Hamburg. Kaum 100 Klavierfans wollten den Auftritt der Pianistin Maria Lettberg im Kleinen Saal erleben. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Der Blick in den Kleinen Saal ist ernüchternd: Kaum mehr als 100 Besucherinnen und Besucher sind an diesem späten Sonntagnachmittag in die Laeiszhalle gekommen, mehr als 500 Plätze bleiben leer. Und dabei sitzt mit Maria Lettberg eine Pianistin von Weltrang am Steinway.
Eine Künstlerin, die für ihre Skrjabin-Gesamteinspielung von „Gramophone“, dem weltweit wichtigsten Klassikmagazin, mit dem Prädikat „außergewöhnlich“ geadelt wurde. Eine Künstlerin, über deren 2019er-Elbphilharmonie-Auftritt im Abendblatt zu lesen war, ihr Spiel sei „so hochvirtuos wie hintergründig“.
Maria Lettberg in der Laeiszhalle: Spitzenkonzert mit Besucherdesaster
Und nun das. Leere Sitzreihen und ein Veranstalter, der dazu auffordert, doch gerne weiter nach vorne zu rücken. Um es vorwegzunehmen: An Maria Lettbergs künstlerischer Qualität liegt das nicht. Sie ist keine, die mit vordergründiger Virtuosität zu punkten versucht, ihr ist ein kaum fünfminütiger Walzer ebenso Herzensangelegenheit wie eine halbstündige Sonate höchsten Schwierigkeitsgrads. Und so wenig sie hier Kompromisse eingeht, so wenig tut sie das bei ihren Programmen.
„Nordischer Klang“ ist das in der Laeiszhalle überschrieben, und es versammelt an diesem frühen Abend Werke von Komponistinnen und Komponisten aus Finnland, Estland, Lettland und Russland. Da sind Jean Sibelius, dessen Klavierwerk bis heute stark unterschätzt wird, und Alexander Skrjabin die einzigen bekannten Namen. Von Heino Eller, Jānis Ivanovs, Erkki Melartin und Lūcija Garūta dürften nur Experten gehört haben. Beim traditionsreichen Festival „Raritäten der Klaviermusik“ in Husum wird eine solche Werkauswahl gefeiert. In Hamburg scheint sie leider Kassengift zu sein.
Novum in der Laeiszhalle: Zuhörer liest auf iPad mit
Wenn dann noch eine ungewöhnlich frühe Anfangszeit (17 Uhr) hinzukommt und Künstlerin wie veranstaltende Catoire Musikinitiative nahezu keine Social-Media-Aktivität vorzuweisen haben, wird es eben eng. Beziehungsweise leer. Was schade ist, weil sich wirklich vieles entdecken lässt, etwa Skrjabins noch deutlich in der Romantik verankertes Frühwerk (Valse As-Dur op.38 und Fantasie op.28) oder die zwischen Impressionismus und Jazz schwebenden Préludes von Lūcija Garūta.
Dafür gibt es dann auch viel Applaus von einem Kennerpublikum, bei dem mindestens ein Zuschauer sogar die Noten zu den raren Stücken auf dem iPad dabeihat und mitliest. Erlebt man ja eher selten.
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Ein künstlerisch sehr stimmiger Abend, von dessen Besuchermangel sich hoffentlich weder die Hamburger Catoire Musikinitiative noch Maria Lettberg entmutigen lassen.