Hamburg. Die Regeln sind sehr unterschiedlich. Umfrage: Das gilt bei Beiersdorf, Airbus, Otto und in anderen Firmen in der Stadt.

Eigentlich wollte Klara Krieg nur ein langes Wochenende in Barcelona verbringen. Es wurde dann eine Woche. Die 26-Jährige war auf ein Angebot ihres Arbeitgebers gestoßen, das mobiles Arbeiten im Ausland ermöglicht. „Vor Ort konnte ich prima arbeiten“, sagt die Wirtschaftsinformatikerin. Sie benötigte nur einen Laptop und eine gute WLAN-Verbindung. Klara Krieg sieht viele Vorteile. Die Zeitzonen seien gleich, in Barcelona herrsche super Klima und es gebe richtig gutes Essen. Und: „Die Feierabende habe ich am Strand verbracht – das war super zum Abschalten!“

Arbeiten fern vom Büro, an Orten wo man auch gerne Urlaub macht, Homeoffice im Ausland, nach dem Urlaub im Allgäu oder auf Mallorca noch eine Woche remote work in der Ferienwohnung dranhängen – es gibt mittlerweile viele Spielarten, Freizeit, Urlaub, Reisen und Arbeiten miteinander zu verbinden. Workation – ein Kunstwort aus Arbeit (work) und Urlaub (vacation) – ist der etablierte Begriff dafür.

Homeoffice im Ausland - was Hamburger Firmen jetzt erlauben

Noch vor wenigen Jahren führten ihn hauptsächlich Digitalnomaden im Munde. Zumeist braungebrannte, vorwiegend junge Menschen, die vormittags als Selbstständige mal eben eine App für einen Auftraggeber programmieren und nachmittags an Portugals Küste die ganz dicken Wellen reiten oder am Strand auf Bali eine gute Zeit haben.

Nach der Corona-Pandemie ist Workation in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ein noch junger, aber zunehmend wichtiger Teil des Arbeitslebens hierzulande. Warum auch nicht? Homeoffice hat doch gut geklappt, kann man ja auch von einer griechischen Insel aus machen. Hauptsache, das WLAN-Netz ist ordentlich.

Eine Vielzahl von Unternehmen erlaubt ihren Beschäftigten inzwischen Workation. Das Recht darauf ist für umworbene Nachwuchskräfte bei der Wahl der Arbeitgebers zu einem wichtigen Kriterium geworben, zeigt eine aktuelle Umfrage aus dem Hamburger Konzern New Work. Demnach sagten 20 Prozent der Befragten, dass das Angebot von Workation einen Arbeitgeber in ihren Augen attraktiver macht.

Homeoffice am Urlaubsort: Die größere Freiheit hat enge Grenzen

Allerdings ist es mit dem Homeoffice im Ausland selbst in der EU so einfach dann doch wieder nicht. Es gibt in den Mitgliedsstaaten keine einheitlichen Arbeits-, Sozialversicherungs-, Steuerregelungen dafür, wenn ein Ausländer in einem Land vorübergehend seiner Erwerbsarbeit nachgeht. Stattdessen sollte man sich ein bisschen mit der Arbeitnehmerentsendebescheinigung A1 auskennen. In Ländern auf anderen Kontinenten wird es zumeist noch komplizierter.

Workation – quasi das Home Office in den Urlaub verlegen – wird gerade seit der Corona-Pandemie ein immer beliebteres Arbeitsmodell.
Workation – quasi das Home Office in den Urlaub verlegen – wird gerade seit der Corona-Pandemie ein immer beliebteres Arbeitsmodell. © Shutterstock / Anna Kraynova | Anna Kraynova

In der Realität dürfte die italienische Finanzpolizei zwar eher nicht überprüfen, ob diese Deutsche im Strandkleid im Café an der Amalfiküste auf ihrem Laptop gerade den Restaurantbesuch am Abend plant oder eine Excel-Datei bearbeitet. Doch „Es wird schon nix schiefgehen“ ist insbesondere für Personalabteilungen keine Option.

Das zeigt auch eine Workation-Umfrage des Abendblatts bei großen Hamburger Unternehmen. Das Ergebnis: Viele machen es schon möglich, manche denken noch drüber nach, zunehmend mehr Beschäftigte machen Homeoffice im Ausland oder wollen es. Doch die größere Freiheit bei der Wahl des Arbeitsortes hat in vielen Firmen enge Grenzen.

Homeoffice im Ausland: Beiersdorf erlaubt bis zu 20 Tage im Jahr

Bei Hamburgs einzigem im DAX notierten Konzern können Beschäftigte an bis zu 20 Arbeitstagen im Jahr aus dem Ausland arbeiten. Allerdings nur jeweils zehn Tage am Stück. Die Arbeit im Ausland muss zuvor mit dem Vorgesetzten abgestimmt werden. Machbar ist Homeoffice im Ausland in den EWR-Ländern und in der Schweiz. „Arbeit im Ausland wird von Mitarbeitenden regelmäßig in Anspruch genommen. Wir gehen davon aus, dass sich bei diesem Thema noch viel entwickeln wird“, sagt eine Beiersdorf-Sprecherin. Zudem zeige sich, dass vor Neueinstellungen auch die Möglichkeit zum vorübergehenden Homeoffice im Ausland bei den Kandidatinnen und Kandidaten eine zunehmend große Rolle spielt. Bei der Bindung von Beschäftigten ans Unternehmen ebenso.

Workation: Bei Lufthansa Technik dürfen das sogar Azubis

Bei Lufthansa Technik gelten seit April feste Regeln für Homeoffice im EU-Ausland. Sogar bis zu 30 Tage im Jahr sind möglich, bis zu dreimal zehn Tage am Stück – wenn die oder der Vorgesetzte zustimmt. Sogar Auszubildende können diese Möglichkeit nutzen. „Allerdings muss der Ausbildungszweck und die Eingliederung in den Betrieb weiter im Mittelpunkt stehen“, sagt ein Unternehmenssprecher. Wer privat krankenversichert ist, muss den Versicherungsschutz selbst sicherstellen. Ob und wie gut das ankommt, lasse sich aber nach wenigen Monaten noch nicht sagen. Und was hat Lufthansa Technik davon? „Wir wollen eine moderne Arbeitsumgebung schaffen, in der die Mitarbeitenden ihre bestmögliche Leistung erbringen und sich bei uns wohlfühlen“, heißt es.

Homeoffice am Urlaubsort: Bei LichtBlick vorerst nur in Deutschland

Der Ökoenergie-Anbieter war eines der ersten Hamburger Unternehmen, das Homeoffice für die Beschäftigten regelte – und ging dabei so weit wie kaum eine andere Firma. Mit wenigen kleinen Einschränkungen kann bei Lichtblick durchgehend außerhalb des Büros gearbeitet werden. Allerdings nur in Deutschland. Immerhin: Wer mag, kann am Ostseestrand oder mit Blick auf den Tegernsee den Laptop aufklappen. Dass Beschäftigte auch zeitweise im Ausland arbeiten wollen, war in der ersten Corona-Phase, als viele Länder versuchten, sich vor dem Virus abzuschotten, noch kein Thema. Das ändert sich gerade. „Über die Ländergrenzen hinaus haben wir eine steigende Nachfrage bereits wahrgenommen“, sagt eine Unternehmenssprecherin und ergänzt: „Wir arbeiten an Lösungen, die dies für alle Mitarbeitenden ermöglichen.“ Dabei müssten aber Aspekte wie Klimaschutz, Versicherungsschutz, Sicherheit am Arbeitsplatz und unterschiedliche Steuersätze im Ausland berücksichtigt werden.

Workation: Bei New Work wird „das Angebot immer mehr angenommen“

Das Mutterunternehmen des Karrierenetzwerks Xing führt moderne Arbeits(zeit)modelle schon im Namen und erlaubt seinen Beschäftigten, bis zu vier Wochen im Jahr in einem anderen EU-Land zu arbeiten. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Bis 20 Arbeitstage in bis zu drei Ländern oder bis 15 Tage in maximal vier Ländern. „Die Möglichkeit von Workation wird immer mehr angenommen“, sagt eine New Work-Sprecherin.

Homeoffice am Urlaubsort: Bei Reemtsma steigt das Interesse

Beim Hamburger Zigarettenhersteller können Beschäftigte jeweils die Hälfte der Arbeitszeit in einem Quartal Homeoffice machen. Bis zu 20 Tage im Jahr auch aus dem Ausland und das am Stück. Die Auslandsarbeitstage gehen vom Konto der Homeoffice-Tage ab. Vorher muss zwar ein Antrag gestellt, aber der Wunsch nicht begründet werden. „Wir stellen ein stetig steigendes Interesse fest“, sagt ein Reemtsma-Sprecher über die gelebte Workation-Realität im Unternehmen.

Workation: Bei Airbus, Aurubis, Jungheinrich, Eppendorf (noch) nicht möglich

„Workation ist bei Airbus noch nicht möglich. Wir prüfen derzeit aber Möglichkeiten“, teilt der Flugzeugbauer mit. Auch beim Kupferkonzern Aurubis ist das der Stand der Dinge. „Wir behalten das Thema weiter im Blick, es ist Gegenstand interner Besprechungen“, heißt es dort. Beim Laborgerätehersteller Eppendorf SE und beim Gabelstaplerbauer Jungheinrich gilt: Homeoffice im Ausland ist nicht vorgesehen und ist derzeit kein Thema. Dass die vier Industrieunternehmen noch nicht so weit sind, dürfte auch damit zusammenhängen, dass der Großteil ihrer Beschäftigten in der Produktion tätig ist und ohnehin nicht von zu Hause aus arbeiten kann – schon gar nicht Hunderte oder Tausende Kilometer von der Firma entfernt.

Homeoffice im Ausland: Bei Otto können es sechs Wochen im Jahr sein

Beim Internethändler ist Workation seit dem Herbst vergangenen Jahres möglich und geregelt: An bis zu 30 Arbeitstagen im Jahr und innerhalb der gesamten EU können Beschäftigte vom Ausland aus arbeiten. „Diese Möglichkeit wird auch gut genutzt, aktuell sind knapp 150 Workations beantragt worden – Tendenz steigend“, sagt ein Unternehmenssprecher. Die Workationtage können mit dem Urlaub oder mit Gleitzeittagen gekoppelt werden, sodass ein insgesamt sogar monatelanger Auslandsaufenthalt inklusive Homeoffice-Abschnitt möglich ist. Die Führungskraft muss zustimmen, und es muss ein A1-Antrag gestellt werden, der die rechtliche Seite regelt. „Für uns ist das Workation-Modell eine logische Erweiterung unserer seit 2017 gültigen Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten“, sagt der Otto-Sprecher.

Workation: Bei Tchibo dauert Homeoffice im Ausland im Schnitt vier Tage

Beim Kaffeeröster und Handelsunternehmen Tchibo haben in den vergangenen Monaten etwa 120 Beschäftigte die Möglichkeit genutzt, zeitweise im Ausland zu arbeiten. In einer seit Ende 2022 geltenden Betriebsvereinbarung ist geregelt, dass das an zehn Arbeitstagen pro Jahr in den EU-Staaten sowie in der Schweiz, in Liechtenstein, Norwegen oder der Türkei möglich ist. „Im Durchschnitt wurde vier Tage vom Ausland aus gearbeitet“, sagt ein Unternehmenssprecher über Tchibos erste Erfahrungen mit Workation. Insgesamt können Beschäftigte 40 Prozent der Jahresarbeitszeit mobil arbeiten – irgendwo in Deutschland. Ob in einer Miet-Ferienwohnung auf Pellworm, in einer Pension in Peenemünde oder daheim in Bramfeld oder Barsbüttel spielt keine Rolle.

Homeoffice am Urlaubsort: Bei Signal-Iduna nicht im Ausland – zu kompliziert

Beim Versicherungskonzern gibt es keinerlei zeitliche oder räumliche Beschränkungen für Homeoffice. So steht es in einer bereits 2017, also noch vor Corona, getroffenen Vereinbarung. Doch es gibt eine gewichtige Einschränkung: Der Arbeitsort muss in Deutschland sein. Homeoffice im Ausland ist bei Signal-Iduna dagegen ausdrücklich ausgeschlossen. Aus rechtlichen Gründen, genauer gesagt, weil die Rechtslage nach Einschätzung des Unternehmens zu komplex und unübersichtlich ist. „Der Aufwand einer rechtssicheren Einzelfallprüfung je Land und je Tätigkeit ist zu kompliziert und kostenintensiv“, sagt ein Signal-Iduna-Sprecher. Er sagt auch: „Es wäre wünschenswert, wenn es eine zumindest EU-weite Regelung gäbe, die das befristete Arbeiten im EU-Ausland erleichtern würde. So wie beim Reisen oder beim Warenaustausch.“

Workation: Überraschend viele haben es schon gemacht – manche heimlich

Laut einer vor wenigen Monaten veröffentlichen Studie der Unternehmensberatung PwC haben immerhin schon vier von zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die grundsätzlich ortsunabhängig arbeiten können, das schon mindestens einmal im Ausland getan. 16 Prozent sogar mehrfach – und teils heimlich. Gut jeder achte Befragte sagte, er habe seinen Arbeitgeber nicht informiert. Insbesondere für jüngere Beschäftigte ist es der Umfrage zufolge wichtig, dass ihr Arbeitgeber Workation ermöglicht. Bei den unter 40-Jährigen legten 80 Prozent Wert darauf.

Klara Krieg jedenfalls ist auf den Geschmack gekommen. Nach der einen Woche in Barcelona kann sich die junge Wirtschaftsinformatikerin auch „einen ganzen Frühlingsmonat in Griechenland oder Spanien, wenn es in Deutschland noch regnet“ vorstellen. Ihr Arbeitgeber macht das möglich.