Hamburg verspricht Schutz der bedrohten Pflanze, damit 2012 gebaggert werden darf. Kritik kommt aber von Naturschutzverbänden.

Hamburg. Der Mann, der damals noch nicht einmal der Kandidat war, hatte sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. "Das ist der wirtschaftsfeindlichste Senat seit 60 Jahren", hatte Olaf Scholz Ende 2009 im Abendblatt-Interview über die damalige CDU/GAL-Koalition gesagt - und dabei explizit auf das zögerliche Vorgehen bei der Elbvertiefung verwiesen. Der weitere Verlauf ist bekannt: Aus dem Hamburger SPD-Chef wurde der Spitzenkandidat und schließlich der Bürgermeister - und der wird nun selbst daran gemessen, ob er die unendliche Geschichte Elbvertiefung in trockene Tücher bekommt.

Um zu erreichen, dass 2012 wirklich gebaggert wird, mischt sich Scholz jetzt auch in Details des Verfahrens ein. So stellte er in einem Brief an EU-Umweltkommissar Janez Potocnik zusätzliche, von Hamburg geplante Schutzmaßnahmen für den Schierlingswasserfenchel vor. Dabei handelt es sich um eine endemische Pflanze, sie kommt nur noch in den Tidegewässern der Elbe im Großraum Hamburg vor und gilt daher als schützenswert.

Wie aus dem Schreiben hervorgeht, das dem Abendblatt vorliegt, hatte Scholz Potocnik bereits am 1. Juni angekündigt, dass der Senat sich "in Abstimmung mit der Bundesrepublik Deutschland zu weiteren Aufwertungs- und Verbesserungsmaßnahmen zugunsten des Schierlingswasserfenchels" entschlossen habe. Am 5. Juli teilte er dem EU-Kommissar nun drei konkrete Projekte mit: An der Spadenländer Spitze soll ein zu beiden Seiten offener Priel geschaffen werden; im Bereich Overhaken (gegenüber von Over/Seevetal) soll ein Auenwald-Röhricht-Komplex dem Schierlingswasserfenchel eine Heimat bieten, und im alten Moorburger Hafen soll das frühere Vorkommen der seltenen Pflanze wiederhergestellt werden.

Im offiziellen Planfeststellungsverfahren für die Fahrrinnenanpassung, das die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes durchführt, sind ohnehin zwei Maßnahmen zum Schutz des anspruchsvollen Doldenblütlers geplant: im Vorland bei Zollenspieker und im Bereich Spadenländer Busch/Kreetsand. Im Scholz-Brief wird betont, dass die drei neuen Projekte zusätzlich zu den im Planfeststellungsverfahren aufgeführten umgesetzt werden. Zwei Signale sollen offensichtlich davon ausgehen: An die Wirtschaft, dass der Senat gewillt ist, alle Hürden für die Elbvertiefung schon im Ansatz zu beseitigen. Und an die Umweltverbände, dass Hamburg sich der Verantwortung für die einmalige Pflanze bewusst ist.

Die Naturschutzverbände interpretieren den Vorgang aber etwas anders. "Offensichtlich hat die EU-Kommission dem Senat gesagt, dass er noch mehr tun muss", sagt der Hamburger Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke dem Abendblatt. "Es ist ein Trauerspiel, dass Hamburg so getrieben werden muss." Zusätzliche Maßnahmen für den Erhalt des Schierlingswasserfenchels seien zwar erfreulich und beeinflussten auch die Bewertung durch den Nabu. "Aber die Elbvertiefung bleibt ein schwerwiegender Eingriff in die Natur", so Porschke. "Ob wir dagegen klagen werden, entscheiden wir, wenn der Planfeststellungsbeschluss vorliegt."

Ähnlich sieht es Horst Bertram vom Botanischen Verein Hamburg: "Die EU-Kommission hat massiv Druck auf Hamburg ausgeübt, dass der Senat seine Hausaufgaben macht." Dass Scholz nun Taten ankündigt, sei aber erfreulich. "Der Schierlingswasserfenchel ist das Flaggschiff unter den Arten, die von den Maßnahmen profitieren werden."

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) rechnet damit, dass das Planfeststellungsverfahren im Lauf des Jahres abgeschlossen werden kann. "Wir gehen weiterhin von diesem Zeitrahmen aus", sagte er dem Abendblatt. Nach der Stellungnahme der EU-Kommission müssen noch die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen ihr Einverständnis geben. Niedersachsen hat diese Entscheidung vor allem wegen möglicher Bedenken zur Deichsicherheit bislang offen gelassen. Vor der Kommunalwahl am 11. September wird das Land dazu voraussichtlich auch nicht Stellung nehmen.

Horch machte gestern deutlich, dass der Senat mit allen Beteiligten ständig im Gespräch sei. Konfrontation führe nicht weiter. Das betreffe nicht nur die anderen Bundesländer, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes in Kiel und die EU-Kommission, sondern auch Umweltverbände wie Nabu oder BUND. Das stellt Nabu-Chef Porschke anders dar: "Unsere Meinung hat den Bürgermeister bislang nur in Sonntagsreden interessiert." Außer einem Antrittsgespräch der Umweltverbände beim Wirtschaftssenator sei nichts geschehen. "Den angekündigten Dialog mit den Umweltverbänden kann ich nicht erkennen."