Förderung aus einer Hand wie im Hamburger Hauptschulmodell könnte Vorbild sein. Schulausschuss diskutiert das Projekt.
Lüneburg. "Jeder, der ohne einen Abschluss die Schule verlässt, ist einer zuviel", sagt Bernd Wiechel, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Lüneburg-Nordostniedersachsen.
Jugendliche ohne Schulabschluss haben deutlich geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz, ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko und müssen - sofern sie überhaupt erwerbstätig werden - mit einem niedrigeren Einkommen rechnen. "Die hohe Zahl von Jugendlichen ohne Schulabschluss zieht entsprechend hohe Kosten nach sich: für jeden Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft durch entgangene Steuereinnahmen und nötige Transferleistungen wie Hartz IV oder Sozialhilfe", so Wiechel.
Schon vor zwei Jahren war der Verband (ein Zusammenschluss vorwiegend kleiner- und mittelständischer Unternehmen mit Sitz in der Stadtkoppel) an den Landkreis herangetreten, um ihm das Hamburger Hauptschulmodell vorzustellen. Das Hauptziel des Modells besteht in einer deutlichen Erhöhung der Zahl derjenigen, die am Ende der Schulzeit eine duale Ausbildung beginnen. Dual bedeutet, dass die praktische Ausbildung in einem Unternehmen, die berufliche in der Berufsschule stattfindet. Der Vorteil des Hamburger Modells liegt in seiner Konzentration. Sein Träger ist die Arbeitsstiftung Hamburg. Die Hansestadt und ihre Behörden, die Agentur für Arbeit Hamburg und 75 Privatunternehmen arbeiten mit.
"Das Modell überzeugt durch sein geschlossenes System. Es setzt voraus, dass auf kommunaler Ebene alle bereit sind, an einem solchen System teilzunehmen", sagt Wiechel. Eine solche Geschlossenheit fehlt bisher im Landkreis Lüneburg. Hier herrscht Wildwuchs: Es gibt eine Vielzahl von Angeboten, Projekten und Fördertöpfen, doch viele Einrichtungen arbeiten parallel und ohne Abstimmung untereinander. Wiechels Eindruck: "Hier geht alles drunter und drüber." Auch Martin Wiese, Leiter des Fachdienst Soziales im Landkreis Lüneburg gibt zu: "Das alles müsste einmal koordiniert werden."
Im Hamburger Modell erarbeiten Lehrer und Schüler einen Steckbrief über die Stärken und Interessen der Schüler. Auf dieser Grundlage führen die Berufsberater der Arbeitsagentur mit den Schülern eine Berufsberatung durch und klären, welche Ausbildungen für die einzelnen Jugendlichen in Frage kommen. Gemeinsam mit Personalreferenten aus Unternehmen überprüfen die Schüler noch einmal ihre Berufswahl. Die Personalprofis geben den Jugendlichen Tipps, worauf Unternehmen bei Bewerbungsgesprächen besonderen Wert legen und beraten sie in allen Bewerbungsfragen.
Überaus erfolgreich unterstützt das Hauptschulmodell Absolventen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. "Bis zum Start des Modells 2001 wechselten nur 6,7 Prozent der Hamburger Schulabgänger mit Hauptschulabschluss direkt nach Schulende in eine ungeförderte Ausbildung. Die Quote konnte bis heute nahezu verdreifacht werden und lag 2010 bei über 19 Prozent", sagt Carsten Israel von der Arbeitsstiftung Hamburg. "Der Anteil der Schüler ausländischer Herkunft an der Gesamtzahl der vermittelten Schüler beträgt 33 Prozent - ein bundesweiter Spitzenwert." Bis zu 1500 Schüler melden sich jährlich zu Gesprächen bei der Stiftung an.
Für Lüneburg liegen bisher keine Zahlen vor, lediglich ein System, dass Schüler nach dem Abschluss der neunten oder zehnten Klasse erfasst. Über das Internetportal "Schüler online" können sie Weichen für ihre weitere Schullaufbahn stellen. "Ein Ziel der elektronischen Plattform ist, dass kein Schüler nach der neunten oder zehnten Klasse verloren geht", erklärt Martin Wiese.
Allerdings hat das Jobcenter Ende Juli seine Finanzierung für das Regionale Zentrum für Berufsfindung (RZB) eingestellt. Das RZB verstand sich als "Erste-Hilfe-Anlaufstelle" für Schüler aus Stadt und Landkreis Lüneburg. Seine Aufgabe war es, Schüler der Berufsbildenden Schulen bei Ausbildungsproblemen, der Entwicklung beruflicher Perspektiven sowie bei der Erreichung beruflicher Ziele unterstützend zu beraten. Mit dem Wegfall des Zentrums rückt das Hamburger Hauptschulmodell wieder ins Blickfeld des Landkreises.
"Insoweit könnte über das Hamburger Hauptschulmodell im Bereich des Übergangs Schule-Beruf weiterhin ein Schwerpunkt des Handelns des Landkreises Lüneburg liegen", heißt es in einer Arbeitsvorlage für die Sitzung des Schulausschusses, der am Mittwoch, 17. August, um 15 Uhr im Sitzungssaal der Kreisverwaltung tagt. Vorgestellt wird das Modell von Carsten Israel. "Bundesweit haben bereits 16 Regionen das Modell kopiert, darunter Städte wie Frankfurt und Nürnberg", so der Mitarbeiter der Arbeitsstiftung Hamburg.