Parteiinterne Stimmen gegen die Uni-Sparpläne werden vor dem Gipfeltreffen heute lauter. Studierende protestierten gegen Scholz.
Rotherbaum. "167 Quadratmeter mit bestem Blick auf den Fernsehturm; wer gibt das erste Gebot ab?", ruft der Auktionator über den Allendeplatz an der Universität. Seine fiktive Firma heißt "Scholz Immobilien AG", benannt nach dem Bürgermeister. "50 Millionen!", ruft ein Mann in Anzug. "100 Millionen!", schreit eine Frau mit dunkelrot geschminkten Lippen. Die Angebote häufen sich. 350 Millionen. 800 Millionen. 60 Milliarden. "20 Fantastiliarden!", brüllt der Anzugträger. Ein paar Sekunden Ruhe. "Das und meine Seele", schreit die Frau hinter ihm.
Der Hammer fällt. "Glückwunsch!" Die Stimmung ist ausgelassen. Dabei meinen es die Studenten ernst mit dieser inszenierten Auktion: Sie protestieren mit dem "Verkauf" der Sozialwissenschaftlichen Fakultät ("Pferdestall") gegen die Sparpläne des Senats. Auch Annkathrin Kammeyer studiert hier Politik. Die 21-Jährige sitzt als jüngste Abgeordnete für die SPD in der Bürgerschaft. "Ich kann verstehen, dass diese Fakultät protestiert, weil sie schon seit Jahren mit finanziellen Problemen kämpfen müssen", sagt sie. Die junge SPD-Politikerin spricht viel mit ihren Kommilitonen in diesen Tagen, zur Protestaktion kam die Abgeordnete aber nicht. Die Jusos haben ihre Mutterpartei offen aufgerufen, den Sparkurs zu verlassen. "Wer Bildungspolitik zum Schwerpunkt machen will, muss über Kita und Schule hinausdenken", sagte Juso-Chef Benjamin Gildemeister. Die SPD müsse mit den Hochschulen eine "langfristige, finanziell gesicherte" Perspektive erarbeiten. Ein solcher "Masterplan" wird auch in SPD-Fraktionskreisen gefordert, darunter auch der hochschulpolitische Sprecher Philipp-Sebastian Kühn.
Wenn SPD-Fraktionschef Andreas Dressel beim heutigen Gipfeltreffen mit den Präsidenten der Hamburger Hochschulen über Lösungen diskutiert, kämpft er an zwei Fronten. Denn nach Informationen des Abendblattes mehren sich kritische Stimmen innerhalb der SPD-Regierungsfraktion gegen die Senatspolitik. Am Rande der Bürgerschaftssitzung diese Woche redete ein Grüppchen Abgeordneter sichtbar auf ihren Fraktionschef ein. Auch wenn bisher nur intern debattiert wird, ist diese Entwicklung brisant: Abweichler kann sich die SPD kaum leisten, wenn die Bürgerschaft am 22. Juni über den Haushalt abstimmen soll; sie hat zwar mit 62 von 121 Sitzen die absolute Mehrheit, kann aber nur den Verlust einer Stimme verkraften. In SPD-Kreisen hieß es: "Die Hochschulen sind seit Jahren unterfinanziert, das haben wir zu Oppositionszeiten immer kritisiert und Besserung versprochen." Darauf hätten sich die Hochschulen eben verlassen, sagen Genossen. "Nun aber wird im besten Fall der unterfinanzierte Status quo erhalten", hört man aus SPD-Kreisen, die auch auf ihr Regierungsprogramm verweisen. Neben dem Versprechen, die Studiengebühren abzuschaffen, steht dort: "Wir werden Wissenschaft und Forschung stärken."
Fraktionschef Andreas Dressel sagte zur Stimmung in seiner Fraktion lediglich: "Die Fraktion soll sich an dieser Diskussion aktiv beteiligen, genau deshalb ist es richtig, dass wir dieses Treffen vereinbart haben."
Die Hochschulchefs haben im Wissenschaftsausschuss deutlich gemacht, dass sie bei dem heutigen Treffen nicht über eine Umsetzung, sondern die Abwehr der Sparbeschlüsse diskutieren wollen. SPD-Fraktionschef Dressel sagte im Vorfeld: "Bisher haben wir leider keinen Schatz im Rathaus gefunden, den wir gemeinsam heben können." Wenn alle Einrichtungen der Stadt ihr Budget gemäß Kostensteigerungen fortschreiben wollten, sei eine Konsolidierung des Haushalts nicht machbar. "Niemand, der Verantwortung in dieser Stadt trägt, kann sagen, die Schuldenbremse ist kein Thema für ihn." Es klingt wie ein Ordnungsruf vor allem an Uni-Präsident Dieter Lenzen, der mehr Geld anstelle von Sparrunden fordert.
Der Uni-Streit treibt weitere politische Blüten: Der Wirtschaftsrat der CDU erklärte "Solidarität mit den Streikenden". Der Vorsitzende, Matthias Leutke, sagte: "Das Vorhaben des Senats gleicht dem heftigen Unwetter, das in dieser Woche über Hamburg niederbrach." Es würde alle Anstrengungen "hinwegschwemmen", um Hamburg als Wissenschaftsstandort zu positionieren. Dagegen bezeichnete der Bund der Steuerzahler die Proteste als "überzogen". Die Hochschulen hätten nicht zuerst finanzielle Probleme, so der Vorsitzende Frank Neubauer, sondern mit "Fehlinvestitionen, Kompetenzgerangel und mangelnder Konzentration auf Forschung und Lehre".
Nach der inszenierten Auktion am Allendeplatz steht noch der Auktionator im beigen Anzug vor dem Pferdestall: "Endlich sind die kiffenden Dauerstudenten weg." Noch spielt er den harten Verkäufer. So echt, dass es beinahe wahr sein könnte.
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