Hamburg. Im Innenausschuss wurde bekannt: Zwei weitere Polizisten arbeiteten nebenbei im Hanseatic Gun Club. Wo die Zeugen Jehovas jetzt beten.

Für Michael Tsifidaris stand am späten Donnerstag fest, dass es für ihn – und für die Zeugen Jehovas – ein guter Abend war. Der Sprecher der Religionsgemeinschaft in Hamburg durfte sich darüber freuen, dass im fernen Berlin beschlossen wurde, einen gemeinsamen Antrag der Ampelkoalition mit der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion einzureichen. Darin werben die politischen Parteien für eine Gedenkskulptur im Berliner Tiergarten, um an das Schicksal der Religionsgemeinschaft in der NS-Zeit zu erinnern, in der die Zeugen Jehovas massiv verfolgt wurden. Nur bei der Bewertung, ob auch der Donnerstagnachmittag gut für ihn und seine Gemeinschaft war, tat sich Tsifidaris danach schwer.

Etwas mehr als zwei Stunden war Tsifidaris mit zwei Kolleginnen aus der Gemeinde im Saal 151 im Rathaus, um bei der aktuellen Sitzung des Innenausschusses über neue Entwicklungen rund um den Amoklauf von Alsterdorf informiert zu werden. „Wir wünschen uns eine lückenlose Aufklärung“, sagte der Hamburger Zeugen-Jehovas-Sprecher, dessen Wunsch von Innensenator Andy Grote (SPD), Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich allerdings nur bedingt erfüllt wurde.

Amoklauf: Zeugen Jehovas fordern von der Politik neue Erkenntnisse

Immerhin: Eine neue Erkenntnis hatte Grote offenbar doch gewonnen. „Hat die Waffenbehörde alles richtig gemacht?“, fragte sich der Innensenator am frühen Donnerstagabend selbst, ehe er auch direkt die Antwort gab: „Das ist nicht so. Mit dem Wissen von heute ist nicht alles so gelaufen, wie wir uns das heute vorstellen wollen.“

Vor einem guten Monat hatte das noch ein wenig anders geklungen. Da antwortete Grote auf die ähnliche Frage, ob der Amoklauf durch ein anderes Vorgehen der Waffenbehörde hätte verhindert werden können: „Mit dem Wissen von heute müssen wir sagen: wohl nicht.“

Zeugen Jehovas: „Beobachten Ermittlungsverfahren mit großer Aufmerksamkeit.“

Und genau das ist auch ein wenig das Problem – die Aufklärung in kleinen Häppchen. „Bisweilen hatte man den Eindruck, dass immer wieder etwas Neues dazukommt“, hatte auch schon Sprecher Tsifidaris im Abendblatt kritisch angemerkt. Am Freitag sagte er: „Wir beobachten das laufende Ermittlungsverfahren mit großer Aufmerksamkeit.“

Am Tag nach der Sitzung wirbt Sören Schumacher, der innenpolitische Sprecher der SPD, der natürlich ebenfalls am Vortag beim Innenausschuss dabei war, im Gespräch mit dem Abendblatt um Geduld. „Es ist sehr wichtig, dass sich der Innenausschuss mit dem Thema weiter beschäftigt und wir Stück für Stück alle Informationen zusammentragen, abhängig von den laufenden Ermittlungen. Wir sind sehr an einer umfassenden Aufklärung und auch an möglichen Fehlern oder Missständen in der Waffenbehörde interessiert. Die Staatsanwaltschaft befasst sich ja bereits mit dem Thema. Deren Ermittlungsergebnisse sind einfach abzuwarten.“

Gegen Mitarbeiter der Waffenbehörde wird ermittelt

Die Waffenbehörde also. Diese stand am Vortag bei der zweiten Innenausschusssitzung, die sich mit dem Amoklauf mit acht Toten befasste, im Zentrum. Zuletzt hatte die Generalstaatsanwaltschaft vor zwei Wochen mitgeteilt, dass im Zusammenhang mit der Waffenerlaubnis des Attentäters Philipp F. gegen einen Mitarbeiter der Waffenbehörde wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt wird. Auch gegen Mitglieder des Prüfungsausschusses im Schießclub des Attentäters laufen Ermittlungen.

Zudem geriet auch die Leiterin der Waffenbehörde in die Kritik. In einem offenen Brief hatte ein Journalist behauptet, dass diese schon vor dem Amoklauf vom späteren Attentäter Philipp F. gewusst haben müsse. Der zentrale Kritikpunkt: Sie habe ihren mittlerweile freigestellten Mitarbeiter Wolf K., von dem sie wusste, dass er in der Vergangenheit ebenfalls im Hanseatic Gun Club nebenberuflich tätig war, auch nach dem anonymen Warnbrief nicht zum Schießclub befragt. Polizeipräsident Meyer nannte die Vorwürfe am Donnerstag „sehr konstruiert“.

Zwei Polizisten arbeiteten ebenfalls im Hanseatic Gun Club

Trotzdem habe sich die Polizei intensiv mit möglichen Interessenkonflikten beschäftigt, sagte der Leiter der Prüfgruppe zur Untersuchung der Amoktat, Markus Fiebiger. Er räumte am Donnerstag zudem ein, die Behörde habe erst kürzlich erfahren, dass auch zwei weitere Polizisten eine genehmigte Nebentätigkeit im Hanseatic Gun Club hatten. Diese wurde ihnen Anfang dieser Woche untersagt. Zudem werde nun auch über die Einführung eines Compliance-Systems nachgedacht.

All das findet auch Michael Tsifidaris lobenswert. Allerdings wünscht sich der Sprecher der Zeugen Jehovas darüber hinaus Ergebnisse. „Selbstverständlich erhoffen wir uns auch noch mehr Erkenntnisse darüber, wie sich der Täter in den zwei Jahren seit seinem Verlassen der betroffenen Gemeinde so radikalisieren konnte“, sagte Tsifidaris, der sich innerhalb seiner Gemeine um so etwas Ähnliches wie Normalität nach der schlimmen Tat bemüht.

Amoklauf: Gemeinde nutzt Alsterdorfer Saal noch nicht wieder

Doch auch zwei Monate nach dem Amoklauf wird der Königreichssaal in Alsterdorf, wo Philipp F. sieben Menschen erschoss, ehe er sich selbst richtete, bis auf Weiteres von der Gemeinde nicht genutzt. „Die betroffenen Gemeinden sind unmittelbar nach der Tat sofort von ihren Nachbargemeinden aufgenommen worden“, sagte Tsifidaris.

Die Raumfrage konnte schnell geklärt werden. Bei allen anderen Punkten ist Geduld gefragt.