Hamburger Hauptschulmodell hat in den letzten zehn Jahren mehr als 3800 Hauptschülern zu einem Ausbildungsplatz verholfen.
Hamburg. Als Isa Pini seine Klarinette behutsam an die Lippen setzt, wird es ganz still im Saal. Dann legt der junge Mann los. Dass einer wie der 22-Jährige die Chance bekam, Musik zu studieren, verdankt er seiner Beharrlichkeit und dem Hamburger Hauptschulmodell. Denn Pini, der unbedingt Berufsmusiker werden will, hatte früh angefangen, Klarinette zu spielen, aber darüber die Schule etwas vernachlässigt. Und so schaffte er nur einen Hauptschulabschluss. Doch der junge Mann mit mazedonischen Wurzeln wurde 2006 als Ausnahmetalent anerkannt und konnte ein Studium am Hamburger Konservatorium beginnen - dank mehrerer Stipendien, denn seine Eltern hätten das Studium nicht bezahlen können.
Gestern wurde das zehnjährige Bestehen des Hamburger Hauptschulmodells gefeiert, das als erfolgreicher Weg gilt, Schüler mit Hauptschulabschluss nahtlos in eine Berufsausbildung zu begleiten. Und manchmal ist es eben kein klassischer Ausbildungsberuf, sondern ein Musikstudium wie bei Isa Pini. "In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Hauptschulmodell als hervorragendes Konzept für den Übergang in eine Ausbildung erwiesen", sagte Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group und einer der Initiatoren des Modells. "Seit 2001 hat sich die Zahl der Hauptschüler, die direkt nach dem Abschluss eine Ausbildung beginnen konnten, verdreifacht." Damals waren es knapp sieben Prozent aller Hauptschulabgänger, inzwischen sind es 21,5 Prozent. Besonders erfolgreich sei das Modell bei Schülern mit ausländischen Wurzeln, sagte Otto.
+++ Hamburger Hauptschulmodell "wegweisend" +++
Bislang haben 3812 Hauptschulabsolventen in 146 Berufen eine Ausbildung begonnen. "Angesichts der demografischen Entwicklung dürfen wir keinen einzigen Jugendlichen verlieren", sagte Michael Otto.
Das Modell, das bereits von 19 Städten und Regionen in Deutschland übernommen wurde und sogar im Ausland für Aufmerksamkeit sorgt, ist auf drei Säulen aufgebaut. Hamburger Schulen, Berufsberatung und Unternehmen arbeiten bei der Berufsorientierung eng verzahnt zusammen.
Eine eigens geschaffene "Koordinierungsstelle Ausbildung" bei der Arbeitsstiftung Hamburg ist die Anlaufstelle für Schüler, Lehrer und Unternehmen. Jeweils zu Beginn ihres letzten Schuljahres werden die Stärken und Interessen der Schüler ermittelt, und auf dieser Basis werden Ausbildungsberufe gesucht. Wenn es gelte, einen Ausbildungsplatz zu vergeben, seien "Stärken und Interessen eines Jugendlichen bessere Indikatoren als Schulnoten", sagte Michael Otto, dessen Unternehmensgruppe über das Hauptschulmodell bislang 83 Ausbildungsplätze vergeben hat.
Inzwischen nehmen alle 91 Hamburger Schulen mit Hauptschulabsolventen an dem Modell teil, 75 Unternehmen und Organisationen engagieren sich. Die Kosten für die Koordinierungsstelle liegen bei 600 000 Euro pro Jahr, die aus Mitteln der Stadt und der Arbeitsagentur getragen werden. "Die Hauptschule gibt es in Hamburg nicht mehr, aber den Abschluss, den gibt es noch", sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Es sei ein erklärtes Ziel des Hamburger Senats, dass alle Jugendlichen eine Berufsausbildung beginnen. 3000 Schüler beendeten jedes Jahr die Hauptschule, sagte er, "es ist für mich eine Herzenssache, dass jeder etwas Passendes für sich finden kann. Wichtig ist, dass das Hamburger Hauptschulmodell zum Standardmodell wird. Weniger sollte niemand im Gepäck haben, als dass er eine Lehre gemacht hat", sagte Scholz, "niemand darf verloren gehen." Es reiche nicht, jungen Leuten erst dann zu helfen, wenn schon etwas schiefgegangen sei. Bildungssenator Ties Rabe kündigte eine Jugendberufsagentur zur Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Beruf an: "Im Sommer 2012 soll sie starten."
"Es ist enorm wichtig, junge Hauptschüler nicht alleinzulassen und ihnen eine Chance am Arbeitsmarkt zu geben", sagte Michael Otto und fügte hinzu: "Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der niemand mehr sagen kann, er habe keine Chance gehabt."