Von Hering bis Holz, von der Kogge bis zum Hochseefrachter: Ein Porträt von Mecklenburg-Vorpommerns ältestem Hafen an der Wismarbucht.
Wismar. An einer „lieblichen Bucht“ nördlich der „Michelenburg“ lassen sich vor gut tausend Jahren Fischer nieder und treiben alsbald Handel mit den gefangenen Heringen. Anno 1211 genehmigt Kaiser Otto IV. das Halten von zwei Koggen und kleineren Schiffen im Hafen „Wissemer“.
Das geschieht noch vor den Stadtgründungen an der südlichen Ostseeküste, wie aus einer Chronik zum 800-jährigen Hafenjubiläum in Wismar hervorgeht. Die Stadt selbst findet 1229 ihre erste urkundliche Erwähnung, die nächsten Häfen der Gegend werden 1234 für Stralsund und 1252 für Rostock genannt.
Vor allem Salzhering, Bier und Getreide wurden dereinst im ältesten Hafen Mecklenburg-Vorpommerns in die hölzernen Segelschiffe - Koggen einer speziellen baltischen Variante – verladen. Importiert wurden Tuche aus Flandern, russische Pelze oder französische Weine.
Zu DDR-Zeiten ging in erster Linie Kalidünger als weltweit begehrtes Exportgut über die Kaikanten an der Wismarbucht. Angelandet wurden Holz aus der Sowjetunion, Erdöl, Chemikalien, aber auch Schnaps und Rohkaffee. Im Rekordjahr 1984 meldete Wismar 4,85 Millionen Tonnen Umschlag, die Hälfte davon Kalisalz. Von 1946 bis 1989 wurden 113 Millionen Tonnen Güter ver- oder entladen, mehr als 71 000 Schiffe aus 70 Ländern liefen ein.
Unterdessen hatte Rostock – bis 1960 per Parteibeschluss zum größten Seeumschlagsplatz der DDR ausgebaut – dem Wismarer Tiefwasserhafen den Spitzenplatz in Ostdeutschland abgelaufen. Heute rangiert Rostock hinter Lübeck – dem ältesten und größten deutschen Umschlagsplatz an der Ostsee – mit über 20 Millionen Tonnen Gütern pro Jahr auf Platz zwei. Danach folgen Wismar, Kiel und Sassnitz. Die Krise brachte 2009 alle Ostseehäfen in schweres Fahrwasser, seit 2010 erholen sich die Bilanzen.
So auch bei Mecklenburg-Vorpommerns Hafen-„Senior“ in Wismar. Der Seehafen steigerte seinen Umschlag von knapp 6,2 Millionen Tonnen (2009) auf 6,9 Millionen Tonnen, wie Geschäftsführer Michael Kremp sagt. „Als klassischer Universalhafen sind wir besser durch die Krise gekommen als hoch spezialisierte Umschlagsplätze.“ Im Jubiläumsjahr
2011 wolle der Hafen, der knapp 200 Leute beschäftigt, wieder das Niveau der Vorkrisen-Zeit erreichen. Gerade abgeschlossen wurde eine zweijährige, zwölf Millionen Euro teure Investition in die Erneuerung des Natronkais und in Gleise an den Liegeplätzen zwei bis neun.
Insgesamt flossen in den 75 Hektar großen Hafen seit 1990 rund 132 Millionen Euro an Investitionen, berichtet Kremp. Für weitere 50 Millionen Euro sollen 2013 bis 2015 rund fünf Hektar neue Hafenflächen aufgespült sowie Zufahrt und Fahrrinne in der Wismarbucht von derzeit 9,50 Meter auf 11,50 Meter Tiefe ausgebaggert werden.
Größere Schiffe mit doppelter Tragfähigkeit von dann 50 000 Tonnen sollen nach Wismar gelockt werden, sagt Kremp. Nur so könne den polnischen Ostseehäfen Stettin (Szczecin) und Swinemünde (Swinoujscie), die ab 2014 mit EU-Fördermillionen flott gemacht würden, Paroli geboten werden.
Wachsenden Rohstoffhunger erwartet der Hafen von der benachbarten Holzindustrie, die vor 15 Jahren auf dem angrenzenden Hafffeld gewachsen ist. Großsägewerk, Holzwerkstoff- und Palettenhersteller, Leimbinderproduzent und eine der größten deutschen Pelletfabriken seien trotz krisenbedingter Schwankungen wesentliche Auftraggeber für den Hafen.
„Wir leben vom Holzcluster, das ist unser Rückgrat“, betont der Hafenchef. Ein Drittel des Umschlags gehe im Schnitt auf die Holzbetriebe zurück, die zusammen rund 1300 Beschäftigten zählen. „Der Hafen ist schlagkräftig geworden“, sagt Wismars Bürgermeister Thomas Beyer (SPD). „Ohne ihn gebe es hier keine Holzindustrie und wäre die Stadt gar nicht denkbar.“