Hamburg. Nazi-Zeit und Verschickungskinder: Die Hamburger DAK stellt sich ihrer Geschichte und mischt in der Gesundheitspolitik mit.

Deutschlands älteste Krankenkasse feiert in diesen Tagen ein bemerkenswertes Jubiläum. Die Hamburger DAK-Gesundheit mit Wurzeln, die mehr als 100 Jahre vor den Sozialgesetzen Otto von Bismarcks in Breslau (Wroclaw) gepflanzt wurden, blickt dabei nicht bloß auf ihre Geschichte zurück. Die Krankenkasse mit heute 5,5 Millionen Versicherten und 10.000 Beschäftigten kehrt die dunklen Seiten im deutschen Sozialversicherungssystem ans Licht und positioniert sich bei aktuellen politischen Themen.

So kritisierte Vorstandschef Andreas Storm am Freitag bei der Eröffnung der historischen Ausstellung in der DAK-Zentrale am Nagelsweg, dass die Ampel-Regierung in Berlin mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Koalitionsvertrag vereinbarte Zusagen gestrichen habe. Dabei geht es um sogenannte versicherungsfremde Leistungen wie das Bezahlen der Gesundheitskosten für Sozialleistungsempfänger. Die trägt der Staat nur zum Teil, den anderen übernehmen die Krankenkassen, also die Beitragszahler.

Krankenkasse DAK: Jubiläum mit kritischen Tönen

Storm sagte: „Wir verstehen unsere lange Geschichte als Auftrag. Geht es heute um die Pflegereform oder die Finanzierung der Krankenversicherung, setzen wir auf solidarische Lösungen, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind.“ Es sei nicht akzeptabel, dass die Beitragszahler – und dazu zählen Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen – die Aufgaben finanzieren, die von allen geschultert werden müssten. Das Geld solle demnach also von allen Steuerzahlern aufgebracht werden. Auch Storms Kollege Jens Baas (Vorstandschef der Techniker) hatte zuletzt kritisiert, dass die Privatversicherten dabei außen vor sind.

Eine Mitgliedskarte der DAK von 1896
Eine Mitgliedskarte der DAK von 1896 © DAK-Gesundheit

Storm erinnerte daran, dass das Prinzip einer Solidargemeinschaft über der Wiege der DAK vor 250 Jahren geschwebt habe und noch heute den „modernen Sozialstaat“ präge. Die DAK geht zurück auf das „Institut zum Besten nothleidender Handlungs-Diener“, das Breslauer Kaufmannsgehilfen in einer ersten Sitzung 1773 ersonnen. Es war eine Art genossenschaftlicher Selbsthilfeeinrichtung. Die Gründungsurkunde liegt heute in einem Tresor der DAK-Zentrale. Nach Bismarcks Gesetz über die Krankenversicherung 1883 wuchs auch der DAK-Vorläufer „Kranken- und Begräbniskasse des Vereins für Handlungs-Commis von 1858 e.H“, ehe 1930 der Name Deutsche Angestellten-Krankenkasse feststand.

Verschickungskinder in DAK-Heimen: Gewalt in der Kinder-Kur

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die DAK gleichgeschaltet, Jüdinnen und Juden wurden ausgegrenzt, sogenannte nicht arische Mitarbeiter entlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sprang das Mitglieder-Wachstum wieder an.

Bedrückend jedoch waren die Befunde einer Studie, die die DAK über ihre eigene Geschichte in Auftrag gegeben hat. Der Bielefelder Historiker Prof. Hans-Walter Schmuhl fand heraus, dass in der Nachkriegszeit zahllose Kinder in den Kinderkuren Gewalt erlitten, auch in den drei DAK-Heimen. Vorstandschef Storm sprach auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vertretern von „Verschickungskindern“ im April dieses Jahres von „leidvollen Erfahrungen“ der Opfer und bat die Betroffenen um Entschuldigung. Eine DAK-Kureinrichtung war das Haus Quickborn auf Sylt.

In diesen Tagen setzte die DAK ihre Aktion „bunt statt blau“ fort, einen Wettbewerb für Jugendliche gegen übermäßigen Alkoholkonsum. Außerdem legte sie Studien zur Nutzung von Computer- und Smartphonespielen vor, unter anderem mit Experten des UKE.

Krankenkasse DAK untersucht Auswirkungen von Homeoffice

In einer aktuellen Untersuchung fand die Krankenkasse heraus, dass sich Homeoffice in Deutschland etabliert habe, das Potenzial aber nahezu ausgeschöpft sei. 38 Prozent der Beschäftigten hätten im Februar 2023 regelmäßig im Homeoffice gearbeitet. Das seien fast so viele wie zu Beginn der Corona-Pandemie gewesen. Circa 45 Prozent der Befragten insgesamt könnten einen Teil ihrer Arbeitszeit zu Hause erledigen.

250 Jahre DAK: Die Ausstellung ist bis Ende November 2023 im Foyer der DAK-Zentrale am Nagelsweg 27–31 in 20097 Hamburg zu sehen. Geöffnet: Montag bis Donnerstag von 10 Uhr bis 18 Uhr, Freitag bis 17 Uhr. Der Katalog erscheint im medhochzwei Verlag und kostet im Buchhandel 19,99 Euro.