Hamburg. Bundesweit sterben bei Treppenstürzen so viele Menschen wie im Straßenverkehr. Tragischer Fall: Hamburgs Reeder Bertram Rickmers.
- Zahl der häuslichen Unfälle von älteren Menschen nimmt zu.
- Bundesweit sterben bei Treppenstürzen so viele Menschen wie im Straßenverkehr.
- Auch der Tod von Hamburger Reeder Bertram Rickmers zeigt, welche Gefahren im eigenen Haus liegen.
Haushaltsunfälle gelten seit vielen Jahren als die Treiber der allgemeinen Unfallstatistik. Mittlerweile lassen sich Treppenstürze mit Todesfolge als einer der größten Anteile daran identifizieren. Auf tragische Weise hat der Tod des Hamburger Reeders Bertram Rickmers vor Augen geführt, welche Gefahren gerade für ältere Menschen im eigenen Haus liegen.
„Passend zur Demografie sehen wir eine gefährliche Häufung von schwerwiegenden Treppenstürzen in der Häuslichkeit“, sagte der leitende Arzt der Zentralen Notaufnahme im Hamburger BG Klinikum, Dr. Stefan Jaeschke-Melli, dem Abendblatt.
Was den Unfallexperten auffällt: Die Opfer stürzen zumeist nicht zwei, drei Stufen, sondern gleich die gesamte Treppe hinunter. Immer mehr Ältere in der Bevölkerung, dazu viele Menschen mit „neurodegenerativen Erkrankungen“, Demenz und Parkinson verschärfen den Trend. Dabei komme es häufig zu Gangstörungen, wie Jaeschke-Melli sagte. „Die Betroffenen wissen oft nicht mehr genau, wo sie sind oder stolpern über eine Teppichkante.“
Treppensturz: Bis zu 3500 Unfälle dieser Art verlaufen tödlich
Er sprach von deutschlandweit zwischen 1000 und 3500 tödlich verlaufenden Treppenstürzen pro Jahr. Im Straßenverkehr gab es 2022 insgesamt 2782 Unfalltote. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie belegt in ihren Statistiken, dass unter den Verletzten bei den Stürzen aus mehr als drei Metern Höhe die über 60-Jährigen die größte Altersgruppe bilden. Bei Stürzen unter drei Metern ist es so, dass sie für deutlich mehr als die Hälfte der bei allen Unfällen Verletzten über 80-Jährigen verantwortlich sind.
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Bei Treppenstürzen kann es zu sogenannten Polytraumen kommen. Wirbelkörperbrüche sind darunter, Oberschenkelhals- und Schädelbrüche. Ältere leiden verstärkt unter Osteoporose und lassen in ihrer generellen Muskelkraft nach. Notarzt Jaeschke-Melli sagte, die medizinische Leitlinie zur Schwerverletzten-Behandlung sei in diesem Jahr erneut angepasst und Ältere in den Fokus genommen worden.
Ältere Unfallopfer nach Krankenhausaufenthalt häufig pflegebedürftig
Bei häuslichen Stürzen seien auch Kinder betroffen, die Treppen nicht herunterlaufen, sondern springen. Bisweilen seien bei Sturzopfern Alkohol oder Drogen im Spiel – oder nur ein Umzugskarton vor dem Gesicht gewesen, der das Sichtfeld einschränkte. Unfälle mit dem Handy in der Hand hätten ebenfalls einen Anteil an den Ursachen für Notfallbehandlungen.
Jaeschke-Melli machte darauf aufmerksam, dass ältere Unfallopfer nach ihren Stürzen und einer Krankenhausbehandlung oft vor einem gravierenden Problem stünden: Schon die Kliniken könnten sie nicht weiterverlegen, weil die Patienten im Anschluss gepflegt werden müssen, es dafür aber keine Plätze gebe.
„Das führt dazu, dass sie oft wochenlang bei uns bleiben – und die Krankenkassen zahlen das dann nicht mehr.“ Seniorinnen und Senioren, die ihren Haushalt auch im Alter noch allein führen konnten, sind dazu nach einem Sturz oft nicht mehr in der Lage.