Hamburg. Dramatische Entwicklungen für Hamburger Familien, Kitas und Schulen. Oberste Kinderärztin Haupt: „Eine unheimliche Welle.“

In den Familien, den Kitas und Schulen in Hamburg werden die Folgen der Corona-Pandemie noch über Jahre zu spüren sein. Das prognostiziert die Hamburger Vorsitzende des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Claudia Haupt, angesichts neuer Zahlen und Trends, die die Krankenkasse Barmer im Arztreport 2023 vorgelegt hat, sowie anhand der Lage in den Arztpraxen. Hamburgs Barmer-Chefin Dr. Susanne Klein sagte: „Das Ziel war, Ältere vor einer Ansteckung zu schützen. Darum wurden Schulen, Kitas und Spielplätze geschlossen. Das war vielleicht nicht die beste Idee.“

Kinderärztin Haupt verwies auf eine „nie da gewesene“ Welle an Infektionskrankheiten,RS-Viren, eine Grippe-Epidemie und auf den jetzt grassierenden Scharlach. Weil in der Corona-Pandemie aufgrund der Kontaktbeschränkungen die gewohnte „Saison“ für diese Erkrankungen ausgefallen sei, falle sie nun umso unberechenbarer und zum Teil heftiger aus. „Es war im Winter 2022/2023 eine unheimliche Welle, die deutlich mehr ältere Kinder betroffen hat. Zudem war die Hospitalisierungsquote höher.“

Corona-Folgen: Grippewelle und Atemwegsinfekte – und keine Fiebersäfte für Kinder

Das bedeutet: Es gab mehr komplikationsreiche und lang anhaltende Fälle. „Kinder haben sieben oder zehn Tage hoch gefiebert – und wir hatten keine Fiebersäfte mehr. Das ist für Deutschland einfach schrecklich.“ Zudem fehlten passgenaue Antibiotika für kranke Kinder. Sie wurden häufig mit Breitband-Antibiotika behandelt.

Haupt und Barmer-Chefin Klein machten zudem auf die psychischen Folgen aufmerksam, die Kinder und Jugendliche hart träfen. Depressionen, Ess- und Zwangsstörungen seien vermehrt festzustellen – schnelle Hilfe gebe es kaum. Unter anderem die viel beachtete Copsy-Studie des UKE hatte das belegt.

Überraschende Zahlen zur Hand-Fuß-Mund-Krankheit

Krankenkassen-Chefin Klein konnte anhand der Versichertendaten zeigen, dass die Zahl der Infektionen bei Kindern im ersten und zweiten Jahr der Pandemie abgenommen hatte. Waren es 2019 noch 4400 Kinder mit Scharlach, wurden 2020 nur noch 530 behandelt. Die Nachholeffekte seien umso dramatischer.

Von der Hand-Fuß-Mund-Krankheit waren überraschenderweise 2021 so viele Kinder betroffen wie nie (8150 Infizierte). Es gibt Kinder, die sich vier-, fünfmal im Jahr damit infizieren. Für Neugeborene in der Familie oder kranke Angehörige könne das bedrohlich sein. Klein sagte: „Kinder sind die großen Verlierer der Corona-Pandemie.“

Windpocken: Warum eine Impfung einen späten positiven Effekt hat

Impfen kann man sich jedoch gegen Windpocken. Hier sei ein positiver Rückgang zu verzeichnen. Das sei auch deshalb zu begrüßen, so Klein, weil Kinder, die die Windpocken durchgemacht hätten, als Erwachsene ein höheres Risiko für eine Gürtelrose hätten.

Haupt sagte, in vielen Kitas müssten Kinder das Gruppenmiteinander erst wieder erlernen. Hinzu komme: Der schulärztliche Dienst im Hamburger Bezirk Nord habe bei sieben bis acht von zehn Kindern festgestellt, dass sie Mängel in ihrer sprachlichen und Bewegungsentwicklung hätten. „Wir hatten noch nie so viele Anträge auf Schulrückstellungen“, sagte Haupt. Diese Kinder im Vorschulalter müssen noch ein Jahr pausieren, bis sie in die erste Klasse können.