Hamburgs große Hochschulen verzichten auf Bundesprogramm, das begabten Studenten helfen soll. Wird das Programm ein Flop?
Hamburg/Berlin. Als Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) das Deutschland-Stipendium Anfang Februar mit erheblichem Aufwand startete, galt die neue Förderung als große Chance für begabte und leistungsbereite Studierende gerade aus benachteiligten Familien. Sieben Monate später droht das Unterstützungssystem zum Flop zu werden.
In Hamburg nehmen die drei großen Hochschulen - Universität, TU Hamburg-Harburg (TUHH) und Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) - an dem Förderprogramm nicht teil. Dagegen erhalten an der HafenCity-Universität (HCU) elf Studierende mit Beginn des Wintersemesters ein Stipendium in Höhe von 300 Euro monatlich - unabhängig davon, ob sie auch andere Förderungen wie BAföG kassieren. Bundesweit sind statt zehn Millionen Euro, die im Haushalt 2011 für das Deutschland-Stipendium vorgesehen waren, gerade einmal 1,4 Millionen Euro ausgegeben worden. Die Kosten für Werbung und Anzeigen belaufen sich dagegen auf 2,7 Millionen Euro.
Bernd Klöver, Kanzler der HAW, nennt das Gesetz, mit dem die Förderbedingungen geregelt werden, ein "bürokratisches Monster". Das ist der Stein des Anstoßes: Der Bund zahlt 150 Euro des Stipendiums nur, wenn private Sponsoren die andere Hälfte übernehmen. Für die Akquise der Geldgeber sind die Hochschulen verantwortlich. "Die Anstrengungen, die nötig sind, stehen in keinem Verhältnis zu den fünf Stipendien, die wir vergeben könnten", sagte HAW-Sprecherin Katharina Jeorgakopoulos. "Das ist im Grunde eine Fundraising-Aufgabe, für die die Verwaltungspauschale verschwindend gering ist", sagte Dietmar Dunst, Leiter Service Lehre und Studium der TUHH.
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Die Universität kann mit ihren 39.000 Studenten 195 Stipendien vergeben. Als Jahrespauschale bekäme die Uni für Akquise und Abwicklung des Vergabeverfahrens 24 570 Euro - für Uni-Präsident Dieter Lenzen zu wenig. "Die Landeshochschulkonferenz hatte schon zu Beginn des Programms beschlossen, dass die Hochschulen nicht einzeln die Akquise von möglichen Geldgebern vornehmen, sondern dass die Einwerbung und Administration zentral koordiniert durch die Behörde für Wissenschaft und Forschung erfolgen sollte", sagt Lenzen zum Abendblatt. Geschehen ist das bislang nicht - und wird es wohl auch nicht. "Der Behörde obliegt nur die Überwachung der Voraussetzungen für die Vergabe der Mittel sowie der Zuweisungen des Geldes", sagte Behördensprecher Timo Friedrichs. "Wir werden uns von den Hochschulen über ihre Erfahrungen berichten lassen und mit ihnen besprechen, wie wir sie gegebenenfalls unterstützen können."
Das alles reicht dem FDP-Bundestagsabgeordneten Patrick Meinhardt nicht. "Es ist ein Schlag ins Gesicht der Hamburger Studierenden, wenn die drei größten Hochschulen das Deutschland-Stipendium boykottieren", sagte der bildungspolitische Sprecher seiner Fraktion dem Abendblatt. Bei rund 55 000 Studenten entginge 500 von ihnen die Möglichkeit auf ein Stipendium. "Dieses Verhalten ist unverantwortlich", so Meinhardt. Die Hochschulen sollten "nicht Sand ins Getriebe schütten, sondern diese Gelegenheit beim Schopfe packen".
Meinhardt versucht, dem SPD-Senat die Schuld in die Schuhe zu schieben. "Ich erwarte, dass sich die Hochschulen nicht vor den Karren des roten Hamburger Senats spannen lassen", sagte der Liberale. "Denn die SPD hat ein ideologisches Problem mit Spitzenförderung." Wahr ist allerdings, dass die Hochschulen den Verzicht auf die Teilnahme schon zu Zeiten des schwarz-grünen Senats beschlossen hatten.
An der HafenCity-Universität (HCU) ist alles anders: Mit Beginn des Wintersemesters erhalten elf Studierende das Deutschland-Stipendium. Das sind zwei Studenten mehr, als der Hochschule rechnerisch zustehen. "Unser Ziel war es, in jedem der elf Fachbereiche einen Stipendiaten zu haben", sagte HCU-Präsident Walter Pelka. Das sei gelungen. "Die Henri-Benthack-Stiftung hat neun Stipendien anteilig und darüber hinaus zwei vollständig übernommen", sagte Pelka. Gründerin der Stiftung ist Baustoffhändlerin Gerdi Benthack. Die 100-Jährige ist Deutschlands älteste Unternehmerin.
Mitte Oktober soll die Entscheidung fallen, welche Studenten die Stipendien erhalten. "Wir hatten Sponsoren für die doppelte Zahl von Stipendien", so der HCU-Präsident.