Hamburg/Bonn. Es geht um 280 Millionen Euro: Was dem Hamburger Christian Olearius vorgeworfen wird. Politiker sieht auch Olaf Scholz auf Anklagebank.

Vor dem Landgericht Bonn muss sich der vormals persönlich haftende Gesellschafter der Hamburger Warburg-Bank,Christian Olearius, von Montag an im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Steuerskandal verantworten. Die Staatsanwaltschaft Köln legt dem Angeklagten 15 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung zwischen 2006 und Ende 2019 zur Last, die er gemeinsam mit gesondert Verfolgten beziehungsweise Verurteilten begangen haben soll. Zwei Fälle sollen im Versuchsstadium geblieben sein. Der entstandene Steuerschaden soll knapp 280 Millionen Euro betragen. Olearius weist die Vorwürfe zurück.

Laut Gericht wurde die Anklage in 14 Fällen zugelassen und das Verfahren hinsichtlich eines Falls – Vorwurf der Steuerhinterziehung in Bezug auf den Eigenhandel des Kreditinstituts in der Dividendensaison 2010 – mit Blick auf das Doppelverfolgungsverbot nicht eröffnet. Bislang sind insgesamt 28 Verhandlungstage terminiert – vorerst bis zum 22. März 2024.

Cum-Ex: So funktionierte die dreiste Abzocke

Bei dem Steuerbetrug schoben verschiedene Finanzakteure Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch hin und her. Ziel dieses Verwirrspiels war, dass der Fiskus Steuern erstattete, die gar nicht gezahlt worden waren. Die Hochphase dieser Geschäftspraxis lag in den Jahren 2006 bis 2011. Der Staat wurde um Milliarden geprellt. Lange war unklar, ob das nur dreiste Abzocke unter Ausnutzung einer Gesetzeslücke oder ob es von Anfang an eine Straftat war. Dass es Letzteres war, entschied der Bundesgerichtshof 2021.

Der ehemalige Linken-Politiker und Cum-Ex-Aufklärer Fabio de Masi nannte den Prozess im Vorfeld „wichtig für den wehrhaften Rechtsstaat. Der Bundeskanzler sitzt mit Herrn Olearius symbolisch mit auf der Anklagebank. 27-mal taucht sein Name in der Anklageschrift auf.“ De Masi ist überzeugt: „Alle Beteiligten wussten, dass Cum-Ex kriminell ist.“

Olearius traf damaligen Bürgermeister Scholz mehrfach

In dem am Montag beginnenden Prozess geht es um die Cum-Ex-Geschäfte selbst und nicht um eine mögliche Einflussnahme des Warburg-Chefs auf die Aufklärung der Vorwürfe seitens der Hamburger Finanzverwaltung. Olearius hatte Hamburgs damaligen Bürgermeister Olaf Scholz mehrfach getroffen – die Inhalte dieser Gespräche versucht seit geraumer Zeit ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zu ergründen.

„Cum-Ex-Geschäfte sind schwerste organisierte Kriminalität. Diese Wirtschaftsstraftaten setzen illegale Absprachen zwischen den beteiligten Akteuren voraus und erfolgten somit nicht aus Unkenntnis“, erklärte de Masi im Vorfeld des Prozesses. „Die komplexen Transaktionen erzeugen ohne den Griff in die Staatskasse Verluste. Der Bundesgerichtshof hat daher unmissverständlich festgestellt, dass eine Gesetzeslücke nie existierte. Die Beantragung von Erstattungen der Kapitalertragssteuer, die nie gezahlt wurden, war bereits dem Wesen nach Betrug.“

De Masi: „Herr Olearius sollte Reue zeigen“

Die Warburg-Bank habe sich an Olaf Scholz gewandt, „um eine steuerliche Verjährung der Tatbeute zu erreichen, da sie auf dem legalen Behördenweg nicht mehr weiterkam“, ist de Masi überzeugt. Dabei habe der Bank jederzeit die Aussetzung der Vollziehung bis zu einer Entscheidung auf dem Rechtsweg offengestanden, wie es nun bei Cum-Cum-Forderungen gegen Warburg von Hamburg geräuschlos praktiziert werde.

„Herr Olearius sollte Einsicht und Reue zeigen“, so der ehemalige Bundestagsabgeordnete de Masi, der im September 2022 aus der Linkspartei austrat. Auch wenn es im Prozess in Bonn nicht um die politische Dimension des Cum-Ex-Skandals geht, ist es in den Augen de Masis „relevant, dass Herr Olearius Einfluss auf Politiker wie Olaf Scholz und Johannes Kahrs nahm. Denn daran wird deutlich, dass den Bankiers und der Politik bewusst war, dass auf legalem Behördenweg für die Bank nichts mehr zu erreichen war“.

Olaf Scholz hat stets bestritten, in der Sache dahingehend Einfluss genommen zu haben, dass die Steuerforderung verjährt – was schließlich der Bund verhinderte. Zeugen haben ihn bestätigt. Der Untersuchungsausschuss förderte keine anderslautenden Belege zutage. Inzwischen hat Warburg sämtliche Gutschriften aus Cum-Ex-Geschäften zurückgezahlt.