Hamburg. TK-Vorstandsvorsitzender Jens Baas rechnet mit „vielleicht bald 20 Prozent“ – und hält nur drei Arten von Krankenhäusern für nötig.
Deutschlands größte Krankenkasse, die Techniker, erwartet drastisch steigende Beiträge und eine erhebliche Belastung für die Versicherten und die Arbeitgeber. TK-Vorstandschef Jens Baas sagte dem Abendblatt, das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe kein Problem gelöst, aber die von den Beitragszahlern angesparten Reserven aufgelöst.
Krankenversicherung – TK-Chef: Beiträge steigen drastisch
„Diese Reserven stehen auch mit Blick auf die Beitragsentwicklung der kommenden Jahre nicht mehr zur Verfügung – Geld weg, Problem noch da. Was machen wir?", so Baas. "Wenn nichts passiert, gibt es keine andere Option, als den Versicherten und ihren Arbeitgebern noch höhere Beiträge abzuverlangen. Was ist, wenn es irgendwann 20 Prozent des Einkommens sind?“
Zusammen mit den Abgaben für Rente, Pflege- und Arbeitslosenversicherung gingen künftig mehr als vier von zehn Euro eines Einkommens an Sozialbeiträgen ab. Baas sagte: „Die 40 Prozent Lohnnebenkosten-Quote ist sang- und klanglos verschwunden.“
Krankenversicherung: Private nicht an Kosten für Arme beteiligt
Es könne sogar dazu kommen, dass die Krankenkassenbeiträge mehrmals im Jahr angepasst werden müssen. Denn es gebe wegen steigender Ausgaben und absehbar geringerer Einnahmen keine Planungssicherheit mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Baas kritisierte die Ampel-Koalition in Berlin scharf, weil Privatversicherte nicht an den Gesundheitskosten für Sozialhilfebedürftige und Hartz-IV-Bezieher beteiligt seien. „Momentan finanzieren die Beitragszahlenden die Krankenversicherung zum Beispiel für die Bezieher von Arbeitslosengeld II kräftig mit. Das ist aber die Aufgabe des Staates. Wir müssten vom Staat eigentlich so viel Geld für die ALG-II-Empfänger bekommen, wie ihre Versorgung im Schnitt kostet – bekommen aber deutlich weniger.“ Es sei „absolut ungerecht“, dass die Privatversicherten als die am besten Verdienenden daran nicht beteiligt seien.
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Krankenhäuser: Wo schlecht behandelt wird
Um die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu begrenzen, sprach sich Baas ähnlich wie zuletzt Asklepios-Vorständin Sara Sheikhzadeh im Abendblatt für eine radikale Krankenhausreform aus und gegen ein „Klein-Klein“, wie es Lauterbachs Kommission gerade betreibe. Der TK-Chef sagte: „Wir brauchen eine Grundversorgung in der Fläche, spezialisierte Medizin in Zentren und universitäre Spitzenforschung – also eine übergreifende Krankenhausreform. Woran scheitert das? Schon an den Ländergrenzen.“
Jeder zweite Krebspatient in Deutschland werde nicht von erfahrenen Spezialisten behandelt: „Wenn Sie ein Prostata-Karzinom haben und in ein Wald- und Wiesen-Krankenhaus gehen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, inkontinent oder impotent zu werden, höher.“