografie hin, für die andere auf der Reeperbahn wohl eine Menge Geld zahlen würden. 50 Cent zieht sich kurz um, kommt im blauen Trainingsanzug zurück und rappt den Song „Magic Stick“.
„Final Lap Tour“ von Rapper 50 Cent: Ist es seine letzte Tour?
Es ist das erste Deutschland-Konzert der „Final Lap Tour“, eine Art Jubiläums-Tour seines vor 20 Jahren veröffentlichten Albums „Get Rich or Die Tryin’“, das weltweit mehr als 15 Millionen Mal verkauft wurde. Der Name der Tour lässt Spekulationen aufkommen, ob es vielleicht die letzte Möglichkeit sein wird, den Künstler live zu sehen: Nicht umsonst wurde für die „Final Lap Tour“ ein eigener Instagram-Account angelegt.
Von Juli bis Dezember ist der Rapper auf vier verschiedenen Kontinenten unterwegs – ziemlich sportlich. In fünf weiteren deutschen Städten wird der Sänger noch auftreten. Doch den goldenen Anfang macht er in der Hansestadt.
50 Cent in Hamburg: Bei „Candy Shop” rastet das Publikum aus
Und dann, endlich, gibt es Süßes auf die Ohren: Der Rapper, der monatlich immer noch mehr als 30 Millionen Hörerinnen und Hörer auf Spotify hat, klatscht seinen Song „Candy Shop“ vors Publikum. Natürlich in der Begleitung der beeindruckenden Tänzerinnen. Ein – vermutlich weiblicher – Fan wirft sogar einen BH auf die Bühne.
Dass der Rap-Superstar erst im Oktober vergangenen Jahres zum letzten Mal in Hamburg war, tut der Stimmung keinen Abriss: Die Fans rufen fast alle Texte mit und bewegen sich zu den rhythmischen Bässen, die durch die gewaltige Sound-Anlage womöglich auch noch den Tag danach nachhallen werden.
50 Cent: New Yorker hat heftige Vergangenheit hinter sich
Der in New York aufgewachsene US-Amerikaner musste in seiner Kindheit alles miterleben, was die Palette der Rapper-Klischees zu bieten hat: Finanziell schwache Verhältnisse, Vater unbekannt, Mutter stirbt, als er noch jung ist. Er fängt mit zwölf Jahren an, mit Drogen zu dealen, es folgen Gefängnisstrafen.
Trump-Unterstützer, Körperverletzung von mehreren Frauen, die Veröffentlichung eines privaten Sexvideos: Die Vita des 48-Jährigen bringt nun wirklich nicht gerade einen Heiligenschein zum Vorschein. Dennoch, auch bekennende Feministinnen müssen zugeben: Seine Hits sind und bleiben Songs, die immer noch auf jeder Hiphop-Party funktionieren.
50 Cent: Lieder des Rappers lassen eine 2000er-Nostalgie erwachen
Bei manchen Liedern des Konzerts wie „P.I.M.P.“ und „Just A Lil Bit“, deren Texte vor prollig-sexistischen Macker-Gehabe überlaufen, zuckt der Körper womöglich kurz zusammen: Doch die Nostalgie ist Retterin in der Not und bereitet den Weg, um auch diese Songs zufrieden wippend zu genießen.
Ein würdiges Ende bereitet 50 Cent mit dem Song „I’ll Whip ya Head Boy“. Zahllose Tanzeinlagen, eine Feuershow, eine Menge Konfetti und Luftschlangen haben die Fans die zweistündige Verspätung schon vergessen lassen. Der Abend endet in angeregter Stimmung und voller neu gesammelter Erinnerungen. 50 Cent hat es bewiesen: Auch wenn sein erfolgreichstes Album vor 20 Jahren erschien – er hat‘s einfach immer noch drauf.