Hamburg. Die Hamburger Kunsthalle widmet sich in einer eigenen Schau dem Relief – der Schnittmenge zwischen Gemälde und Skulptur.

Der Titel der Ausstellung ist schon mal sehr treffend gewählt: „Herausragend!“. Denn das ist es, was diese Werke ausmacht, ganz konkret: Sie stehen aus der Wand hervor. Die Ausstellung mit dem Untertitel „Das Relief von Rodin bis Taeuber-Arp“, die ab heute im Hubertus-Wald-Forum und zusätzlich in einigen weiteren extra frei geräumten Sälen der Sammlung Klassische Moderne der Hamburger Kunsthalle zu sehen ist, versammelt aber nicht nur rein materiell hervorstechende Werke, sondern spannt auch inhaltlich einen breiten Bogen dieser experimentellen Kunst, die sich an der Grenze von räumlicher Skulptur und flächiger Malerei bewegt.

Die 130 Exponate von über 100 Künstlerinnen und Künstlern aus Europa und den USA umfassen einen Zeitraum von 1800 bis hinein in die 1960er-Jahre. Kuratiert von Karin Schick mit wissenschaftlicher Mitarbeit von Juliane Au, ist die gemeinsam mit dem Städel Museum aus Frankfurt am Main konzipierte Schau in Hamburg noch einmal um 40 weitere Werke aus dem Bestand der Hamburger Kunsthalle ergänzt.

Museum Hamburg: Auch in der Kunsthalle zu sehen ist „Seid geheimnisvoll“ von Paul Gauguin

Dem Besucher ist der Einstieg erleichtert, weil er nicht einer Chronologie folgen muss, sondern zwölf thematische Gruppen entdecken kann. Von der „Erzählung“ über die „Illusion“ bis zu „Zwischen Optik und Haptik“ und „Entwürfe von Welt“. Seine Wurzeln hat das Relief in der Steinzeit. In der altägyptischen und altorientalischen Kultur war es ebenso von Bedeutung wie in der griechischen und römischen Antike. Mitte des 19. Jahrhunderts greifen verschiedene Kunstschaffende das Relief auf.

Um das Spannungsfeld von Raum und Fläche zu verdeutlichen, sind nicht nur Reliefs zu sehen, sondern auch ausgewählte Malereien und vollplastische Figuren, an denen sich die Verbindung, aber auch eine gewisse Rebellion sehr gut erkennen lässt. Auguste Rodin etwa nimmt sich bestimmte Freiheiten und zeigt in „Junge Mutter in der Grotte (Jeune mère à la grotte)“ (1885) nach vorne eine vollplastische Figur eingefasst in eine Art rohe Rückwand. Neben den klassischen Materialien Stein sind auch geschnitzte und bemalte Holzplastiken, etwa in „Seid geheimnisvoll (Soyez mystérieuses)“ (1890) von Paul Gauguin, zu sehen. Andere Kunstschaffende haben Materialien wie Wachs und Glas gewählt.

Museum Hamburg: Auch Pablo Picassos „Mann mit Gitarre“ ist dabei.

In den Räumen der Klassischen Moderne geht es mit Arbeiten aus dem Kubismus weiter, etwa von Pablo Picasso, dessen „Mann mit Gitarre (Homme à la guitare)“ (1918) auch als Malerei etwas Formsprengendes gewinnt, die der Künstler dann in der „Violine (Violon)“ (1915) aus bemaltem Metallblech und Eisendraht vollends ins Dreidimensionale überträgt.

Dieser Teil der Ausstellung ist sehr aufschlussreich, weil er individuelle Zugänge der Moderne und der Folgejahre zur Kunstform des Reliefs vor Augen führt: Lucio Fontana zeigt in „Raumkonzept (Concetto spaziale)“ (1960) etwa eine Malerei in monochromem Gelb, in die vom Künstler angebrachte Schlitze und kleinen Zerstörungen für Räumlichkeit sorgen. Naum Gabo wiederum kreiert in „Linear Construction No. 1 (Variation)“ (1963/64) aus Acrylglas und Nylon eine Skulptur, die sich aus jeder Perspektive anders lesen lässt.

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Die Ausstellung ist durchaus herausfordernd mit ihren Sprüngen und ihrer Durchmischung von Zeitebenen und Kunstzugängen, mit ihrer Sammlung an großen Namen von Edgar Degas über Kurt Schwitters bis Sophie Taeuber-Arp. Dabei stellt sie oft verblüffende Bezüge her, die eine Entdeckung lohnen. Denn in diesem Reichtum an Facetten zeigt sich, dass das Relief eigentlich keine eigene – in der Regel der Bildhauerei zugeordnete – Gattung darstellt, sondern wirklich eine Schnittmenge zwischen Malerei und Plastik.

„Herausragend! Das Relief von Rodin bis Taeuber-Arp“ 13.10.2023 bis 25.2.2024, Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr, www.hamburger-kunsthalle.de