Hamburg. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: „Chipstüten“ von Axel Loytved.

Es könnte ein Bildausschnitt von einer zu Ende gegangenen Partynacht oder das Relikt einer achtlosen juvenilen Zusammenkunft sein: Zwei zerknitterte Chipstüten, eine gelbe und eine blaue, liegen auf dem ansonsten irritierend sauberen Holzfußboden, ihr Inhalt wurde vermutlich längst geleert, nur ein paar Krümel scheinen noch übrig. Doch halt, es sind keine Chips, die drumherum liegen, sondern Konfetti. Und das wiederum wurde aus den Tüten gestanzt, was bei genauerem Hinsehen an den Löchern und den Konfettifarben Gelb, Blau und Silber zu erkennen ist.

Axel Loytved schuf das Objekt „Chipstüten“ aus Aluminiumfolie mit Kunststoffbeschichtung 2019. Es misst 14,5 mal 25 mal 25,5 Zentimeter und befindet sich als Dauerleihgabe in der Sammlung der Galerie der Gegenwart.
Axel Loytved schuf das Objekt „Chipstüten“ aus Aluminiumfolie mit Kunststoffbeschichtung 2019. Es misst 14,5 mal 25 mal 25,5 Zentimeter und befindet sich als Dauerleihgabe in der Sammlung der Galerie der Gegenwart. © Felix Krebs/VG Bild-Kunst, 2023 | VG Bild-Kunst, 2023

Die Chipstüten wurden spielerisch neu positioniert, zur Skulptur geformt und in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt, sodass sie ganz frisch wahrgenommen werden können. Durch die Schlichtheit der Umgebung und die überraschende Kombination mit dem Konfetti werden sie in einen anderen Kontext gesetzt. Wobei Chips ebenso wie Konfetti mit dem Thema Feiern verbunden sind. Der Künstler Axel Loytved hat das Objekt „Chipstüten“ aus Aluminiumfolie mit Kunststoffbeschichtung 2019 geschaffen. Durch die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen (SHK) gelangte es als Dauerleihgabe in die Galerie der Gegenwart.

Aus Kunststoffmüll werden moderne Skulpturen geformt

Axel Loytved wurde 1982 in Bad Mergentheim (Baden-Württemberg) geboren. Studiert hat er an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig; 2010 wurde er mit dem Meisterschülerpreis geehrt. Seine Arbeiten waren unter anderem in der Sammlung Falckenberg Hamburg, im Essener Museum Folkwang oder im Kunstverein Wolfsburg zu sehen. Loytved ist Mitbegründer und Mitglied verschiedener Projekte und Künstlergruppen, allen voran des seit 2006 bestehenden Kunstvereins St. Pauli. Seit dem Wintersemester 2022 ist er Professor für Künstlerische Grundlehre in der Freien Kunst an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.

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Der Künstler stellt Verwertungsprozesse industriell hergestellter Produkte infrage und erforscht, inwiefern solchen noch Wert zugeschrieben werden kann. Er formt aus scheinbar „nutzlosem Müll“ skulpturale Formen und diskutiert ganz grundsätzlich, wie und unter welchen Voraussetzungen Begehren entsteht und welche Bedeutungszusammenhänge sich in unser aller Alltag verstecken. Seine Skulpturen wirken wie Schnappschüsse des Konsums, deren glatte Oberflächen darüber hinwegtäuschen, dass die Produkte meist auf eine sehr kurze Lebensdauer ausgelegt sind. Er verleiht den Materialien im wahrsten Sinne des Wortes Gewicht. Gleichzeitig hält er so einen flüchtigen Zustand des Materials fest, der verloren wäre – ein Zeugnis eines Moments und seiner Materialität im Kontext einer Wegwerfgesellschaft.

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Die Kunsthalle besitzt noch zwei weitere Arbeiten von Axel Loytved: Für „Ohne Titel“ (2018) goss der Künstler gefundene Plakatwände aus dem öffentlichen Raum in Bronze und verlieh ihnen so eine neue Wertigkeit. Durch die Aufhängung als Kunstwerk wurde dies noch einmal unterstrichen. Bei „Ups and downs of every day“ (2013) fügte er weiß lackierte Spanplatten in Form von Toren hintereinander zu einer Art Korridor. Die Platten sind unterschiedlich hoch, was mit der jeweiligen Körpergröße von Loytved in Verbindung steht, die je nach Tageszeit und -form variiert und somit auf den Titel „Höhen und Tiefen des Alltags“ einzahlt.