Hamburg. Große Skepsis bei Asklepios, Albertinen, Marienkrankenhaus und Co. Senatorin Melanie Schlotzhauer macht überraschende Ansagen.

Die viel diskutierte Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betrifft in Hamburg Zehntausende Arbeitsplätze von Ärztinnen, Ärzten, Pflegekräften und Klinikpersonal. Allein: Was drinsteckt in der Verpackung, die Lauterbach im O-Ton eine „Revolution“ nannte, das ist so trüb wie Elbschlick. Denn es ist in Wirklichkeit keine Lauterbach-Reform, sondern eine gemeinsam mit allen Bundesländern. Die haben bei ihren Krankenhäusern das Sagen.

Und so rang Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) an gleich zwei Tagen in gleich zwei geheimen Gipfeln mit Krankenhausmanagern und Ärzten (auch niedergelassenen) hier und Krankenkassen dort um die schwerwiegenden Folgen von Plänen, die im Detail möglicherweise wieder kassiert werden.

Krankenhaus: Was mit der Reform auf Hamburg zukommt

Die Reform ist jedoch für Patientinnen und Patienten bedeutsam. Auch wenn ihnen gleichgültig sein kann, was eine Operation kostet, ist doch der Weg dorthin für sie wichtig: Wo ist die nächste Notaufnahme? Gibt es eine Schlaganfall-Einheit (stroke unit)? Muss ich für eine Geburt in eine andere Klinik als die, die ich wollte? Kann ich sehen, welches Krankenhaus bei Krebsbehandlungen die besten Ergebnisse bringt?

Was Lauterbach als „Qualitäts-Offensive“ verkauft, sei „nichts anderes als eine Finanzreform und der Weg zu Krankenhausschließungen auf dem Land“, wie ein Krankenhausmanager dem Abendblatt sagte, der bei einem der Schlotzhauer-Gipfel dabei war. Die Senatorin sagte am Donnerstag: „Wir müssen die Reform daran ausrichten, was die Patienten benötigen – und was die Versorger können.“ Und Richtung Reformreklame aus Berlin sagte sie: „Eine Revolution ist ein großes Wort. Die Krankenhausreform ist eine Qualitäts- und Finanzreform.“

Müssen Kliniken in Hamburg geschlossen werden?

Müssen auch in Hamburg Kliniken schließen, wenn alle Häuser in Level (Versorgungsstufen) eingeteilt werden? Wenn nur noch die Krankenhäuser mit einer Mindestausstattung an Personal und Geräten bestimmte Operationen durchführen dürfen? „Diese Level brauchen wir in Hamburg nicht“, hatte Asklepios-Vorstand Joachim Gemmel bereits vor Wochen gesagt. Ebenso trocken meinte Schlotzhauer: „Ich halte die Levelei für überholt.“ Und sie glaubt: „Wir haben aktuell unserem Wissen nach kein Krankenhaus, das vor einer Schließung steht.“

Die Hamburger Krankenhäuser halten sich sehr bedeckt, was die Reform angeht. Das UKE dürfte kaum betroffen sein. Asklepios modelliert im Hintergrund bereits mit Patientenzahlen, Aufwänden und Erträgen verschiedene Szenarien.

Agaplesion (Diakonieklinikum Eimsbüttel und Bergedorf) teilte mit: „Für Eimsbüttel besteht eine ausgeprägte fachliche Profilierung, die so in Norddeutschland einzigartig und in jedem Fall erhaltenswert ist. In Bergedorf erfüllen wir einen zentralen Versorgungsauftrag mit einem Schwerpunkt auf Notfallversorgung. Auch hier ist ein Erhalt unserer Ansicht nach zwingend erforderlich, um die Versorgung der Hamburger Bevölkerung in diesem Einzugsgebiet zu sichern.“

Krankenhaus Hamburg: Was wird aus den Geburtskliniken?

Auch die Geburtshilfe in Bergedorf müsse bleiben, weil der Bezirk in den kommenden Jahren durch große Bauvorhaben einen weiteren Zuzug junger Familien erleben werde. Experten schätzen, dass schon heute drei von vier Hamburger Patienten in den von Lauterbach propagierten „Zentren“ versorgt werden. Und die kleineren Häuser haben die Chance, sich für ambulante Behandlungen zu öffnen.

Ein Gipfelteilnehmer sagte über Senatorin Schlotzhauer: „Sie schreibt doch am neuen Gesetz mit, kann also die Hamburger Bedürfnisse direkt berücksichtigen.“ Tatsächlich kommt auf Schlotzhauer eine Rolle zu, die es im deutschen Gesundheitswesen nie gegeben hat. Als Verantwortliche eines Stadtstaates – und einer Medizin-Metropole – muss sie mit Bayern und Nordrhein-Westfalen eine zustimmungsfähige Reform in Worte gießen, die dafür sorgen wird, dass mit vielleicht wenigen Jahren Verzögerung vor allem im ländlichen Raum Krankenhäuser schließen oder sich völlig neu aufstellen müssen.

„Egal, ob man in Bottrop oder Barmbek behandelt wird“

Sie machen zwar viele Operationen, aber zu wenige, für die man eigentlich mehr Personal und mehr Erfahrung bräuchte. Wenn die Finanzierung umgestellt wird vom reinen Bezahlen nach Fall und Art der Operation (Diagnosis Related Groups, DRG) auf einen vorgeschlagenen Mix aus diesen Fallpauschalen (40 Prozent) und Bezahlen (60 Prozent) nach dem, was ein Haus an Ärzten und Geräten hat (Vorhaltepauschale), dann werden einige Einrichtungen zu kämpfen haben.

Krankenhausreform: Hamburgs Sozial- und Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) schreibt am neuen Gesetz mit.
Krankenhausreform: Hamburgs Sozial- und Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) schreibt am neuen Gesetz mit. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Denn es wird neue „Leistungsgruppen“ geben, die die Vorhaltepauschalen bestimmen. So soll verhindert werden, dass Krankenhäuser sich auf lukrative Behandlungen konzentrieren. „Die Leistungsgruppen setzen dieselben Versorgungsstandards, egal, ob man in Bottrop, Buxtehude oder Barmbek behandelt wird“, so Schlotzhauer.

Schlotzhauer sagte außerdem: „In Hamburg ist unsere Krankenhausplanung schon seit Jahren auf eine Spezialisierung der Krankenhäuser ausgerichtet. Der Reformbedarf in der Krankenhaus-Landschaft ist deshalb in Hamburg geringer als in anderen Bundesländern, das liegt auch an unserer stadtstaatlichen Struktur und unserem Selbstverständnis als Gesundheitsmetropole für den Norden.“

Personalwechsel zwischen Hamburger Krankenhäusern?

Die Hamburger Senatorin koordiniert die A-Länder, also alle bis auf Bayern, Baden-Württemberg, NRW und Schleswig-Holstein. Und gerade aus der Abteilung B-Land werden Wünsche nach Ausnahmen kommen. In Bayern etwa wird demnächst gewählt und kaum ein Kommunalpolitiker dürfte sich mit der Aussicht auf eine Krankenhausschließung in seinem Amt halten. Aber: Viele Ausnahmen von den Leistungsgruppen darf es nicht geben, um die Reform wirkungsvoll umzusetzen, meinen die Krankenkassen.

Nach Abendblatt-Informationen haben auch die Kassen Schlotzhauer sehr klargemacht, dass diese Reform an Hamburg nicht spurlos vorübergehen werde. Sie erwarten, dass es Zusammenlegungen geben wird, mehr „Zentren“ und damit verbunden – unausgesprochen – sogar Personalwechsel. Auf einer Veranstaltung der Ärztegewerkschaft Marburger Bund sagte dessen Hamburger Vorsitzender Dr. Pedram Emami: Es werde wohl nicht ausbleiben, dass Personal umverteilt werden müsse. Ob das zum Beispiel nur Asklepios intern betrifft oder auch Wechsel zwischen verschiedenen Trägern, muss sich zeigen.

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Emami warnte davor, dass junge Ärzte, die erst zu Fachärzten ausgebildet werden sollen, zwischen verschiedenen Häusern hin- und herspringen. Das verbessere nicht gerade die Qualität. „Die Politik verkauft das als Qualitätsreform, aber das ist eine Finanzreform.“

Die Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, Dr. Claudia Brase, sagte: „Personal lässt sich nicht einfach planwirtschaftlich umverteilen.“ In Schleswig-Holstein und andernorts gibt es aufgrund wirtschaftlicher Einbußen der Krankenhäuser bereits Klinikschließungen und größere Übernahmen. Brase sagte mit Blick auf Milliarden Euro, die fehlen: „Viele Krankenhäuser werden die Reform gar nicht mehr erleben.“