Scholz hat den Protest der Unis und seine Wirkung unterschätzt.
Unter den Talaren - der Muff von 1000 Jahren. Auf die Studenten der späten 60er-Jahre, ihre Parolen, ihren Widerstand und die Rollenverteilung war Verlass. Hier die Wortführer des Protests - in Berlin Rudi Dutschke, in Hamburg Detlev Albers und Gert Hinnerk Behlmer -, dort das Talar tragende Rektorat. In der Ahnenreihe von Dutschke, Behlmer und Albers findet sich jetzt ein Mann wieder, der qua Amt, Reputation und Einstellung zur Spitze des Establishments gehört: Dieter Lenzen, Präsident der Uni Hamburg und leitender städtischer Angestellter. Er hat sich an die Spitze des Protestes gegen die Wissenschaftspolitik des Senats gesetzt.
Die Landesregierung hat ihrer Wissenschaftsbehörde vorgegeben, im kommenden Jahr sechs Millionen Euro zu sparen - zusätzlich zu den von Schwarz-Grün beschlossenen Kürzungen. Das mag im Sinne einer Gleichbehandlung der Behörden gerecht erscheinen, politisch unklug und zudem miserabel öffentlich verkauft ist es dennoch. Denn wo liegt die Zukunft eines Stadtstaates mit engen Grenzen wirtschaftlichen wie räumlichen Wachstums, wenn nicht in Bildung, Forschung, Wissenschaft? Hamburgs Potenzial ist der Geist der Menschen, die hier leben, arbeiten und studieren.
Bürgermeister Olaf Scholz hat unklug gehandelt, als er den Etat der Wissenschaftsbehörde kürzte. Er hat den Protest unter-, das Krisenmanagement und die Kommunikationsfähigkeit seiner Senatorin und Stellvertreterin überschätzt. Jetzt wird er die Geister, die er und Dorothee Stapelfeldt riefen, nicht mehr los. Denn Scholz kann nicht mehr zurück, er zumindest sieht es so. Ein Abweichen von den Sparvorgaben für die Uni wäre das Eingeständnis eines politischen Fehlers. Es wäre auch, so Scholz, das Signal an all die anderen Interessengruppen, an die Beamten, an Ein-Euro-Jobber, an Sozialverbände, dass Kürzungen umkehrbar sind.
Der Fehler war vermeidbar. Zwei Leitbilder hat der Senat ausgegeben: den Haushalt zu sanieren und die Bildungschancen zu verbessern. Dazu gehört der Einstieg in die kostenlose Kita. Dazu gehört, so viele Lehrer einzustellen, dass die festgeschriebenen Klassenobergrenzen eingehalten werden. Das scheint der Senat zu erfüllen. Zu einem überzeugenden "Bildungspaket" hätte aber gehört, die Unis besser auszustatten, statt sich nur in der fahrlässigen Rücknahme der Studiengebühren zu sonnen.
Das versäumt zu haben sowie aus Sturheit keine Lösung anzubieten, ist der erste große Fehler des Scholz-Senats.