Abendblatt.de sucht die schlimmsten “Eisbahnen“ der Stadt. Hier lesen Sie die Erklärungen der Verantwortlichen.
Hamburg. Das "Eis-Chaos" auf Hamburgs Fußwegen - während die Politiker der Stadt streiten und sich gegenseitig die Zuständigkeit zuschieben, sieht sich das Abendblatt auf den Straßen und vor öffentlichen Gebäuden um. Direkt vom jeweiligen Glatteis-Brennpunkt ruft der Reporter bei den zuständigen Bezirken oder der Stadtreinigung an und erfragt den Grund für das Problem. Die Meinung der Hamburger ist eindeutig: Keine Ausreden mehr! So lautet die Forderung an die Verantwortlichen.
1. Station, Gänsemarkt: Eisplanken soweit das Auge reicht. Ein schmaler schneefreier Weg führt zur Bushaltestelle, die wiederum nicht geräumt ist. Bezirkschef Markus Schreiber (SPD) gibt telefonisch Auskunft: "Wir haben einen etwa eineinhalb Meter breiten Weg geräumt. Für den gesamten Platz ist zurzeit kein Geld da. Hatten wir letztes Jahr noch 200.000 Euro für den Winterdienst zu Verfügung, sind es ausgerechnet in diesem strengen Winter nur noch 144.000 Euro."
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2. Station, Rathausmarkt: Von der Bushaltestelle führt ein eisfreier Weg bis zum Rathaus. Links und rechts davon - blankes Eis. Mittes Bezirkschef Markus Schreiber ist auch hier zuständig: "Wir haben drei Firmen mit dem Winterdienst beauftragt. Zwei davon arbeiten überwiegend ordentlich. Die dritte tut so gut wie nichts. Dieser Firma kürzen wir jetzt das Geld. Wenn es nicht besser wird, kündigen wir. Gott sei Dank hat hier die Stadtreinigung geholfen."
3. Station, Wandsbek Markt: Vor dem Rathaus ist der Platz gut geräumt. Einen Meter weiter sieht es schlimm aus. Mehrere Fußgänger fluchen lauthals. Der Bezirk sagt dazu: „Wir haben eine Privatfirma mit dem Winterdienst beauftragt, der gucken wir ganz genau auf die Finger“, sagt Sprecherin Christiane Kuhrt. Gibt es Hinweise, dass die Zustände irgendwo ganz katastrophal seien, werde die Firma umgehend ermahnt. Vor dem Rathaus Wandsbek sind die Gehwege vorbildlich geräumt - wie kommt’s? „Ja“, sagt Christiane Kuhrt, „das liegt daran, dass unser Hausmeister fleißig eingreift.“
4. Station, Dehnhaide: Rutschgefahr auf dem Gehweg. Vor einem Rotklinker-Mietshaus versucht ein Mann, die dicke Eisschicht mit einem Holzstab zu zerhacken. Ein Kraftakt. „Seit einer Stunde bin ich schon dabei, geschafft habe ich kaum etwas“, sagt Jörn Fischer. Ist er als Eigentümer in der Eisräum-Pflicht? „Von wegen“, sagt der 38-Jährige. „Ich bin Mieter, nehme die Sache jetzt seit Tagen selbst in die Hand.“ Die nächste Betriebskostenabrechnung will sich der Sekretär ganz genau ansehen. „Sonst ist erst recht ein Gespräch mit meinem Vermieter fällig.“ Dazu Reinhard Fiedler, Stadtreinigung: „Deutlich mehr Menschen beschweren sich in den vergangenen Tagen bei uns, weil sie immer zuerst an die Stadtreinigung denken, wenn auf Gehwegen nicht gestreut ist. Das ist aber nicht unsere Aufgabe.“
5. Station, diverse Seitenstraßen im Bezirk Wandsbek: Fast kein Durchkommen. Spurrillen haben sich gebildet, das Auto setzt auf der Schneeinsel in der Mitte der Fahrbahn auf. Warum wird hier offensichtlich überhaupt nicht mehr geräumt? Reinhard Fiedler, Sprecher der Stadtreinigung: „Auf Nebenstraßen streuen wir nicht. Das ist nicht mehr machbar – und auch nicht bezahlbar. Der Eispanzer auf den Nebenstraßen geht nicht weg. Abkratzen macht das Pflaster kaputt und wir haben ja schon genug Schlaglöcher. Aber selbst wenn wir Salz streuen würden, würde es Tage dauern, bis das Eis weg wäre. Wir haben ohnehin nur noch Salz für die Hauptverkehrsstraßen.“
6. Station, Bushaltestelle Bezirksamt Eimsbüttel am Grindel: Akute Rutschgefahr! Spiegelglatt ist es hier. Ein kleines Mädchen mit Tornister auf dem Rücken rutscht aus, eine Frau hakt sich bei ihrem Mann unter: „Anders trau ich mich nicht auf den Gehweg“, sagt sie. Eine Rentnerin mit Gehwagen ist ganz langsam unterwegs. Schritt für Schritt über das Eis: „Normalerweise brauche ich von hier aus höchstens eine Viertelstunde zum Supermarkt an der Hallerstraße – am Donnerstag waren es zwei Stunden!“ Sie müsse vorsichtig sein, 2005 sei sie schon einmal im Winter gestürzt. Diagnose damals: Oberschenkelhalsbruch. Nachfrage beim Bezirk Eimsbüttel. Hat man die Lage noch im Griff? „Drei Firmen haben wir mit der Eisräumung beauftragt“, sagt Thomas Pröwrock. „Schriftlich und mündlich haben wir ihnen mitgeteilt, dass sie ihre Leistungen nicht erfüllen.“ Es habe sich allerdings gebessert. „Jetzt tun sie, was in der Situation noch möglich ist.“ Auch in Eimsbüttel gehen viele Klagen über Eigentümer ein, die ihre Räumpflicht ignorieren. Bis zu 15 Kontrolleure sind im Einsatz. „Bei Nichtachtung der Pflicht wird ein Bußgeld von 150 Euro fällig. Seit Donnerstag sind wir rigoros."
Reichlich Frust gibt es inzwischen übrigens auch bei den mehr als 1000 Briefträgern in der Stadt: „Die Zahl der Prellungen und Knochenbrüche liegt bei unseren Zustellern dreimal höher als in anderen Wintern“, sagt Post-Sprecher Jörg Koens. Die Zustellungen dauern derzeit deutlich länger, vereinzelt wurden auch schon Touren abgebrochen. „Was die Motivation bremst: Die Situation ist in den vergangenen Tagen nicht besser sondern schlimmer geworden.“
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